Leseranwalt

Wenn Firmen gut wegkommen

von

Aus drehscheibe 04/2023

Ein Elektrotechnik-Meister aus der Region schreibt mir, weil er verärgert über einen unserer Artikel ist: „Was muss man eigentlich tun, um so eine kostenlose Werbung in Form einer Drittelseite zu erhalten?“, wollte er von mir wissen. Im Text ging es um zwei Freunde, die gemeinsam ein Unternehmen gegründet haben. In einer Branche, „die aktuell durch die Decke geht“, wie in dem Artikel steht. Die beiden Firmeninhaber seien „sehr optimistisch“, erfährt der Leser, „denn das Thema dezentrale Energieerzeugung aus erneuerbaren Energien beschäftigt derzeit nahezu jeden Hausbesitzer“.

Ich antwortete dem Mann, dass ich seine Kritik gut verstehen könne, und schrieb ihm: „Ich hätte den Artikel so nicht veröffentlicht, sondern wäre das Thema anders angegangen.“ Ist diese Berichterstattung vielleicht sogar ein Verstoß gegen den Pressekodex? Aufschluss darüber geben kann hier ein Blick auf die Ziffer 7, in der es um die Trennung von Werbung und Redaktion geht. In der Richtlinie 7.2 (Schleichwerbung) heißt es wörtlich: „Redaktionelle Veröffentlichungen, die auf Unternehmen, ihre Erzeugnisse, Leistungen oder Veranstaltungen hinweisen, dürfen nicht die Grenze zur Schleichwerbung überschreiten. Eine Überschreitung liegt insbesondere nahe, wenn die Veröffentlichung über ein begründetes öffentliches Interesse oder das Informationsinteresse der Leser hinausgeht oder von dritter Seite bezahlt bzw. durch geldwerte Vorteile belohnt wird.“

Um Schleichwerbung handelt es sich hier nicht, da an nachhaltiger Energieversorgung/Eigenversorgung zurzeit ein öffentliches Inte­resse und ein grundsätzliches Leserinteresse besteht. Und selbstverständlich ist hier kein Cent an uns geflossen, das möchte ich ausdrücklich hervorheben.

Um den Eindruck der Schleichwerbung von vornherein zu vermeiden, hätte man den Artikel aber anders aufziehen müssen. Zum Beispiel mehr an den beiden Personen und an der Tatsache, dass ihnen der Weg in die Selbstständigkeit bereits dreimal misslungen ist, sie aber trotzdem einen vierten Versuch wagen. Das habe ich auch der zuständigen Redaktionsleitung gesagt und bin bei ihr auf Verständnis gestoßen.

In Deutschland gilt: Medien dürfen redaktionellen Inhalt und Werbung nicht vermischen. Festgeschrieben ist das in allen Landespressegesetzen. „In der Praxis müssen sich aber immer wieder die Gerichte mit der Grenzziehung befassen. Denn so einfach sind die Grenzziehungen nicht, gehört es doch zum Informationsauftrag der Medien, über Unternehmen, Produkte und Dienstleistungen zu berichten“, schreiben die Presserechtler der Initiative Tageszeitung (ITZ) und betonen im ITZ-Online-Lexikon zum Thema Schleichwerbung: „Es ist kaum möglich, über die Signierstunde eines berühmten Autors in der Buchhandlung zu berichten, ohne den Anlass, die Präsentation eines neuen Romans, zu erwähnen. Wenn das Autohaus dem Wohlfahrtsverband ein abgelegtes Dienstfahrzeug schenkt, kann der Lokalredakteur an diesem Thema kaum vorbei und dabei schlecht die Marke des Fahrzeugs und den Namen des Autohauses verschweigen.“

Wichtig sei nur, dass die Sachinformation im Vordergrund steht und nicht mit übermäßig lobenden Aussagen über das Unternehmen, seine Leistungen und Produkte vermischt ist.

Dieser Artikel erschien zuerst in der Zeitung Der Neue Tag (Weiden). Er wurde redaktionell gekürzt.

Thomas Hauser

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

Mail: juergen.kandziora@oberpfalzmedien.de
Telefon: 0961 – 854 44

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