„Mehr Ressourcen für mehr Qualität“
von drehscheibe-Redaktion
Führen eine bessere redaktionelle Ausstattung und mehr Ressourcen tatsächlich zu mehr Qualität im Journalismus? Das untersucht Klaus Arnold in dem Projekt „Was leistet Lokaljournalismus bei Print und Online?" Der Professor für Medien- und Kommunikationswissenschaft an der Universität Trier will außerdem herausfinden, wie gut Lokalzeitungen inzwischen im Bereich Online aufgestellt sind und was sich im lokalen Printjournalismus verbessert hat. Die drehscheibe sprach mit ihm über sein Forschungsvorhaben.
Herr Arnold, worum geht es in ihrer Studie?
Wir wollen der Frage nachgehen, was der Lokaljournalismus in Deutschland in seinen zwei wichtigsten Erscheinungsformen leistet – in Print und online. Wir schauen uns etwa 100 Zeitungen und Onlineauftritte genauer an und setzen die gewonnenen Daten in Beziehung zu einer Befragung von Redaktionsleitern. Uns interessiert unter anderem, ob Zeitungen mit mehr Ressourcen auch inhaltlich mehr leisten oder ob diese Leistung von der Redaktionsorganisation abhängig ist. Dabei wird es zunächst einmal darum gehen, ob die früher ermittelten Defizite noch vorhanden sind oder ob sich der Lokaljournalismus bei seiner Arbeit wesentlich verbessert hat. Die neue Konkurrenz aus dem Internet wird ebenfalls eine Rolle spielen. Diese Konkurrenz bezeichnet man im Englischen als „Hyperlocals“. Damit meint man lokaljournalistische Angebote, die lediglich im Internet publiziert werden.
Welche Defizite sind das, die in vergangenen Studien ermittelt wurden?
Insbesondere, dass Lokalzeitungen zu unkritisch berichten und mit lokalen Eliten und Funktionären verbandelt sind. Außerdem tun sich Lokalzeitungen gegenseitig nicht weh, und sie lassen die einfachen Bürger nicht oft genug zu Wort kommen. Es gab zu wenig nachweisliche Recherche, Reportagen und Interviews und zu viel Terminjournalismus. Zu diesen Defiziten gab es in der Vergangenheit systematische Inhaltsanalysen, die allerdings nie so umfangreich vorgingen, wie wir das jetzt vorhaben.
Auf welche Studien beziehen Sie sich da?
Mir ist bei der Beschäftigung mit diesem Thema schon früh aufgefallen, dass die Lokaljournalismusforschung in Deutschland in den 60er- und 70er-Jahren relativ intensiv betrieben wurde. In den 60er-Jahren gab es eine ganze Welle von Studien, was damals noch mit der Pressekonzentration zusammenhing. Sie untersuchten, ob eine Monopolzeitung weniger leistet als Zeitungen in Konkurrenzgebieten. Es ging also allgemein um die Defizite von Journalismus, zum Beispiel um schlechte oder wenig kritische Berichterstattung. Diese Studien brechen aber ab Mitte der 80er fast völlig ab. Mittlerweile ist die Presse angesichts diverser Krisen und Umbrüche im Medienbereich wieder verstärkt an Journalismusforschung interessiert.
Wie viele Personen sind an ihrem Projekt beteiligt und wie finanzieren Sie es?
Die Deutsche Fördergemeinschaft (DFG) unterstützt uns bei unserer Arbeit. Zunächst haben wir einen Doktoranden, der das Projekt zentral abwickelt und nebenher seine Dissertation zu dem entsprechenden Thema schreibt. Wir stellen zudem etwa 20 bis 30 studentische Hilfskräfte ein, die die Inhalte der Zeitungen und Onlineauftritte systematisch analysieren werden.
Wo in Deutschland werden Sie forschen?
Wir werden Zufallsstichproben ziehen, die wir nach der Auflagengröße der Zeitungen gewichten. Lokalteile mit einer höheren Auflage haben auch eine größere Chance, berücksichtigt zu werden. Aus Publikumssicht zeichnen wir also ein repräsentatives Bild der deutschen Lokalzeitungslandschaft. Wir untersuchen insgesamt 100 Ausgaben – die bisher größte Studie dieser Art in Deutschland.
Sie wollen in der Studie „Qualitätskriterien“ für den Lokaljournalismus entwickeln. Was sind das für Kriterien?
Ich habe in meine Buch „Qualitätsjournalismus. Die Zeitung und ihr Publikum“ schon verschiedene Kriterien für den journalistischen Bereich dargelegt. Zu diesen zählen klassische Punkte wie Vielfalt an Darstellungsformen und Themen, Aktualität, Glaubwürdigkeit, Recherche, Neutralität, Ausgewogenheit, Unterhaltsamkeit, Transparenz von Quellen usw. Im Rahmen der ersten Phase unseres Projektes werden wir uns noch überlegen, inwieweit wir diese Kriterien auf den lokalen Bereich anwenden und ob noch weitere Kriterien ergänzt werden müssen.
Sie haben dann eine Art Kriterienkatalog vor sich, den Sie an den Lokalzeitungen abarbeiten, und anschließend vergeben Sie entsprechend Punkte?
So in der Art. Wir ziehen eine Stichprobe von den 100 Zeitungen und sehen uns die Artikel innerhalb eines vorgegebenen Zeitfensters an. Daraufhin werten wir die Ausprägungen eines bestimmten Kriteriums, zum Beispiel „Thema“, innerhalb dieser Zeitung aus und weisen den Ergebnissen Zahlenwerte zu, die dann wiederum verrechnet werden. Mithilfe eines Indexes können wir die vielen Untersuchungsergebnisse schließlich zusammenfassen und in Beziehung zu unseren Befragungen der Redaktionsleiter setzen.
Gibt es vergleichbare Studien im Ausland?
In anderen Ländern, besonders in den USA und der Schweiz, gibt es jährlich Qualitätsberichte über den Lokaljournalismus. Mein Fernziel wäre, auch in Deutschland zu etwas Ähnlichem zu kommen. Unsere Studie könnte einen ersten Schritt in diese Richtung machen.
Gibt es mit Blick auf die Studien in den USA und der Schweiz erwartbare Ergebnisse?
Ich erwarte, dass der Lokaljournalismus in Deutschland kein so trübes Bild mehr macht, wie das noch bis in die 80ern der Fall war. Man wird sicher auch große Unterschiede zwischen Lokaljournalismus im städtischen und ländlichen Umfeld feststellen. Und ich vermute, dass die neue Konkurrenz aus dem Internet nicht schlecht abschneiden wird. Hierzu haben wir bereits Vorstudien gemacht.
Werden die Ergebnisse konkrete Schlussfolgerungen für Lokaljournalisten zulassen?
Unsere Ergebnisse werden Aussagen darüber zulassen, wo es im Lokaljournalismus Defizite gibt. Aber auch darüber, was schon besonders gut läuft. Doch gerade die problematischen Bereiche interessieren uns und dürften auch für Lokaljournalisten von Interesse sein. Außerdem hoffe ich, dass die Studie nachweisen kann, dass bessere redaktionelle Ausstattung und mehr Ressourcen für mehr Qualität im Journalismus sorgen können. Dass es also gute Ressourcen und gute Leute braucht, um guten Journalismus zu machen.
Interview: Timm Wille
Veröffentlicht am
Kommentare
Einen Kommentar schreiben