Recherche in der Vergangenheit
von Christina Quast
aus drehscheibe 09/2021
Das Internet vergisst nicht – so heißt es. Also stellt sich für Journalistinnen und Journalisten die Frage, wie man Informationen im Internet findet, die geändert oder gelöscht wurden. Für so eine Online-Recherche gilt die Wayback Machine als das beste digitale Werkzeug, denn es ist quasi ein Archiv für ältere Versionen von Websites. So können sich Redaktionen in die Vergangenheit des Internets klicken und Websites über Jahre zurückverfolgen oder nicht mehr erreichbare Websites sichtbar machen.
Was möglich ist
Zum Beispiel zeigt die Wayback Machine, was bei Facebook.com oder Twitter.com vertreten war, ehe die bekannten Netzwerke gegründet wurden. Auch Logos, Designs und Nachrichten von Websites lassen sich vergleichen und zu Bildergalerien zusammenstellen – etwa zum Starttag von Google oder Spiegel Online. Mit der Wayback Machine können Redaktionen vor allem recherchieren, welche Informationen früher auf einer Website verfügbar waren und eventuell gelöscht oder geändert wurden – auch Websites, die offline sind, lassen sich anzeigen und so noch Kontaktdaten oder Verantwortliche ausfindig machen.
Viele Momentaufnahmen
Und so geht’s: Die Web-Adresse in den Suchschlitz neben dem Logo der Wayback Machine eingeben, dann markiert das Tool die archivierten Versionen in einer Kalenderansicht und nennt, seit wann und wie oft die gesuchte Website gespeichert wurde – etwa www.drehscheibe.org über 300-mal seit 1999. Die sogenannten Snapshots, also Momentaufnahmen, die in der Kalenderansicht eingetragen sind, werden unregelmäßig und unterschiedlich häufig – teilweise mehrmals am Tag – gespeichert, sodass von Spiegel.de 90.000 Versionen verfügbar sind. Tatsächlich reicht das Archiv der Wayback Machine bis 1996 zurück und beinhaltet inzwischen mehr als 590 Milliarden Websites.
Alt und verlinkt
Um einen Snapshot auszuwählen, klickt man einen markierten Tag im Kalender an und wählt eine Uhrzeit aus, um die gespeicherte Version zu öffnen. So wurde man 1999 bei www.drehscheibe.org, „dem Pressedienst für Lokalredakteure!“, begrüßt. Man kann die komplette Startseite besichtigen und darin recherchieren. Denn meist funktionieren auch die Links der Momentaufnahmen. So weist ein Klick auf „Impressum“ Thomas Gierse und Alois Köster als damalige Redakteure aus. Um deutlich zu machen, dass man sich nicht auf der aktuellen Website befindet, wird oben immer die kompakte Kalenderansicht der Wayback Machine eingeblendet, auch um zu weiteren Snapshots zu navigieren.
Rückwirkend kann nicht beeinflusst werden, zu welchem Zeitpunkt eine Website archiviert wird – außer die aktuelle Version in der Wayback Machine soll gespeichert werden. Dafür gibt es auf der Startseite die Funktion „Save Page Now“: Trägt man eine Web-Adresse ein, egal ob schon oder noch nicht im Archiv vorhanden, wird der aktuelle Stand in der Wayback Machine archiviert.
Versionen vergleichen
Zusätzlich zu den Snapshots bietet die komplett kostenlose „Wayback Machine“ weitere Funktionen: Besonders interessant für Journalisten dürfte der Menüpunkt „Changes“ sein. Hier kann man zwei selbst gewählte Versionen aus dem Archiv nebeneinanderstellen und miteinander vergleichen. Informationen, die gelöscht wurden, sind gelb markiert, und Informationen, die ergänzt wurden, sind blau markiert, sodass man Veränderungen leicht findet. Und im Drop-down-Menü kann man auch schnell andere Momentaufnahmen zum Vergleich auswählen.
Die Wayback Machine ist ein Teil des Internet Archive, einer amerikanischen Non-Profit-Organisation, die sich durch Spenden finanziert und den Status einer Bibliothek hat, sodass es sich um eine zuverlässige und vertrauenswürdige Recherche-Quelle handelt. Ziel des Internet Archive ist es, digitale Daten über lange Zeit zu archivieren und frei zugänglich zu machen. Und um das digitale Werkzeug noch einfacher nutzen zu können, gibt es Erweiterungen für die Browser Chrome, Firefox und Safari sowie eine App und iOS und Android. Somit dürfte die Wayback Machine bei der Online-Recherche für Redaktionen ein unverzichtbares Tool sein.
Link
Hier geht es zur Internet-Bibliothek Wayback Machine: www.web.archive.org
Christina Quast
berichtet als freie Journalistin über digitale Tools und Themen und ist seit Mitte 2018 für den Blog „Journalisten Tools“ verantwortlich. Für Journalisten gibt sie auch Seminare und organisiert Barcamps.
Mail: quast@journalisten-tools.de
Internet: www.journalisten-tools.de
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