Leseranwalt

Nachricht und Meinung vermischt

von

Aus drehscheibe 07/2023

Unter der Überschrift „Söder auf dem CSU-Parteitag: Am interessantesten ist, was fehlt“ schrieb der Korrespondent des Neuen Tags (Weiden), Jürgen Umlauft, über die Nominierung des amtierenden Ministerpräsidenten als Spitzenkandidat für die Landtagswahl. Ein einordnendes Feature und in der Tat ein Inhalt mit viel Meinung.

Der Artikel rief Kritik hervor. Einer der Leser, die sich telefonisch zu Wort meldeten, nannte diese Art der Berichterstattung „ungeheuerlich“. Ausführlich mit dem Text auseinandergesetzt hat sich dann in einer Mail an die Redaktion ein ehemaliger freier Mitarbeiter: „Ich war selber 15 Jahre örtlicher Berichterstatter und hätte mir niemals erlaubt, eine Veranstaltung so ins Lächerliche zu ziehen.“ Aus seiner Sicht ist der Bericht über den Nürnberger CSU-Parteitag „geprägt von Spitzfindigkeiten, Unterstellungen und dem Hass auf ein erfolgreiches Bayern und eine erfolgreiche CSU“.

Schon die „negative Überschrift“ sage alles. Sie scheint den 70-Jährigen ziemlich erzürnt zu haben: „Wenn dieser Berichterstatter schon Oppositionsarbeit betreiben will, dann schickt ihn doch zu den Parteitagen der links-grünen Parteien, dann kann er über das berichten, was er persönlich an Söder vermisst.“ Unpassend empfand er den „ironischen Vergleich“ mit der fast gleichzeitig stattfindenden Krönung von Charles III. in England. Fehl am Platze seien Aussagen wie „Die Frankenhalle ist nicht Westminster Abbey“ oder ein „Dienst-BMW keine güldene Kutsche“. Der Tadel für die Grünen und die Graichen-Affäre werde mit Söders allgemeiner „Wokeness-Kritik“ abgetan, und auch die Bezeichnung „Bäume-Umarmer a. D.“ zeige für ihn „die Zielrichtung einer negativen Berichterstattung“, so der freie Mitarbeiter.

Ja, für manchen Leser mag die Art und Weise, wie Jürgen Umlauft seinen Beitrag über den CSU-Parteitag verfasst hat, tendenziös wirken. Korrespondentenberichte sind oft Analysen, hier treffen sich, wie auch bei Kultur-Rezensionen oder Sportberichten, im Text Fakten und Wertungen. Im Journalismus gibt es diese Mischformen, in denen ganz bewusst objektive Informationen und persönliche Betrachtungsweisen nebeneinander stehen, sie sind zulässig.

Ich vertrete aber die Auffassung: Dies sollte für den Leser deutlich sein und am besten erkennbar gemacht werden. So würde es vielen Lesern weiterhelfen, wenn sie – im Beispiel des Artikels über den CSU-Parteitag – im Teaser bereits erfahren hätten, mit welcher Art von Berichterstattung sie es zu tun bekommen. So hätte man etwa „Beobachtungen auf dem Parteitag“ oder „eine Analyse von ...“ schreiben können.

In meinem Leseranwalts-Alltag mache ich immer wieder die Erfahrung, dass sich viele Leser eine konsequente Trennung zwischen Nachricht und Meinung wünschen.

Der Text erschien zuerst am 26. Mai 2023 in der Zeitung Der neue Tag (Weiden). Er wurde redaktionell gekürzt.

Jürgen Kandziora

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

Mail: juergen.kandziora@oberpfalzmedien.de
Telefon: 0961 – 854 44

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