Zwitschern im blauen Himmel
von Christina Quast
Seit bei Twitter – das mittlerweile X heißt – der blaue Vogel verschwunden ist, sind viele Nutzer im „blauen Himmel“. Gemeint ist, dass sie zu Bluesky gewechselt sind – einer der vielen Alternativen. Bemerkenswert: Bluesky wurde seit 2019 bei Twitter entwickelt und ist inzwischen eigenständig – mit Twitter-Gründer Jack Dorsey im Board of Directors.
Klon mit begrenztem Zutritt
Kürzlich ist im Firmen-Blog der Beitrag „Bluesky for Journalists“ erschienen, um diese Berufsgruppe anzulocken. Ist das Netzwerk also eine passende Alternative zu X? Eine Pro-&-Kontra-Liste:
Pro
Bluesky ist eine gute Kopie von Twitter, sodass sich wechselwillige Nutzerinnen und Nutzer schnell und einfach zurechtfinden. Auch bietet es eine altbewährte Timeline: Die Beiträge – einen speziellen Begriff wie Tweets gibt es nicht – werden in chronologischer Reihenfolge gezeigt. Zusätzlich kann man Antworten, geteilte oder zitierte Posts auch ausschalten. Nur im Detail gibt es Unterschiede, etwa dass man 300 statt 280 Zeichen wie bei Twitter schreiben kann, Hashtags noch nicht klickbar sind und es keine Direktnachrichten gibt. Derzeit ist Bluesky in der Beta-Version online, sodass die genannten und weitere Funktionen vermutlich bald ergänzt werden.
Kontra
Bisher hat das Netzwerk kein großes Publikum, es verkündete im Oktober 2023, rund 1,5 Millionen Nutzer zu haben. Das dürfte am limitierten Zugang liegen, denn Bluesky ist nur per Warteliste oder mit einem „invite code“ von anderen Nutzern zugänglich. Das ist eine gängige Methode, um einerseits Aufmerksamkeit für ein Netzwerk zu erzeugen und andererseits die technischen Kapazitäten zu schonen. Übrigens hat Bluesky inzwischen eine gesonderte Warteliste für Journalistinnen und Journalisten veröffentlicht – vielleicht, um diese Berufsgruppe bevorzugt einzuladen. Und erfahrungsgemäß wird der begrenzte Zugang nach einiger Zeit entfallen.
Ohne Werbung und mit Verifizierung
Neutral
Das Netzwerk ist kostenlos und werbefrei, was erfreulich ist, aber auch bedeutet, dass Bluesky noch kein Geschäftsmodell hat. Jedoch haben fast alle Social-Media-Dienste so begonnen und anschließend Anzeigen als Einnahmequelle etabliert.
Kontra
Bluesky-Beiträge kann man anders als bei Twitter bzw. X nicht extern – also ohne ein Konto – lesen. Jedoch hat das Netzwerk bereits angekündigt, schon bald alle Posts öffentlich zugänglich zu machen.
Pro
Zwar fehlt der berühmte blaue Haken, trotzdem macht es Bluesky schon möglich, sich zu verifizieren. Der Konto-Name, der standardmäßig auf .bsky.social endet, kann mit einer eigenen Webadresse verknüpft und ersetzt werden, sodass der Konto-Name beispielsweise @washingtonpost.com, oder @drehscheibe.org lauten könnte. Etwas undurchdacht ist, dass der Standardname mit .bsky.social dann wieder frei ist und von anderen verwendet werden kann.
Tweetdeck für Bluesky
Neutral
Eine Besonderheit sind die Feeds, die beschrieben werden als maßgeschneiderte Algorithmen, die Nutzerinnen und Nutzer erstellen können: zum Beispiel eine Sammlung von Auslandskorrespondenten oder zum Klimajournalismus.
Diese Feeds kann man für das eigene Konto speichern. Um Feeds zu erschaffen, sind entweder Programmierkenntnisse oder der „third party service“ Bluesky Feeds nötig, der zugleich eine Feed-Sammlung ist.
Pro
Wie einst Twitter erlaubt Bluesky, dass Drittanbieter eigene Apps und Tools für das Netzwerk entwickeln, sogenannte „third-party projects“. Für Journalisten ist deck.blue zu empfehlen: Es handelt sich um eine gut funktionierende Kopie des beliebten Tweetdeck (Internetwerkstatt 13/2021) für Bluesky. Das Original ist ein Recherche-Werkzeug in Redaktionen gewesen, bis es für X kostenpflichtig wurde.
Mit deck.blue kann man Bluesky noch bequemer verwenden und durchsuchen, weil sich mehrere Spalten – etwa für Timeline, Benachrichtigungen oder Likes – nebeneinander anordnen lassen und eigene Suchen ergänzt werden können. Alle Spalten werden in Echtzeit aktualisiert, um weder etwas zu verpassen noch den Überblick zu verlieren.
Fazit
Bluesky ist in vielen Punkten nahezu ein Twitter-Klon und deshalb vielleicht die aussichtsreichste Alternative zu X, die sich auch schon um Journalistinnen und Journalisten bemüht. Denn Mastodon, das schon seit 2016 als dezentrales Netzwerk existiert, ist noch nicht der Durchbruch gelungen, während Meta erst im Juli 2023 mit Threads als Twitter-Kopie gestartet ist, das aber aus Datenschutzgründen derzeit nicht in Europa zugänglich ist.
Links
- Zu Bluesky: blueskyweb.org
- Bluesky für Journalisten: blueskyweb.org/blog/press-faq
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