Das Potenzial der Kommentare
von Eva-Maria Csonka
Vor rund zehn Jahren war Facebook für viele Lokalredaktionen noch ein Fremdwort, obwohl die Arbeit mit dem sozialen Netzwerk zu dieser Zeit bei den überregionalen Medien schon zum Alltag gehörte. Dieses Bild hat sich in den letzten Jahren allerdings gewandelt: Die meisten Lokalredaktionen haben ein eigenes Facebook-Profil, auf dem die Leserschaft mal mehr mal weniger eifrig Artikelteaser, Bilder, Umfragen und ähnliches kommentiert. Doch was passiert eigentlich mit diesen Nutzerkommentaren? Werden sie von allen in der Redaktion gelesen? Und wenn ja, zu welchem Zweck werden sie gelesen? Findet eine Moderation der Kommentare statt? Und was halten Lokaljournalisten eigentlich generell von Facebook als Kommunikationskanal mit ihren Lesern? Diese Fragen thematisiert die Studie „Facebook – Problem oder Perspektive für den Lokaljournalismus“, die als Masterarbeit im Studiengang Kommunikationswissenschaft an der Westfälische Wilhelms-Universität Münster geschrieben wurde.
Der Start der Studie
Um zu untersuchen, wie genau sich Nutzerkommentare auf den Arbeitsalltag in Lokalredaktionen auswirken, wurde das Münsterland als Untersuchungsgebiet ausgewählt. Das ländlich geprägte Münsterland in Nordrhein-Westfalen besteht aus den Kreisen Borken, Warendorf, Coesfeld, Steinfurt und dem Stadtgebiet Münster. Im Münsterland arbeiten circa 280 Lokaljournalisten in 33 Redaktionen. Im Rahmen der Studie erhielten die Münsterländer Lokalredaktionen im Juli 2020 eine E-Mail mit dem Link zur Online-Befragung. 106 Personen haben den Online-Fragebogen aufgerufen und 89 haben dabei mehr als 60 Prozent der Fragen beantwortet.
Die Ergebnisse zeigen, dass es in den meisten Lokalredaktionen spezialisierte Redakteure und Redakteurinnen gibt, zu deren Aufgaben die Betreuung der Profile in den sozialen Medien gehört. Die Mehrheit dieser Redakteure verfolgt die Nutzerkommentare mehrmals am Tag. Aber auch viele der nicht spezialisierten Redakteure lesen die Kommentare mindestens einmal am Tag. Nur sechs Prozent der Teilnehmenden haben angegeben, sich nie mit Facebook-Kommentaren zu beschäftigen. Es ist also längst nicht mehr nur eine spezialisierte Minderheit, die sich in den Redaktionen mit den Aktivitäten auf dem Facebook-Profil der eigenen Redaktion auseinandersetzt. Auf die Frage, zu welchem Zweck die Kommentare eigentlich gelesen werden, gaben die Teilnehmenden vor allem an, die allgemeine Stimmung zu einem Thema ablesen zu wollen, nach neuen Themenideen zu suchen und die Resonanz auf die eigene Berichterstattung zu beobachten (vgl. Abb. 1).
Hinweisen wird nachgegangen
Die Arten der Kommentare unten den Postings von Lokalredaktionen sind vielfältig: Meinungen zu kontroversen Themen, Verlinkungen von Freunden, positives und negatives Feedback, welches nicht in allen Fällen konstruktiv ausfällt. Es kommt zudem auch vor, dass in den Kommentaren auf Fehler in der Berichterstattung einer Lokalredaktion hingewiesen wird. Die große Mehrheit der befragten Lokaljournalisten ist der Meinung, dass diesen Hinweisen auf jeden Fall nachgegangen werden müsse. Zudem glauben sie, dass häufige Fehlerhinweise in den Nutzerkommentaren ein negatives Bild auf ihre Redaktion werfen könnten.
In vielen Redaktionen überregionaler journalistischer Medien gibt es festgelegte Regeln für die Moderation des Nutzerdialoges auf Facebook. In den Lokalredaktionen im Münsterland hat sich diese systematische Koordination noch nicht etabliert. Nur 21 Prozent der Befragten gaben an, dass ihre Redaktion über explizite Nutzerdialogrichtlinien verfügt. Insgesamt zeigt sich, dass in den Lokalredaktionen sehr zurückhaltend auf die Facebook-Nutzerkommentare reagiert wird. 76 Prozent der Befragten haben angegeben, dass nur auf direkte Fragen an die Redaktion geantwortet wird, wohingegen die Möglichkeit der Moderation von Diskussionen nur sehr wenig praktiziert wird. Auch scheinen die Lokaljournalisten eher zurückhaltend mit der Möglichkeit umzugehen, Kommentare zu löschen oder „Trolle“ zu blockieren (vgl. Abb. 2).
Eine „lästige Pflicht“
Die Ergebnisse der Studie zeigen außerdem, dass die Lokaljournalisten die Arbeit mit Facebook und den dortigen Kommentaren als anstrengend empfinden und eher als „lästige Pflicht“ beschreiben würden. 50 Prozent der Befragten sind außerdem der Meinung, dass Facebook in den nächsten Jahren an Bedeutung verlieren wird. Allerdings erkennen Sie auch die positiven Aspekte, die ein Facebook-Profil und der dortige Nutzerdialog für eine Lokalredaktion mit sich bringen. Den größten Nutzen eines Facebook-Profils der Redaktion sehen die Lokaljournalisten im Wettbewerb mit anderen Zeitungen. Um im hart umkämpften Zeitungsmarkt zu bestehen, ist eine Präsenz in den sozialen Medien in der heutigen Zeit unerlässlich. Zudem sind 79 Prozent der Meinung, dass es gerade im Lokaljournalismus wichtig ist, als Redaktion ein Facebook-Profil zu besitzen. Die Leser haben ein großes Bedürfnis nach lokalen Themen und können sich diese Informationen schnell über Facebook besorgen. Außerdem glauben viele Befragte, dass ein Facebook-Profil und der dortige Nutzerdialog dazu beitragen können, die Leser-Blatt-Bindung zu stärken (vgl. Abb. 3).
Ein Fazit
Insgesamt zeigen die Ergebnisse der Studie, dass die Arbeit mit Facebook und den dortigen Kommentaren eine Rolle im Alltag der Münsterländer Journalisten spielt. Und auch wenn diese Arbeit teilweise als lästig oder unangenehm empfunden wird, sind sich die Befragten doch der Relevanz bewusst, die ein Dialog mit der Leserschaft für den Lokaljournalismus hat. Es kann sein, dass Facebook in den nächsten Jahren an Bedeutung verlieren wird, aber irgendeine Form von Nutzerkommentaren wird es immer geben, sei es in anderen sozialen Medien oder auf den eigenen Internetseiten der Redaktionen. Es ist die Aufgabe der Lokaljournalisten, das Potenzial dieser Kommentare für ihre eigene Arbeit zu nutzen.
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