Meinung oder Diskriminierung?
von Edda Eick
Der Fall:
In einer Tageszeitung, die in deutscher und dänischer Sprache erscheint, wird ein Leserbrief veröffentlicht, der auf Dänisch verfasst ist. Die Überschrift lautet übersetzt: „Der Islam und die Vaterlandsverräter von (…)“. Der Autor befasst sich kritisch mit dem Vorhaben einer Bischöfin, die Errichtung einer Moschee in einem kleinen Ort zu fördern. Im Leserbrief heißt es unter anderem: „Die Muslime wollen die Demokratie benutzen, um sie abzuschaffen, und weil ihr Koran und ihre Hadithe gegen das dänische Grundgesetz verstoßen, muss der Islam in Dänemark verboten werden, bevor es hier genauso schiefläuft wie in Schweden. Man sollte keine Religion haben dürfen, die es erlaubt, Christen und Juden zu töten.“ Ein Leser der Zeitung kritisiert die Äußerungen des Leserbriefschreibers. Mit diesen Generalisierungen und Anschuldigungen verstoße der Autor gegen presseethische Grundsätze. Dass die Zeitung den Brief veröffentlicht habe, befördere potenziell die Verbreitung eines Hassklimas, das sich nicht nur gegen die muslimische Minderheit richte, sondern auch gegen jene, die ihr aufgeschlossen begegnen.
Die Redaktion:
Die Zeitung weist die Vorwürfe zurück. Ob die generalisierende Kritik in einem Leserbrief richtig oder falsch sei, könne nicht Gegenstand eines Beschwerdeverfahrens beim Presserat sein. Der Leserbrief gebe die persönliche Bewertung des Autors wieder, die durch die Meinungsfreiheit gedeckt sei. Auch spiele die derzeit geführte öffentliche Diskussion über den Islam eine Rolle. Es gebe Gruppen von Islamisten, deren Treiben nicht nur nach westlicher Vorstellung scharf zu verurteilen sei. Dass gemäßigte Islamisten dagegen eingeschritten seien, sei nicht bekannt. Dem Leserbriefschreiber könne daher nicht vorgeworfen werden, er lasse bei seinen Ausführungen jeglichen Sachbezug vermissen.
Das Ergebnis:
Die Beschwerde ist begründet. Der Presserat spricht einen Hinweis aus. Nach der Behauptung im Leserbrief wollen Muslime die Demokratie benutzen, um sie abzuschaffen. Mit dieser Äußerung wird das Verhalten einzelner Gruppierungen oder Personen auf alle Moslems übertragen. Sie werden pauschal zu Demokratiefeinden erklärt. Dadurch werden sie im Sinne der Ziffer 12 des Pressekodex diskriminiert. Es ist gleichgültig, ob die Äußerungen in einem redaktionellen Beitrag oder in einem Leserbrief enthalten sind. Die Redaktion hat alle Inhalte daraufhin zu prüfen, ob sie gegen presseethische Grundsätze verstoßen. Sie hat dann die Möglichkeit, den Autor auf diesen Umstand hinzuweisen, den Beitrag in Absprache mit ihm zu kürzen oder aber ganz auf die Veröffentlichung zu verzichten.
Der Kodex:
Ziffer 12 – Diskriminierungen
Niemand darf wegen seines Geschlechts, einer Behinderung oder seiner Zugehörigkeit zu einer ethnischen, religiösen, sozialen oder nationalen Gruppe diskriminiert werden.
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