Debatte

Wir nennen die Nationalität

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Ja, wir von der Schwäbischen Post und Gmünder Tagespost nennen die Nationalität in unserer Berichterstattung – und das nicht erst seit den Übergriffen in Köln, sondern schon seit Mai 2015. Und wir nennen die Nationalität auch bei Ladendiebstählen. Warum? Eine Replik von Lars Reckermann, Chefredakteur der Schwäbischen Post

Im April 2015 eröffnete in Ellwangen eine Landeserstaufnahmestelle für Flüchtlinge. Wenn in eine Stadt mit 23500 Einwohnern, etwa die Hälfte davon leben in der Kernstadt, bis zu 4000 Flüchtlinge (aktuell etwas mehr als 2000) kommen, verändert das eine Stadt. Wir haben über alle Facetten berichtet, über die positiven und negativen. Zu den Negativen zählte, dass in fast jeder Polizeimeldung bei Ladendiebstählen Algerier von der Polizei benannt wurden. Anfangs haben wir den Pressekodex noch eins zu eins umgesetzt. Dann haben wir aber entschieden, dass wir damit eigentlich eine Nachricht verschweigen. Ja, es gibt das Problem mit zunehmenden Ladendiebstählen – und das hatte auch einen Grund. Wir haben neben der Polizei auch mit einigen Ladenbesitzern gesprochen und bekamen den Eindruck bestätigt.

Also nennen wir die Nationalität, wohlwissend, dass laut Ziffer 12 des Pressekodex’ „in der Berichterstattung über Straftaten die Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu religiösen, ethnischen oder anderen Minderheiten nur dann erwähnt wird, wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“.

Hinweis vom Presserat erhalten

Für diese Art der Berichterstattung erhielt ich einen Hinweis des Deutschen Presserates. Ich habe damals in einer Stellungnahme geschrieben: „Wir haben übrigens auch die Nationalität genannt, als in Ellwangen ein Baugerüst drohte umzukippen und Algerier, Bewohner der LEA, noch vor der Feuerwehr rettend eingegriffen haben.“

Ich finde für Ellwangen, für den Ostalbkreis, ist die Nennung der Nationalität für das Verständnis wichtig, es gibt meiner Meinung nach einen begründbaren Sachbezug. Ich muss natürlich nicht erwähnen, dass wir selbstredend ohne Häme oder Hetze berichten. Und dass sich unsere Berichterstattung nicht auf Algerier konzentriert. Wir berichten, wenn Ellwanger auffällig sind, wir berichten aber auch, wenn Algerier, Syrer oder Afghanen auffällig werden.

Weitaus öfter berichten wir übrigens über Hilfsaktionen oder über Flüchtlingsschicksale. Wir nehmen aber auch die Ängste und Sorgen vieler Ellwanger ernst, wir verschweigen nichts, wir beschönigen aber auch nichts. Eigentlich machen wir genau das, was die Aufgabe einer Zeitung sein sollte. Wir berichten, ordnen ein, schreiben auf, was wir wissen, wir dokumentieren und kommentieren. Ich muss nicht erwähnen, dass wir uns nicht an Gerüchten beteiligen, wir gehen ihnen nach und checken die Fakten – und entlarven zuweilen das Gerücht auch als Gerücht.

Falls die Frage aufkommt, von wem wir für diese Art Berichterstattung Applaus bekommen: von niemandem. Den einen geht es nicht weit genug, den anderen geht es zu weit. Aber es geht auch nicht um Applaus, es geht um die Wahrheit. Die bilden wir meiner Meinung nach ab. Noch ein Satz zur Frage, ob die Ziffer 12 im Pressekodex verändert werden muss. Nein, der Satz „wenn für das Verständnis des berichteten Vorgangs ein begründbarer Sachbezug besteht“ genügt.

Lars Reckermann

Autor

Lars Reckermann
Schwäbische Post
Telefon 07361 – 59 41 70
Mail: l.reckermann@sdz-medien.de
Web: Schwaebische-post.de

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