„Gute Erfahrungen mit Supplements“
von Peter Burger
Die so genannte Ghettoisierung der Vereinsberichterstattung in Supplements (bei uns in der Rhein-Zeitung heißt das „Wir von hier“) ist weder vom automatischen Durchmarsch zum ebenfalls so genannten Qualitätsjournalismus begleitet, noch stigmatisiert es vereinsaffine Leser zu Provinzlullies. Von Peter Burger
Auch wir bei der Rhein-Zeitung haben gute Erfahrung gemacht mit dieser Form von Veröffentlichungen (und nicht etwa Journalismus), die uns eigenartiger Weise allenfalls gedruckt wie aus einer anderen Welt erscheinen. Auf digitalen Kanälen - außerhalb professioneller Medienhäuser – kräht kein Hahn danach, wer da was, wie und in welcher Darstellungsform anrichtet. Jenseits der Diskussion um Journalismus und Qualität sollte ehrlicher Weise auch eine andere Motivation ins Spiel gebracht werden: die Kosten!
Während sich ausgebildete Lokalredakteure (m/w) früher stundenlang einen Wolf redigierten, das nahezu 200-Zeilen-Œuvre des stellvertretenden Schriftführers von der Jahreshauptversammlung des Männergesangvereins „Germania 1888“ auf zarte 40 Zeilchen einköchelten (selbstverständlich unter Verschweigen der Totenehrung) und damit gegebenenfalls den Zorn der Sangesbrüder auf sich zogen, lassen wir ihnen heute das Epos weitgehend unangetastet durchgehen. Manche Vereine bestehen bereits darauf, nur in „Wir von hier“ abgebildet zu werden, sie goutieren die neue Opulenz in der Berichterstattung. Die Folge: Der Verein ist happy, die Kollegen sind’s nicht minder. Denn sie haben mehr Zeit und Räum, sich den eigentlichen journalistischen Themen zu widmen, für die sie als Redakteure bezahlt werden.
Keine Frage: Auch wir experimentieren (noch). In einigen unserer Lokalausgaben ist das Halbformat „Wir von hier“ seit mehr als zwei Jahren fest etabliert – und niemand mag es mehr missen, weder die Leser noch die Kollegen. In anderen Ausgaben testen wir einen anderen Weg: gleiche Stoffe, gleiche Optik, gleiche „unjournalistische“ (Nicht-)Bearbeitung durch Mediengestalterinnen: „Wir von hier“ als 1/1-Seite. Auch das begeistert die eine Hälfte der Leser – und lässt die andere weiter die Nase rümpfen...
Mein Fazit: Wir müssen das Eine tun - engagierten, innovativen Lokaljournalismus (auf allen Kanälen!) weiterentwickeln – und dürfen das Andere nicht lassen: Vereinsfreunden, die zwei Drittel unserer Leserschaft ausmachen, und anderen sublokalen Welten eine journalistische Heimat geben!
Peter Burger ist stellvertretender Chefredakteur der Rhein-Zeitung.
Joachim Braun erläutert seine Thesen zur Vereinsberichterstattung
Hier geht’s zur Antwort von Lars Reckermann
Hier geht's zum Text von Malte Hinz
Nadine Conti plädiert für eine B-Seite im Lokalen
Johann Stoll will mit den Vereinen ins Gespräch kommen
Zum Text von Martin Schwarzkopf
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