„Das Lokale ist ein Erfolgsfaktor von Radio Euskirchen“
von drehscheibe-Redaktion
Nicht nur Zeitungsmacher lesen regelmäßig die drehscheibe. Auch im Hörfunk ist das Magazin ein geschätzter Partner im Redaktionsalltag. Für die Umsetzung einer Idee aus dem drehscheibe-Redaktionskalender erhielt Radio Euskirchen von der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr den Hörfunkpreis. Dabei hat Chefredakteur Norbert Jeub anlässlich des Tages des Datenschutzes eine Mitarbeiterin des Vereins gegen sexuellen Missbrauch an Mädchen in Euskirchen besucht. Getarnt als Jugendliche, spielte sie in einem Chatroom den Lockvogel und wurde dort prompt von einem Pädophilen kontaktiert. (Link zu Audio-Files der Sendung unten) Ein Gespräch mit Jeub über die Bedeutung des Lokalen für den Hörfunk.
Ihr Beitrag über die Gefahr, der Jugendliche in Internet-Chaträumen ausgesetzt sein können, war sehr aufwendig. Gehören zeitintensive Recherchen zu Ihrem Redaktionsalltag?
Wir versuchen immer wieder, eigene Themen zu setzen und hinter die Kulissen zu blicken. Geschichten wie die über Chat-Räume sind Highlights für die Redaktion, leider nicht Alltag. Gerne würden wir so etwas häufiger machen, als kleine Lokalredaktion fehlen uns allerdings schlicht die Kapazitäten. Aber man kann viele Themen anders umsetzen, als es die Hörer von anderer Stelle gewöhnt sind.
Zum Beispiel?
Um etwa über den Nachwuchsmangel bei Kreisliga-Schiedsrichtern zu erzählen, wollten wir nicht einfach ein Interview oder ein Porträt bringen. Stattdessen haben wir einen Mitarbeiter dazu motiviert, selbst einen Schiedsrichter-Schein zu machen und von seinen Erfahrungen und demnächst von seinem ersten Spiel zu berichten. Die Idee entstand bei einer unserer Freitagskonferenzen, auf denen wir regelmäßig Geschichten für die kommenden Wochen und Monate entwickeln. Auch wir kommen natürlich nicht immer am Terminjournalismus vorbei, wir versuchen es zumindest immer wieder.
Hilft Ihnen die drehscheibe häufiger dabei? Immerhin ist es ein Magazin speziell für lokalen Printjournalismus.
Manches ist tatsächlich eher schwierig umzusetzen, wenn zum Beispiel die Vorlage auf einer besonderen Bildidee basiert. Aber im Schnitt schaffen wir es, jeden Monat zwei Ideen zu realisieren. Den Hinweis aus dem Redaktionskalender zu „125 Jahre Made in Germany“ kürzlich haben wir zum Anlass genommen, um Global Player aus der Region vorzustellen.
Wie viele andere regionale Sender in privater Hand ist Radio Euskirchen mit mehr als 50.000 Hörern täglich Marktführer in seinem Verbreitungsgebiet. Welche Rolle spielt das Lokale dabei?
Es ist das Blut, das durch unsere Adern fließt.
Und etwas weniger pathetisch?
Die Lokalredaktion in Euskirchen macht täglich fünf Stunden Programm, ganz eigenständig. Der Rest kommt ähnlich wie bei einer Tageszeitung als Mantel zentral von Radio NRW, wozu 46 regionale Stationen gehören. Der lokale Anteil ist zwar relativ klein, aber sicher ein Erfolgsfaktor von Radio Euskirchen.
Können Sie Synergien innerhalb des Hauses Dumont Schauberg und seinen vielfältigen Kanälen nutzen?
Manchmal ergeben sich schon mal auf freundschaftlicher Basis Kooperationen mit der lokalen Printredaktion der Verlagsgruppe. Aber eine systematische Zusammenarbeit findet nicht statt.
Was ist aus Ihrer Sicht der größte Unterschied zwischen Radio und Print bei der Themensetzung?
Wir haben beim Radio nicht so sehr eine Chronistenpflicht. Dafür müssen wir uns aber immer wieder gründlich überlegen, welche Themen wir machen und welche nicht. Wir können es uns nicht leisten, Beiträge mit Spezialinhalten für sieben oder acht Hörer zu senden. Schließlich können die Tausende, die das nicht interessiert, nicht umblättern, sie schalten einfach weg. Deswegen wollen wir mit jedem Thema so viele Hörer wie möglich erreichen. Eine Zeitung kann wahrscheinlich viel tiefer in ein Thema eindringen. Das Radio ist dafür ein sehr emotionales Medium. In diesem Punkt sind wir den Zeitungen voraus, denn wir können die Menschen hörbar machen.
Interview: Andreas Pankratz
Die Sendung:
Auf der Seite der Landesanstalt für Medien Nordrhein-Westfalen ist die Sendung in zwei Teilen verlinkt.
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