„Auf die positiven Beispiele konzentrieren“
von Max Wiegand
Der geplante Verkauf der Regionalzeitungen von Dumont war ein Schock für die Branche. Wir sprachen mit Prof. Dr. Wiebke Möhring vom Institut für Journalistik der TU Dortmund darüber, welche Bedeutung der Fall für den Lokaljournalismus hat.
Frau Möhring, kürzlich wurde bekannt, dass Dumont seine Regionalzeitungen loswerden will. Wie haben Sie die Meldung aufgenommen?
Ich war überrascht und auch etwas erschrocken. Normalerweise wird so etwas ja erst publik, wenn es konkrete Verkaufsgespräche gibt. Dass es bekannt wurde, hat Dumont wohl so auch nicht geplant, es war vielmehr den Recherchen vom Horizont zu verdanken. Angesichts des vergangenen Jahres, das mit der Debatte um Fake News begann und mit dem Fall Relotius endete, der „Lügenpresse“-Vorwürfe, die uns schon länger begleiten und den seit Jahren sinkenden Auflagen der Tageszeitungen, dachte ich: „Auch das noch!“ Ganz nachvollziehen lässt sich der Schritt aus meiner Sicht nicht. Es wirkt so, als ob Dumont ein Gesamtpaket zum Verkauf anbietet, bei dem jedem klar ist, dass es sich nicht als solches veräußern lässt. Gerade bei den Boulevardtiteln stellt sich für mich die Frage, wer wirklich an einer Übernahme Interesse haben könnte. Bei den Regionalzeitungen dürften es hingegen die üblichen Verdächtigen sein, was wiederum die Zeitungskonzentration erneut verstärken wird.
Auf vielen Treffen der Zeitungsbranche hieß es zuletzt: Dem Lokalen gehört die Zukunft. Der Lokaljournalismus wurde fast schon zum Retter der Branche erklärt. Da ist die Dumont-Meldung natürlich ein schwerer Schlag. Müssen wir unsere Hoffnungen begraben?
Nein, so würde ich das nicht sehen. Die Entscheidung, sich von einer Lokalzeitung bzw. in diesem Fall von einer kompletten Geschäftssparte zu trennen, kann aus verschiedenen Gründen motiviert sein. Ich kann es nur von außen bewerten, aber es gab auch Managemententscheidungen, die dem Konzern insgesamt nicht gut getan haben. Der Verkauf kann also völlig unabhängig von einer Bewertung des Lokalen erfolgt sein, zu einer Zeitung gehört ja ohnehin viel mehr als nur der Lokalteil.
Wie sollte die Branche darauf reagieren?
Man sollte darüber nachdenken, wie wichtig das Lokale innerhalb eines Verlagshauses ist und ob es nicht noch viel stärker im Vordergrund stehen sollte. Darüber reden wir seit 20 Jahren und es gibt immer wieder Verlage, die mit einer stärkeren Fokussierung auf lokale Themen gute Erfahrungen machen. Das würde jedoch eine radikale Veränderung der Zeitungsstruktur erfordern. Bis heute ist es beispielsweise nicht möglich, nur den Lokalteil einer Zeitung zu abonnieren. Es wäre daher wichtig für die Verlage, herauszufinden, welcher Zeitungsteil die anderen Zeitungsteile in welchem Maße mitfinanziert. Die Bedeutung des Lokalen wird tatsächlich von allen hervorgehoben, doch das Geld fließt zumeist in die anderen Ressorts. Von einer Stärkung des Lokaljournalismus kann also zumeist keine Rede sein. Grundsätzlich ist der Fall Dumont natürlich ein Schock für die Branche. Aber ich hoffe sehr, dass wir uns – wie zuletzt etwa bei den Veranstaltungen der bpb – weiter auf die vielen positiven Beispiele aus dem Lokalen fokussieren und weniger klagen.
Ist mit weiteren Zeitungsverkäufen von anderen Häusern zu rechnen?
Bislang habe ich nichts Konkretes gehört. Der Trend, dass Lokalteile zusammengelegt werden, wird aber eher anhalten. Ich befürchte, dass durch solche sogenannten Bereinigungen in Verbreitungsgebieten der publizistische Wettbewerb auf der lokalen Ebene weiter zurück gehen wird.
Welche Folgen das haben könnte, fand ja die Uni Zürich kürzlich in einer Studie heraus: Offenbar leidet die Wahlbeteiligung und damit auch die Demokratie darunter, wenn weniger lokal berichtet wird. Sollte der Staat eingreifen und Lokalzeitungen zukünftig finanziell unterstützen?
Es ist ein Lösungsweg, über den man zumindest nachdenken sollte. Das wird schon länger diskutiert, in Schweden gibt es ja beispielsweise eine stärkere direkte Subvention von Zeitungen. Aber in der Debatte spielt die Besonderheit der deutschen Geschichte eine große Rolle. Wir machen uns schließlich mit großem demokratischen Einsatz dafür stark, dass die hiesige Presse eben keine Staatspresse ist. Die Medien sollen einen gewissen Abstand zum Staat wahren. Solche Subventionen würden also unser Grundverständnis völlig verändern. Indirekt gibt es zwar bereits ein Subventionssystem, etwa durch halbierte Mehrwertsteuersätze. Diese Regelungen kommen aber aus den genannten Gründen bewusst nicht nur der Tagespresse, sondern auch anderen journalistischen Bereichen zu gute. Auch bei gemeinnützigen Stiftungen, die den Journalismus fördern sollen, wie etwa aktuell „NRW vor Ort“, geht es ja schnell um die Unabhängigkeitsfrage. Trotzdem müssen wir diese Debatte führen, möglicherweise aber auch mit dem Fazit, dass Subventionen keine gute Lösung sind.
Nochmal zurück zu den betroffenen Dumont-Blättern: Was wird jetzt aus Kölner Stadt-Anzeiger, Berliner Zeitung und Co.?
Zunächst einmal hoffe ich, dass die Redaktionen es trotz dieser Schocknachricht schaffen, ihre Arbeit gut zu machen. Ich weiß nicht, inwiefern die Mitarbeiter dort im Vorfeld schon davon wussten, aber ich hoffe, dass sie sich trotz allem weiter ihren journalistische Idealen verpflichtet fühlen. Was konkret die Zukunft der Blätter betrifft: Es gibt ja nicht wirklich viele Player, die für einen Kauf in Frage kommen. Das werden die großen Verlagshäuser unter sich ausmachen. Inwiefern einem Kauf dann Umstrukturierungen und Einsparungen folgen, hängt natürlich davon ab, wer kauft. Wer es letztendlich wird, darüber lässt sich nur spekulieren.
Interview: Max Wiegand
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