Noch schlauer suchen
von Christina Quast
Schon mal einen Generative Pretrained Transformer ausprobiert? Bestimmt – denn das ist die ausgeschriebene Bedeutung von ChatGPT: ein digitales Werkzeug, das künstliche Intelligenz (KI) so bekannt und nutzbar gemacht hat. Schon wenige Tage nach der Veröffentlichung im November 2022 hatten eine Million Menschen ChatGPT getestet. Zum Vergleich: Das Netzwerk Instagram benötigte mehrere Monate für diese Zahl.
ChatGPT von OpenAI ist nur eine Anwendung für KI und quasi ein digitaler Gesprächspartner: Aus menschlichen Anfragen ergeben sich textbasierte Dialoge, die in Echtzeit frei formuliert werden und im Gegensatz zu üblichen Chatbots nicht auf vorformulierten Textstücken oder definierten Auswahloptionen beruhen. ChatGPT berücksichtigt auch Kontext und Inhalt eines Gesprächs, um den weiteren Verlauf anzupassen.
Die Anfragen an KI werden übrigens als „Prompt“ bezeichnet. Wenn sie präzise formuliert sind, zeigen sie beispielsweise den Papst im weißen Daunenmantel oder verfassen einen Nachruf auf Angela Merkel aus der Sicht eines Mitglieds der Partei Die Linke. Mit schriftlichen Prompts kann man bereits Texte, Bilder, Videos, Musik und Stimmen erstellen oder editieren.
All das wird die tägliche Arbeit in Redaktionen beeinflussen, angefangen bei der Online-Recherche: Suchmaschinen, die Links, aber kaum Antworten liefern, ergänzen nun gesprächige und kreative KI. Hier übertrifft eine bisher unbekannte Suchmaschine bereits jetzt Google und Bing.
Pionier der KI-Suche Mit dem Slogan „The AI Engine you control“ tritt You.com an, eine Suchmaschine, die seit 2021 online ist und am eifrigsten KI-Komponenten eingebunden hat: Alle Nutzer können Antworten, Bilder und Texte generieren, auch wenn man sich für einige Funktionen kostenlos registrieren muss. So finden sich zwischen den üblichen Sucharten wie Links, Fotos oder Karten auch YouChat, YouImagine und YouWrite für KI-generierte Ergebnisse.
YouChat – Antworten ohne Aktualität
Kurz nach dem Start von ChatGPT hat You.com im Dezember 2022 das Dialog-Prinzip für YouChat übernommen, um zusammenfassende Antworten statt Listen mit Links zu liefern. Durch die bewährte Suche nach Links sind die Antworten von YouChat mit Quellen versehen, sodass man die Ergebnisse inhaltlich prüfen kann. Hingegen wurde ChatGPT dafür kritisiert, keine Quellen zu liefern oder welche zu erfinden. Auch mit der deutschen Sprache kann YouChat einigermaßen gut umgehen, auch wenn es auf Englisch am besten funktioniert.
Noch kann YouChat keine aktuellen Informationen einbeziehen, denn das zugrunde liegende ChatGPT wurde nur mit Daten bis 2021 trainiert. So scheitert YouChat inhaltlich an „Wie spät ist es?“, gibt aber eine passende wie hilfreiche Antwort: „Es tut mir leid, als Sprachmodell kann ich keine aktuelle Uhrzeit anzeigen. Bitte schauen Sie auf Ihrem Computer, Smartphone oder Ihrer Uhr nach, um die aktuelle Uhrzeit zu erfahren.“ Hinsichtlich der Aktualität sind Redaktionen momentan noch im Vorteil gegenüber KI.
Die KI-generierten Antworten kann man per Klick kopieren oder beurteilen: Mit „Daumen runter“ meldet man, dass der Inhalt entweder nicht hilfreich, fehlerhaft oder schädlich und gefährlich ist. Bei „Daumen hoch“ umfasst die Auswahl neben fehlerfrei und zuverlässigen Quellen auch die Effekte wie Hilfe bei einer Aufgabe, gesparte Zeit oder unterhaltsames Erlebnis.
YouImagine – kein echter Papst
You.com kann nicht nur Texte generieren: YouImagine ist ein KI-basierter Bildgenerator, der aus eingegebenem Text ein entsprechendes Bild entwickelt. Dazu verwendet die Suchmaschine spezialisierte KI-Dienste: Aktuell kann man zwischen Stable Diffusion, Open Journey und Anime wählen – nicht vertreten ist Dall-E, das wie ChatGPT von OpenAI stammt.
Auch YouImagine kann deutschsprachige Prompts verarbeiten – so werden auch Eingaben wie „Trump und Papst schütteln die Hände“ oder „Helmut Schmidt in der Akropolis“ erfüllt. Allerdings nicht in überzeugender Qualität, sodass solche YouImagine-Bilder noch leicht als falsch erkannt werden können. Trotzdem wird deutlich, dass Redaktionen künftig auf KI-generierte Bilder und mögliche Desinformation achten müssen.
YouWrite – Texte mit Tonalität
Die älteste KI-Komponente von You.com ist schon seit März 2022 aktiv: YouWrite ist quasi ein digitaler Ghostwriter, den man mit einigen wenigen Eingaben instruiert, Texte zu schreiben. Erforderlich sind die Textart wie Überschrift, E-Mail, Social-Media-Beitrag oder Essay, der Tonfall von freundlich bis überzeugend und natürlich ein Thema, das man mit bis zu 1.000 Zeichen ausführen kann. Auch über das beabsichtigte Publikum kann man YouWrite informieren.
Obwohl die Eingabemaske auf Englisch ist, entstehen die Texte in kurzer Zeit auch auf Deutsch, die man in verschiedenen Versionen anfordern kann. Jedoch enden die Texte nach einer maximalen Wortzahl, denn YouWrite wird aktuell kostenpflichtig und ist ab vier Dollar im Monat nur in drei Ländern verfügbar.
Fazit
Klar ist, dass KI-Werkzeuge auch die Arbeit in Redaktionen beeinflussen werden – angefangen bei Suchmaschinen, die nun verschiedene KI-Komponenten einbinden: Am fortschrittlichsten ist derzeit You.com, das schon Antworten, Bilder und Texte künstlich generiert. Außerdem ist das Tool kostenfrei und kann mit Deutsch umgehen.
Der Text erschien zuerst in der drehscheibe-Ausgabe 5/2023
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