„Gut sein, dann wird das Zeug auch gelesen“
von Malte Hinz
Liebe Kollegen, ihr führt mit überschäumendem Engagement einen Streit um des Kaisers berühmten Bart. Verdichtet, spitzt sich doch alles auf diese Glaubensfrage zu: Findet Vereinsberichterstattung in der Tageszeitung statt - ja oder nein? Im Prinzip ist die Antwort doch ganz einfach und doch so schwierig. Von Malte Hinz
Ich behaupte: Natürlich gehört Vereinsberichterstattung ins Produkt. Ansonsten gelte die uns angesichts der Branchenkrise mit wegbrechenden Printauflagen allen und gerade für das Lokale gemeinsame „Lebensversicherung“ nichts mehr, nämlich journalistisch so nahe wie irgend möglich bei den Lesern und deren Lebenswelten, -erfahrungen und –interessen sein zu müssen. Zu diesen Welten, Erfahrungen und Interessen der Menschen im Kiez zählt natürlich die Berichterstattung über deren Vereine, Organisationen, Verbände.
Der verordnete Verzicht auf Vereinsberichterstattung, lieber Joachim Braun, bedeutet zudem keineswegs, auf geradem Wege in den Hafen des Qualitätsjournalismus zu segeln. Mal abgesehen von den fortwährenden Schwierigkeiten, eine für unseren Berufsstand allgemeinverbindliche Definition des Begriffs „Qualitätsjournalismus“ aufzuschreiben, ist doch eher die Frage zu beantworten, wie wir eine Vereinsberichterstattung in die Blätter bekommen, die mehr ist als das Abdrucken des Versammlungsprotokolls der stellvertretenden Schriftführerin des Clubs. Vielmehr sind hier Handwerklichkeit, Recherche, das Aufspüren von Nachrichten, Storytelling im besten Sinne gefragt. Dafür lassen sich, lieber Lars Reckermann, nachvollziehbare Qualitätsstandards definieren. Wenn die dann auch noch von gut aus- und weitergebildeten Festangestellten wie Freien in der Redaktion gelebt werden, wird Vereinsberichterstattung auf jeden Fall besser als sie heute meistens ist. Ein Kaninchenzüchterverein hat jedenfalls allemal mehr zu bieten als den Hinweis, dass Karl Strammsack seit 25 Jahren stellvertretender Vorsitzender ist.
Gesucht: Sauberer, überraschender Journalismus
Die nachvollziehbare Begründung, dass das, was und wie wir in der Regel über Vereine berichten kein Journalismus sei und deshalb in eine unjournalistische Beilage gehöre, führt aus meiner Sicht für die meisten Blätter nicht zu einer sinnvollen Lösung. Wer allerdings imstande ist, seinen Lesern engagierte und professionellen journalistischen Standards genügende Vereinsberichterstattung in einem nachvollziehbaren Rhythmus und verlässlich in Beilagen zu präsentieren, ist sicher gut dran. Und er liefert dem Verlag ganz nebenbei möglicherweise auch noch ungeahnte zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten. Wer eine solche Vereinsberichterstattung allerdings – weil er den Platz im Produkt zur Verfügung hat – in der Tageszeitung unterbringt, begeht damit keine Grenzverletzung. Es handelt sich ja schließlich um sauberen, vielleicht sogar überraschend überraschenden Journalismus.
Also: Wir und unsere Beiträge – Texte wie Fotos - haben letztlich und in jedem Fall einfach „nur“ gut genug zu sein, kreativ, hintergründig, ja nachvollziehbar professionell zu sein. Dann wäre alles gut, dann würde das „Zeug“ auch gelesen, und zwar ganz gleich, wo es erscheint.
Joachim Braun erläutert seine Thesen zur Vereinsberichterstattung
Hier geht’s zur Antwort von Lars Reckermann
Nadine Conti plädiert für eine B-Seite im Lokalen
Johann Stoll will mit den Vereinen ins Gespräch kommen
Hier geht's zum Text von Peter Burger
Zum Text von Martin Schwarzkopf
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