„Der Beruf des Journalisten hat an Attraktivität verloren“
von Stefan Wirner
Ein Beruf auf dem Prüfstand: Der Zeitungsforscher Horst Röper vom Formatt-Institut aus Dortmund meint, man solle davon Abstand nehmen, Journalist werden zu wollen. Bei einer Veranstaltung der Deutschen Journalisten-Union in Dortmund sagte er vorige Woche: „Journalismus ist nicht mehr erstrebenswert. Ich rate allen, tut euch diesen Beruf nicht an.“ Die drehscheibe sprach mit Röper über seinen pessimistischen Befund. Außerdem befragten wir Studierende der Kölner Journalistenschule nach ihrer Motivation und ihren Zielen.
Herr Röper, warum raten Sie davon ab, Journalist zu werden?
Weil der Beruf des Journalisten in den vergangenen Jahren deutlich an Attraktivität verloren hat. Das gilt zum einen in Bezug auf die Berufschancen, die Neueinsteiger tatsächlich in einem Berufsfeld haben, das immer kleiner geworden ist, etwa durch den Abbau von Redakteursstellen im Zeitungs- und Zeitschriftenbereich. Und zum anderen, weil sich die Arbeitsverhältnisse in den letzten 20 Jahren permanent geändert haben. Es gibt immer mehr Funktionskoppelungen und Arbeitszeitverdichtungen. Es geht mehr darum, die Blätter zu füllen, und immer weniger um die klassischen journalistischen Aufgaben, wie Recherche und das Verfassen von Texten. Hinzu kommen zunehmende Tarifflucht, Leiharbeit und ähnliches.
Sehen Sie einen Unterschied zwischen Lokaljournalisten und überregionalen Journalisten, was die Aussichten des Berufes anbelangt?
Nein, beide sind betroffen. Das hat man ja nun bei den Beispielen Frankfurter Rundschau und Financial Times Deutschland gesehen. Wir werden auch die Stilllegung lokaler Blätter erleben. Kleinere Redaktionen können das vielleicht personell auffangen, aber im Prinzip sind beide in gleichem Maße betroffen.
Wenn man mit Journalistik-Studenten spricht, spürt man aber immer noch ihre Leidenschaft und ihre Vorfreude auf den Beruf. Sind sie einfach schlecht über die Lage im Journalismus informiert?
Ich fürchte ja. In der Tat sehen wir erst jetzt die ersten Anzeichen dafür, dass das Interesse bei den jungen Leuten nachlässt. Inzwischen gibt es bei Stellenausschreibungen weniger Bewerber, Ähnliches zeichnet sich an Journalistenschulen und Hochschulen ab. Dennoch ist der Run auf diesen Beruf noch immer relativ stark. Das korrespondiert nicht mehr mit dem, was das Berufsfeld bieten kann.
Sie haben gesagt, die Arbeitslosenquote unter Journalisten sei höher, als gemeinhin angenommen wird. Haben Sie Hinweise auf das tatsächliche Ausmaß?
Nein, in Zahlen können wir das nicht fassen. Aber man kennt das ja von vielen Journalisten, dass sie unfreiwillig freie Journalisten sind. Sie befinden sich in einer Art Auffangbecken und hoffen, dass es irgendwann mal wieder eine Festanstellung für sie gibt.
Was bedeutet das für die Zukunft? Auch die neuen Medien werden ja in irgendeiner Form Journalisten brauchen.
Nur weil ich davon abrate, heißt das ja nicht, dass nun keiner mehr Journalist werden will. Ich warne nur vor den hohen Erwartungen, die viele noch immer an diesen Beruf haben, und vor dem Glauben, man könne sich da in hohem Maße selbst verwirklichen. Das war vielleicht früher so, wenngleich es auch damals schon unverhältnismäßige Erwartungen von Berufsanfängern gab. Der Fernsehkorrespondent in Washington war schon immer eine Leitfigur – aber nicht jeder wurde das. Heute ist klar, dass wir als Journalist immer weniger in den Sparten arbeiten können, die gemeinhin die Faszination ausmachen: die Recherche und das Schreiben. Schauen Sie sich den Rundfunk oder die öffentlich-rechtlichen Sender an: Die Redakteure arbeiten meist im Innendienst, die Reportagen draußen schreiben Freie. Manche nennen sich selbst ja schon „Konferenzredakteure“. Sie eilen von einer Konferenz zur nächsten und kommen selbst kaum noch dazu, Beiträge zu verfassen.
Also ist der Prototyp des zukünftigen Journalisten eher der Content Manager?
Ja, denn es bildet sich ja schon seit geraumer Zeit eine Spezialisierung heraus zwischen denen, die planen und das Blatt oder die Sendung gestalten, und denen, die draußen sind und die alten Funktionen des Reporters erfüllen. Diese Entwicklung ist mehr oder weniger bereits vollzogen. Wenn Sie sich die Rundfunkanstalten anschauen, dann sehen Sie da heute schon diese Zweiteilung: einerseits Reporter – wenige in Festanstellung, überwiegend Freie – und andererseits die Macher am Schreibtisch, am Content Desk – zuständig für den Output in unterschiedlichen Medien wie Print, Internet, Apps. Das ist die Richtung, in die es geht.
Besuch bei der Kölner Journalistenschule
Wie immer Mitte Januar war die drehscheibe auch dieses Jahr wieder zu Gast bei der Kölner Journalistenschule. Wir nutzten die Gelegenheit, um im Anschluss an das Seminar zum Thema Lokaljournalismus ein paar der Journalistik-Studenten nach ihrer Motivation und ihren Zielen zu befragen.
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