Ortsschilder fürs Netz
von Christina Quast
Egal, wo auf der Welt etwas passiert: Es kursieren umgehend zahlreiche Fotos oder Videos im Internet, die echt oder gefälscht sein können. Bevor Bildmaterial des Ereignisses verwendet wird, gilt es herauszufinden, ob es tatsächlich mit dem abgebildeten Ort zusammenhängt. Oder ob zum Beispiel Bilder von Truppenübungen aus Rumänien als Kriegsgeschehen in Israel ausgegeben werden.
Beim Lokalisieren helfen vor allem die Kartendienste von Suchmaschinen mit Straßenansichten und Luftaufnahmen. Aber wo kann mit der Suche begonnen werden, wenn die Fotos und Videos aus aller Welt sein können? Ein gutes Hilfsmittel sind Werkzeuge wie GeoHints und Geolocation Estimation, sie können dazu dienen, die Suche anhand von aufgenommenen Details auf bestimmte Länder oder Regionen einzuschränken.
Länder an Kleinigkeiten erkennen
Auf den ersten Klick ist die GeoHints-Website kein Schmuckstück, aber für das Überprüfen von Orten ist sie eine kleine Schatztruhe. Das Tool hat Details gesammelt, die auf Fotos oder in Videos aus bestimmten Ländern zu sehen sein könnten, und zeigt für viele Länder mindestens ein Beispiel – etwa, wie Schilder mit Straßennamen oder Poller an Straßen aussehen. Sind solche Einzelheiten zu erkennen, kann man sie mit den Beispielen bei GeoHints vergleichen und bestimmten Länder zuordnen oder sie davon ausschließen. So ergeben sich Hinweise, ob Bildmaterial vom genannten Ort sein kann oder aus einem anderen Kontext stammt.
Bei GeoHints gibt es schon über 25 Kategorien für länderspezifische Details. Für das Lokalisieren von Fotos oder Videos sind folgende Kleinigkeiten aus dem öffentlichen Raum besonders hilfreich:
- In dicht besiedelten Gebieten: Schilder mit Straßennamen oder Hausnummern und die Kanten von Gehsteigen
- Im Straßenverkehr: Auto-Kennzeichen, Verkehrsschilder sowie deren Rückseite und Säulen, Ampelanlagen, Poller am Straßenrand und die Farben von Linien auf der Fahrbahn
- Die öffentliche Infrastruktur: Briefkästen sowie Logos der Post und Strommasten
Diese Einzelheiten lassen auf bestimmte Länder schließen, in denen bei Bedarf nach dem genauen Standort gesucht werden kann. Übrigens zeigt die Kategorie „Google Vehicles“, mit welchen Fortbewegungsmitteln das Unternehmen unterwegs ist, um die Street-View-Ansichten (siehe Internetwerkstatt 12/2023) auf der ganzen Welt aufzunehmen. Anhand von Perspektive und Schatten sind Schiffe, Züge, Lifte und auch Tiere zu erkennen. Wer Bildmaterial bei GeoHints vergleicht, findet auf der Website auch Listen mit den Flaggen, Währungen, Vorwahlen oder Domain-Endungen der Länder.
Geschätzte Orte
Wo ein Foto aufgenommen sein könnte, versucht Geolocation Estimation zu bestimmen. Um bei diesem Projekt der Technischen Informationsbibliothek (TIB) selbst Bildmaterial zu analysieren, benötigt man einen persönliche Zugang. Dafür muss man den Projektleiter von einer Firmen- oder Hochschul-Mailadresse aus kontaktieren und über die beabsichtigte Nutzung informieren. Die Anfrage für diesen Artikel wurde direkt am nächsten Tag bestätigt.
Nach dem Einloggen lässt sich der „Upload“-Tab verwenden, indem man zunächst die Nutzungsbedingungen bestätigt und ein Foto auswählt. Die hochgeladene Datei wird analysiert, wenn man auf „Guess Location“ über der Weltkarte klickt. Dort werden dann Regionen rot markiert, in denen das Foto aufgenommen sein könnte. Für die journalistische Arbeit ist wichtig zu wissen, dass Geolocation Estimation nur Hinweise gibt, woher Fotos möglicherweise stammen. Es kann den Prozess des Faktencheckens nicht ersetzen, sondern höchstens verkürzen, weil es auf passende Regionen verweist.
Zusätzlich kann Geolocation Estimation auch die sogenannten EXIF-Daten auslesen, die digitalen Fotos angehängt sind und teilweise auch die Geodaten enthalten. Allerdings werden solche EXIF-Daten beim Veröffentlichen in sozialen Netzwerken meistens entfernt, sie können mit einfachen Tools gelöscht oder gefälscht werden.
Hilfsmittel beim Faktencheck
Bildmaterial verrät oft mehr, als man denkt, weil Kleinigkeiten auf Länder oder Regionen hinweisen. GeoHints und Geolocation Estimation sind deshalb Werkzeuge, die beim Lokalisieren von Fotos und Videos helfen. In Redaktionen unterstützen sie Journalistinnen und Journalisten beim Faktenchecken und der Suche nach relevanten Hinweisen, die den tatsächlichen Ort belegen können – oder nicht.
Link
GeoHints: geohints.com
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