Presserat

Herkunft in der Überschrift

von

aus drehscheibe 14/2021

Der Fall:

Unter der Überschrift „Betrunkener Syrer demoliert Polizisten-Auto“ informiert eine Regionalzeitung über eine Anzeige wegen Sachbeschädigung gegen einen 25-jährigen Syrer. Diesem wird vorgeworfen, auf einem öffentlich zugänglichen Parkplatz für Angestellte und Beamte der Landespolizei randaliert und dabei zwei Autos beschädigt zu haben. Ein Leser der Zeitung kritisiert die Angabe der Nationalität des Verdächtigen, die Zeitung bediene damit das Stereotyp des kriminellen Ausländers.

Die Redaktion:

Der Chefredakteur schreibt in seiner Stellungnahme an den Presserat, der Vorfall habe im Verbreitungsgebiet der Zeitung für großes Aufsehen gesorgt und sei Thema in den sozialen Netzwerken gewesen. Eine korrekte und konkrete Unterrichtung der Bevölkerung sei geboten gewesen, um keinen Raum für Spekulationen und Gerüchte zu lassen. Es habe keinen Anlass gegeben, die ohnehin schon öffentlich zugängliche Angabe der Nationalität zu unterdrücken. Anders als vom Beschwerdeführer kritisiert, würden hier keine Stereotype reproduziert, sondern ein konkreter Einzelfall geschildert.

Das Ergebnis:

Der Beschwerdeausschuss erkennt eine Verletzung des in Ziffer 12 vom Pressekodex festgehaltenen Schutzes vor Diskriminierung. Er spricht eine Missbilligung aus. Der Hinweis, dass es sich bei dem Randalierer um einen Syrer handelt, ist nicht durch ein begründetes  öffentliches Interesse nach Richtlinie 12.1 des Pressekodex gedeckt. Auch ohne die Erwähnung der Herkunft hätte die Leserschaft in vollem Umfang über den Vorfall informiert werden können. Die Nennung der Nationalität – hier vor allem in der Überschrift – kann vielmehr zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führen.

Der Kodex:

Ziffer 12 – Diskriminierungen

Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.

Richtlinie 12.1 – Berichterstattung über Straftaten

In der Berichterstattung über Straftaten ist darauf zu achten, dass die Erwähnung der Zugehörigkeit der Verdächtigen oder Täter zu ethnischen, religiösen oder anderen Minderheiten nicht zu einer diskriminierenden Verallgemeinerung individuellen Fehlverhaltens führt. Die Zugehörigkeit soll in der Regel nicht erwähnt werden, es sei denn, es besteht ein begründetes öffentliches Interesse. Besonders ist zu beachten, dass die Erwähnung Vorurteile gegenüber Minderheiten schüren könnte.

Autorin

Sonja Volkmann-Schluck ist Journalistin und Referentin für Öffentlichkeitsarbeit.



E-Mail: volkmann-schluck@presserat.de

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