Fiene checkt

Der beste Platz für den Podcast

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Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit im Lokalen (Foto: AdobeStock/blackday).
Podcasts erfreuen sich großer Beliebtheit im Lokalen (Foto: AdobeStock/blackday).

Mittlerweile machen sich immer mehr Medienhäuser Gedanken darüber, wie Podcasts ihre Digitalstrategie unterstützen können. Die Zeit des Einfach-mal-Experimentierens scheint vorbei zu sein. Im jüngsten Beitrag haben wir uns bereits angeschaut, welchen strategischen Wert eigene Storytelling-Formate haben können und welche Grenzen es dabei für Lokalredaktionen gibt. Heute schauen wir auf eine essenzielle Frage: Wo sollten Lokalredaktionen ihre Podcasts anbieten?

Häufig lautet die Antwort: Den Podcast gibt es nur auf unseren eigenen Kanälen — und zwar für zahlende Kunden. Die Podcast-Plattformen zahlen nichts für unsere Inhalte.

Was für den Vertrieb auf den eigenen Kanälen spricht: Die Zeit, der Spiegel oder die Krautreporter machen es vor. Sie werten ihre Paid-Angebote mit Audio-Inhalten auf und werben prominent damit. Warum sollten Medienhäuser überhaupt ihre Inhalte anderen Plattformen wie Spotify zur Verfügung stellen, nur damit deren User dann noch mehr Zeit in der Streaming-App verbringen und das Spotify-Abo für sie so noch wertvoller wird? Es wäre doch im Interesse der Medienmarke, wenn die Podcast-Episoden auf der eigenen Seite oder in der eigenen App gehört werden. Da Podcasts vor allem auch von jüngeren Erwachsenen gehört werden, könne man diese dann auch für die eigenen Angebote gewinnen.

Auf der anderen Seite haben die erfolgreichsten Podcasts eine Gemeinsamkeit. Sie sind auf allen Plattformen zu finden. Neben Spotify bei Apple Podcasts oder auch über Amazon Echo oder Google Home. Selbst die ARD bietet ihre Eigenproduktionen nicht ausschließlich über die eigene Audiothek an, sondern ist auf vielen Plattformen präsent. Einzige Ausnahme: Spotifys Exklusiv-Formate. Aber die befinden sich immerhin auf der in Deutschland meistgenutzten Podcast-Plattform.

Die Frage ist übrigens nicht neu: Als eigene Facebook-Seiten zum Pflichtprogramm von Lokalredaktionen wurden, gehörte eine ordentliche Plattformdiskussion dazu. Facebook aufwerten? Oder nötig, um auch in Zukunft die Menschen über das Netz überhaupt zu erreichen? Mit den ersten Erfahrungen wurde diese Frage unwichtiger. Die Publisher erkannten, dass der unmittelbare Wert für sie interessant war. Zunächst um die Reichweite der eigenen Seite zu unterstützen, später um Digital-Abos verkaufen zu können.

In der Audio-Branche stellen sich schon seit Jahren viele Radiosender diese Frage. Sind wir mit unseren Podcasts auf Spotify vertreten? Als Musik-Streamingdienst ist Spotify dem Hauptgeschäftsmodell der Radiosender deutlich näher.

Dazu eine Anekdote: Vor einigen Jahren hat ein junger Hörfunkmacher einer öffentlich-rechtlichen Senders mit mir über diese Frage diskutiert. Sein eigener Podcast richtet sich an junge Erwachsene. Immer wenn er anderen seiner Altersklasse von seinem Projekt erzählte, holten sie ihr Smartphone aus der Tasche, öffneten eine App und beschwerten sich: Sie finden den Podcast gar nicht. Es war Spotify. Sein Sender war nicht auf der Plattform. Als er dann erwiderte, man könne seinen Podcast über eine andere App hören, nickten die meisten nur und ließen das Smartphone wieder in der Tasche verschwinden. Sein Fazit: Die hören nur dort, wo sie sonst hören. Selbst Apps zu nutzen, die schon installiert sind, ist ihnen zu kompliziert. Mittlerweile ist der Sender auch mit seinen Podcasts auf Spotify vertreten.

(Foto: AdobeStock/oatawa)
(Foto: AdobeStock/oatawa)

Gründe, die gegen exklusive Podcasts sprechen

● Podcasts zu produzieren, ist ohne Frage aufwendig. Deswegen ist das Interesse legitim, mit jeder Episode eine gewisse Hörerschaft zu erreichen. 2000 Streams pro Folge sind da schon ein guter Wert. Doch um 2000 Abrufe über eine Webseite zu erzielen, müssen Sie sehr viele User ansprechen — gerade wenn Sie neue Digital-Abos verkaufen möchten. Schauen Sie sich zunächst an, wie für Ihre Webseite die Conversionrate auf Artikelebene aussieht. Schauen Sie sich dann auch an, wieviele Prozent eines Paid-Artikels von bestehenden Abonnenten und wieviele von Neuabschlüssen aufgerufen wird. So haben Sie eine ungefähre Idee, wie viele Menschen den Kontakt mit der Paywall haben müssen, damit Sie am Ende auf diese Hörerzahl kommen. Wenn Sie sich dann noch anschauen, wie die Klickrate der Teaserartikel auf Ihre Startseite ist, haben Sie dann überhaupt die technische Reichweite, um für so viel Traffic zu sorgen? Sie ahnen es: Der Aufwand ist enorm.

● Aus dieser Erkenntnis hat Netflix eine Tugend gemacht: Nicht ohne Grund gibt es eine hohe Taktzahl an neuen Serien und Staffeln, um das Angebot für die zahlenden Zuschauer attraktiv zu halten. In Deutschland setzt ThePioneer auf diese Strategie: Neben dem reichweitenstarken Morning Briefing von Gabor Steingart gibt es noch eine sorgfältig kuratierte Podcast-Familie, die es nur für zahlende Mitglieder gibt. In dieser Konstellation funktioniert das Modell. Nur: Das Audio-Angebot bei den meisten Verlagen besteht höchstens aus zwei bis drei Formaten.

● Wenn Sie sich mit anderen Podcast-Anbietern unterhalten, werden Sie eins hören: Je nach Format können Sie den Anteil der Hörerschaft, die über die Webseite eine Episode hören, an zwei Händen abzählen. Bei unserem “Was mit Medien”-Podcast liegt der Wert sogar nur bei zwei Prozent.

● Was in der Theorie gut klingt, scheitert oft in der Praxis: Die User lassen sich nicht lenken. Ihr Bedürfnis ein bestimmtes Angebot zu nutzen muss extrem ausgeprägt sein, bevor man die Plattform oder die App wechselt. Das Überangebot an Podcast-Formaten spielt einem auch nicht in die Karten. Selbst Tech-Platformen können oft nur auf die User reagieren und sie nicht erziehen. Youtube ist die zweit meistgenutzte Plattform zum Podcast-Hören in Deutschland. Obwohl Youtube gar keine Podcast-Funktionen anbietet. Viele User wissen nicht genau, wie Podcasts funktionieren, gehen dann zu Youtube - immerhin oft als zweitwichtigste Suchmaschine in Deutschland bezeichnet - und finden dann oft auch ein Video, das mit der Tonspur der Episoden unterlegt ist.

 

Gründe, die für die Verbreitung auf anderen Plattformen sprechen

● Ein wichtiger strategischer Grund für eigene Podcast-Angebote ist die Nutzerschaft: Die ist deutlich jünger und wohlhabender und somit von der Werbewirtschaft nachgefragt. Außerdem sind sie die potenziellen zukünftigen Abonnenten. Wenn Sie Ihren Podcast nur auf ihren eigenen Kanälen anbieten, werden Sie einen Großteil dieser Zielgruppe nicht erreichen, sondern mit Schwerpunkt die ansprechen, die Sie sowieso schon ansprechen.

● 2000 Streams pro Folge werden Sie mit deutlich weniger Aufwand und schneller erreichen. Der Vorteil: Schon vierstellige Abrufzahlen lassen sich im Vergleich zu anderen digitalen Werbeformaten gut monetarisieren. Die Tausenderkontaktpreise beginnen im dreistelligen Bereich.

● Sie können die Podcast-Reichweite ebenfalls nutzen, um Digital-Abos anzubieten. Denn: Wenn die Hosts eines Formats etwas empfehlen, dann folgt die Hörerschaft. Die Conversionrate ist deutlich höher, als bei anderen Werbeformen. Sie schließen vielleicht direkt ein Probe-Abo ab, oder hinterlassen ihre E-Mail-Adresse. Diese Leads sind wertvoll: Mindestens 10 Prozent der Kontakte entscheiden sich in der Folgekommunikation für ein Digitalangebot. Auch dieser Wert ist überdurchschnittlich.

● Wenn Ihre Podcast-Formate über alle relevanten Podcast-Plattformen zu finden sind, haben Sie die Möglichkeit neue Audiences aufzubauen, die künftig strategisch wichtiger werden. Stichwort Entbündelung. Zu den der Trends in diesem Jahr gehören erste Experimente mit digitalen Abos für bestimmte Zielgruppen. Im digitalen Raum funktionieren Produkte besser, die sich klar an eine Zielgruppe und ihre Bedürfnisse orientieren. Bisherige Abomodelle versuchen mit einem Angebot möglichst viele Zielgruppen zu bedienen. Was in der analogen Welt Massenmedien ausmachte, ist in der digitalen Welt nicht mehr das beste Rezept.

 

(Foto: AdobeStock/svetlichniy_igor)
(Foto: AdobeStock/svetlichniy_igor)

Fazit: Stellen Sie bei der Entscheidung Ihre Hörerschaft in den Mittelpunkt. Wen möchten Sie erreichen und zu welchem Zweck? Wenn man dann auch noch den Aufwand miteinberechnet dürfte in den meisten Fällen die Antwort lauten: Seien Sie mit Ihren Podcast-Formaten dort, wo auch die Ohren der Menschen sind, die Sie erreichen möchten. Seien Sie bei Apple Podcasts, Google Podcast oder Spotify präsent. Strategische Erfolge für Ihr Digitalangebot können Sie deutlich einfacher erreichen.

Tipp: Bieten Sie aber Ihre Podcast-Formate trotzdem auf Ihrer Homepage an. Die eigene Homepage ist wichtig für die Auffindbarkeit über Suchmaschinen (mit 39 Prozent die meistgenannte Quelle, wie User neue Podcasts in Europa entdecken) und dient als Schaufenster für Ihr Format. Ist der erste Eindruck gut, folgen die User dem Format über ihre bevorzugte Podcast-App. Ihr bestehendes Digitalabo können Sie trotzdem mit Audio-Inhalten aufwerten. Zum Beispiel könnten Sie zahlenden Hörern einen früheren Zugriff auf die neuen Episoden gewähren. Außerdem können Audio-Fassungen von ausgewählten Texten ein Argument für Neugierige sein, ein Abo abzuschließen.

Vielen Dank für diese interessante Frage. Sie hatte sich kürzlich in einem Podcast-Workshop der Bundeszentrale für politische Bildung ergeben. Wenn Sie mir auch eine Fragestelleung aus dem Bereich Social-Media, neue Plattformen, Audiences oder Podcasts mitgeben möchten, freue ich mich über Ihre Vorschläge (mailto: daniel@wasmitmedien.de)


Mehr zum Thema:

● Fiene checkt: Artikel zum Hören

● Fiene checkt: Storytelling-Formate zum Hören

● 150 Fragen in Sachen Podcasts — ein How-to-Podcast von Daniel Fiene zur Podcastproduktion


● Diskussion im „Was mit Medien”-Podcast: Apple vs. Spotify vs. Facebook — wie verändert sich die Podcast-Welt?

● Online-Power-Workshop „Podcasts im Lokalen” von der drehscheibe und der Bundeszentrale für politische Bildung. Zur Workshop-Übersicht

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Daniel Fiene

ist Medienjournalist und Begründer des Podcasts „Was mit Medien“.

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