Leseranwalt

Unglückliche Bildauswahl

von

Aus drehscheibe 12/2022

Bei den Schwimm-Europameisterschaften in Rom haben die deutschen Wasserspringerinnen Tina Punzel und Lena Hentschel im Synchron-Wettbewerb vom Drei-Meter-Brett Gold geholt. Mit dem am 19. August dazu veröffentlichten Bild in unserem Sportteil hat die Redaktion bei zwei Leserinnen keine Sympathien gewonnen.

„Das sexistische Bild“, so schreibt beispielsweise eine Leserin, „widert mich wirklich an.“ Weiter heißt es in der Mail an die Geschäftsführende Verlegerin Viola Vogelsang-Reichl: „Bei dem Foto wird der Fokus bewusst auf den Po der Sportlerinnen gelenkt und nicht auf ihre herausragende sportliche Leistung. Bei Siegerinnen geht es auch um die Wiedererkennbarkeit – da möchte ich ihre Gesichter sehen, nicht ihren Po und nicht ihre Beine.“

Auch eine ­andere Leserin wandte sich an Oberpfalz-Medien: „Nach der ganzen Welle von MeToo, Diskriminierung und Gleichberechtigung trauen Sie sich, so ein Foto abzudrucken?“ Klar, es handele sich um Leistungssportlerinnen, fährt sie fort, „aber es gibt sicherlich weniger freizügiges Bildmaterial, das Ihnen und der Redaktion zur Verfügung steht. Wenn ich mich in die Situation der jungen Frauen versetze, möchte ich wohl kaum ein solches Bild von mir irgendwo abgedruckt sehen“.

Man nehme die Kritik sehr ernst und werde das Thema auch noch mit den Kollegen der Sportredaktion besprechen, antwortete Chefredakteur Kai Gohlke den beiden Leserinnen. Weiter schrieb er ihnen: „Rein fotografisch und journalistisch betrachtet finde ich persönlich das verwendete Foto ein starkes Bild. Es zeigt sehr gut, worauf es in diesem Sport ankommt und was die Spitzenleistung der Europameisterinnen ausmacht: Körperspannung, Athletik, Exaktheit, Synchronität in der Bewegung.“ Er könne aber verstehen, betonte Gohlke, „dass man das Bild ganz anders sehen kann und dass viele Betrachter sich erst einmal auf die fast nackten Pos der Sportlerinnen fokussieren. Deshalb bin ich über die Auswahl des Bildes nicht glücklich. Umso bedauerlicher ist es, dass uns an diesem Tag kein anderes Aktionsbild vom Sieg der beiden deutschen Athletinnen zur Verfügung stand. Wir werden das bei der Bildredaktion der Nachrichtenagentur dpa noch kritisch anmerken.“

Trotzdem hätte es natürlich die Möglichkeit gegeben, die Nachrichten von der Goldmedaille der Wasserspringerinnen an anderer Stelle ohne Bild beziehungsweise mit einem Motiv von der Siegerehrung zu vermelden, räumte der Chefredakteur ein. „Im Nachhinein betrachtet wäre das die bessere Wahl gewesen“, lautete Gohlkes Erkenntnis.

Wie versprochen nahm Gohlke Kontakt mit der Deutschen Presse-Agentur (dpa) auf und wies sie darauf hin, dass es am 18. August, dem Tag vor der Veröffentlichung von Foto und Artikel im Sportteil, „bedauerlicherweise nur ein einziges Aktionsbild“ von den Wasserspringerinnen gegeben habe. Er hätte sich als Chefredakteur „gewünscht, dass unserem Layouter zumindest alternatives, weniger verfängliches (Aktions-)Bildmaterial zur Verfügung gestanden hätte“. Gohlke bat die dpa, ihre Bildredaktion „künftig in dieser Hinsicht zu sensibilisieren“.

Dieser Text wurde gekürzt und redaktionell bearbeitet. Der vollständige Beitrag erschien in der Zeitung Der neue Tag.

Thomas Hauser

Autor

Jürgen Kandziora ist Leseranwalt des Neuen Tags aus Weiden in der Oberpfalz.

Mail: juergen.kandziora@oberpfalzmedien.de
Telefon: 0961 – 854 44

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