„Berlin auf 2,2 Kilometern"
von Sascha Lübbe
Matthias Bannert ist Journalistenschüler an der Axel-Springer-Akademie.
„Hyperlokal“ heißt ein Schlüsselwort der Journalisten-Ausbildung an der Axel-Springer-Akademie. Das Ausbildungsprojekt „Zoom Berlin“ rückt dabei eine einzelne Straße im Berliner Szenebezirk Kreuzberg in den Blickpunkt – die Oranienstraße. Auf www.zoom-berlin.com porträtieren die Volontäre das Leben der Anwohner in Texten, Videos und Audiomitschnitten. Wie das Projekt geplant und umgesetzt wurde, darüber sprach die drehscheibe mit Matthias Bannert, Journalistenschüler an der Axel-Springer-Akademie und einer von zwei CVDs von Zoom Berlin.
Herr Bannert, wer hatte die Idee, eine einzelne Straße in den Mittelpunkt des Projekts zu rücken?
An der Akademie macht jedes Journalistenschüler-Team nach sechs Monaten ein digitales Abschlussprojekt. Das Thema Hyperlokaljournalismus und die Eingrenzung auf die Oranienstraße wurden von der Akademie vorgegeben. Ebenso, dass es ein crossmediales Projekt sein sollte. Die genaue Ausgestaltung und Themenplanung haben wir, die Volontäre, übernommen und in mehreren Redaktionskonferenzen koordiniert.
Wie vielen Personen waren am Projekt beteiligt?
Jedes Team an der Akademie besteht aus rund 20 Journalistenschülern. Für das Projekt kamen noch ein Video-Coach, der Crossmedia-Leiter der Akademie und Experten für Programmierung und Design hinzu. Die Inhalte – also die Texte, Videos und Audiobeiträge – wurden ausschließlich von uns Volontären produziert und geschnitten und wurden am Ende nur noch eingefügt. Am Ende wurden es 30 Themenblöcke und über 50 Videos.
Zoom Berlin ist im Juli online gegangen. Wie viel Vorlaufzeit haben Sie benötigt?
Etwa zwei Monate. Im Mai haben wir das Thema bekommen. Allerdings hatten wir ja noch Unterricht an der Akademie und haben daher vieles nebenbei gemacht. Alle Beiträge entstanden exklusiv für das Projekt, es gab keine Zweitverwertungen. Am Ende wurden wir dann aber noch mal für zwei Wochen freigestellt, um alles fertig zu machen.
Warum entschied sich die Akademie ausgerechnet für die Oranienstraße?
Weil sie die wohl lebendigste Straße Berlins ist. Es gibt dort Einwandererfamilien, Ur-Berliner und Zugezogene. Die Oranienstraße ist praktisch Berlin auf 2, 2 Kilometern. Für ein Hyperlokalprojekt eignet sie sich besonders, weil sie genug Material für Geschichten bietet. Dennoch sollte die Oranienstraße nur ein Beispiel sein. Sie sollte zeigen, was im Hyperlokaljournalismus alles möglich ist. Das Prinzip ist aber auf andere Straßen übertragbar.
Auf der Webseite kommen die unterschiedlichsten Gesprächspartner zu Wort – vom Bezirksbürgermeister über den Hausbesetzer bis zur Modeschöpferin. Welche Idee steht dahinter?
Wir haben zunächst überlegt: Welche Personen machen die Oranienstraße aus? Wir wollten jemanden, der die politische Dimension verkörpert, wir wollten türkische Einwanderer, ältere Leute, aber auch junge Kreative. Ziel war es, das ganze Spektrum der Straße abzubilden.
Wie sind Sie auf die jeweiligen Personen gestoßen?
Das war unterschiedlich. Zum Thema Hausbesetzer hat der Kollege im Internet recherchiert und sich dann mit einem Blogger aus der Szene getroffen. Die Geschichte mit den schönsten Balkons hingegen entstand, weil die zwei Kollegen einfach von Tür zu Tür gegangen sind und dort geklingelt haben, wo sie eindrucksvolle Balkons gesehen haben.
Die Kombination von Axel Springer und dem Bezirk Kreuzberg mit seiner Hausbesetzer-Vergangenheit birgt durchaus Konfliktpotential. War das irgendwann ein Problem bei den Arbeiten?
Eigentlich nicht. Interessant war es in der Hausbesetzer-Szene. Allerdings wurden die Vorbehalte dort schnell abgebaut. Der erwähnte Blogger etwa meinte, er hätte früher gegen Bild und Springer gekämpft, uns aber finde er sympathisch. Inzwischen berichtet er stolz auf seinem Blog über uns.
Welche Rolle spielen die sozialen Netzwerke für das Projekt?
Wir haben eine Kommentarfunktion auf unserer Seite und verwenden facebook und twitter sehr intensiv. Daneben haben wir eine twitter-wall auf unsere Seite gestellt. Damit werden alle twitter-Einträge, die mit dem Hashtag #Oranienstraße versehen sind, auf unserer Seite angezeigt. So sehen alle was auf der Oranienstraße passiert – also auch Anwohner und Touristen. Zudem machen wir regelmäßig Umfragen. Wir haben ein Tool auf der Seite, bei dem jeder eintragen kann, was er sich für die Straße wünscht. Die Ergebnisse können dann auf der Seite diskutiert werden.
Gibt es weitere interaktive Elemente?
Ja. Wir benutzen zum Beispiel die Augmented Reality App junaio. Damit kann sich der Nutzer mit seinem Smart-Phone vor die Häuser stellen und sieht dann die Geschichten, die wir dazu produziert haben. Zudem haben wir eine „O-Tour“, eine Art Schnitzeljagd auf der Oranienstraße, konzipiert. Dazu haben wir an interessanten Punkten einen QR-Code angebracht, den man einscannen kann und dann Informationen über den Ort bekommt. So kann der User auf zehn verschiedenen Stationen die Oranienstraße entdecken.
Wie soll es mit Zoom Berlin weitergehen, wenn Sie und Ihre Kollegen das Volontariat beendet haben?
Zoom Berlin in seiner jetzigen Form ist ein Angebot. Ein Beispiel dafür, was technisch und inhaltlich im Hyperlokaljournalismus möglich ist. Der Inhalt der Seite ist zeitlos.
Interview: Sascha Lübbe
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