Intelligent zusammenarbeiten
von Christina Quast
KI oder AI – die Buchstaben bewirken eine Zeitenwende: Sie stehen für künstliche Intelligenz oder Artificial Intelligence. Vor etwa 20 Jahren war das Stoff für Hollywood – 2001 lief der oscarnominierte Film „A.I. – Künstliche Intelligenz“. Nun hat ChatGPT das Thema auf den (Bild-)Schirm gebracht: Der Chatbot ist quasi ein Synonym für KI – so wie Google für Suchmaschinen. Und man hat derzeit den Eindruck, dass kaum ein digitales Werkzeug ohne KI auskommt. Deshalb gibt es hier eine mit natürlicher Intelligenz geschriebene „Internetwerkstatt“ zur rasanten Entwicklung von künstlicher Intelligenz.
Neue Berufe und Mitarbeiter
Diese Entwicklung hat spätestens am 30. November 2022 begonnen – seitdem ist ChatGPT ansprechbar. Schon zwei Monate später – am 4. Februar 2023 – veröffentlichte Ippen Digital eine Stellenanzeige für den Posten als AI Prompt Redakteur für die Zentralredaktion. Ein klarer Hinweis, dass künstliche Intelligenz auch ein relevantes Thema in Redaktionen wird. Aber auch, dass dieser Trend rascher neue Berufsbilder schafft als ersetzt.
Als „Prompt“ bezeichnet man die – meist schriftlichen – Arbeitsaufträge an KI-Tools, um ein Ergebnis zu erzeugen, zum Beispiel Texte, Bilder, Audio und Video oder auch Code, um so in Redaktionen mitzuarbeiten. Besonders Lokalredaktionen könnten von künstlicher Intelligenz profitieren, indem sie KI gezielt dafür verwenden, Zeit zu sparen und Qualität zu verbessern. Denn wiederkehrende Aufgaben können von KI-Werkzeugen erledigt werden. Ein Paradebeispiel ist das Transkribieren von Mitschnitten wie Interviews, das mit künstlicher Intelligenz in wenigen Minuten erledigt ist. Auch kann ein entsprechend trainiertes KI-Tool die eintreffenden „Blaulicht“-Mitteilungen auswählen und zu Nachrichten verarbeiten oder verschiedene Überschriften und eine Struktur für Artikel vorschlagen.
Das macht Arbeitsschritte schneller und besser, ohne Journalisten in Redaktionen zu ersetzen. So gibt es mehr Kapazitäten für Dinge, die künstliche Intelligenz nicht beherrscht: Dazu gehört das Recherchieren – eine Kernaufgabe im Journalismus. Das bedeutet, dass Lokalredaktionen überlegen sollten, welche Aufgaben nun Journalisten oder KI-Tools besser bearbeiten können, um die Arbeit sinnvoll zwischen Mensch und Maschine zu verteilen.
Das „The Rock“-Radio ist ein nennenswertes Beispiel, wie KI die lokale Berichterstattung verändert: Auf Helgoland sendete es mehrere Jahre, bis sich keine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mehr fanden. Nun ist es als „KI-Radio aus der Nordsee“ wieder zu hören, weil es durch künstliche Intelligenz mit nur einer Person in der Redaktion auskommt. Die zugeschickten Informationen werden von trainierter KI sortiert und für Sendungen aufbereitet, die KI-generierte Stimmen moderieren.
Trainer für KI
Ein weiterer Vorteil ist, dass lokale Ereignisse und Nachrichten nicht direkt im Internet zu finden sind – sie werden hauptsächlich von Lokalredaktionen verbreitet. Diesen Vorsprung gilt es zu nutzen, denn KI-Werkzeuge wie ChatGPT benötigen massenweise Informationen, mit denen sie zunächst trainiert werden, um brauchbare Antworten zu generieren. So ist ChatGPT nur mit Wissen bis Mitte 2021 ausgestattet und kann spätere Ereignisse nicht berücksichtigen. Deshalb ist Aktualität (noch) keine Stärke von KI – aber von Lokalredaktionen. Möglicherweise ist es ein künftiges Geschäftsfeld für Lokalredaktionen, die Berichterstattung und Archive auch als Training für künstliche Intelligenz kostenpflichtig anzubieten.
Nicht zuletzt sind die Antworten von ChatGPT nicht immer unbedingt korrekt, sondern teilweise erfunden. Es werden Fakten und Quellen halluziniert – das hat mit der Funktionsweise von ChatGPT zu tun: Die Antworten ergeben sich anhand dessen, wie wahrscheinlich das nächste Wort im erkannten Zusammenhang ist. So wird der „Müllerhof“ in einer bestimmten Kleinstadt von ChatGPT als ehemalige Mühle, die nun ein Museum ist, beschrieben. Das ist die wahrscheinlichste Antwort, aber für diese Stadt vielleicht nicht richtig.
Neues Level bei Falschmeldungen
Hier zeigt sich die Kehrseite von KI: Mit KI-Tools lassen sich Falschmeldungen immer einfacher und in besserer Qualität generieren und sind deshalb für Redaktionen oder Konsumenten noch schwieriger zu entlarven. Das KI-generierte Bild vom Papst im Daunenmantel verbreitete sich im Internet, ohne ernsthafte Konsequenzen zu haben. Doch dann kursierte ein Bild, das eine Explosion nahe des Pentagons zeigen soll und angeblich von Bloomberg veröffentlicht wurde. Dieses KI-generierte Bild von einem gefälschten Twitter-Profil führte dazu, dass sich sogar die Börsenkurse verschlechterten.
Aussichten
Klar ist, dass künstliche Intelligenz nicht mehr weggehen wird, sondern immer besser wird – vermutlich begleitet von der Frage „Können Maschinen denken?“, die der Informatiker Alan Turing bereits im Jahr 1950 – kurz nach Erfindung des Computers – stellte. „Insgesamt ist es schwierig zu sagen, ob Maschinen denken können oder nicht. Es hängt von der Definition von Denken ab und davon, wie wir es messen können“, so eine Antwort von ChatGPT in der Suchmaschine Bing.
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Weitere Beiträge zum Thema KI im Lokaljournalismus finden Sie in den Ausgaben 05/2023 und 06/2023 der drehscheibe:
drehscheibe.org/ausgaben.html
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