„Da kann man auch im Lokalen hingucken“
von Lea van der Pütten
Frau Stahl, Herr Eckert, Sie haben einen Artikel veröffentlicht über Pan Jian-Wei, einen chinesischen Professor, der an der Universität Heidelberg Quantenforschung betreibt und Verbindungen zur chinesischen Rüstungsindustrie haben soll. Wie sind Sie auf diesen Fall aufmerksam geworden?
Sophia Stahl: Wir hatten vor einem Jahr eine große China-Science-Investigation veröffentlicht, wo es auch um Verbindungen zwischen deutschen Universitäten und Militäruniversitäten in China ging. Und der Fall des Professors war ein praktisches Beispiel dafür, wie Forschung zur Quantenphysik abfließen kann über den Wissensaustausch. Im Zuge dieser ersten Recherche haben wir ein paar Tipps bekommen. Und so sind wir dann auf die Universität Heidelberg gestoßen.
Till Eckert: Über das Thema ist auch 2019 schon berichtet worden, von der Washington Post und auch dem Massachusetts Institute of Technology (MIT). Uns hat stark verwundert, dass das in Deutschland nicht mehr Aufmerksamkeit erregt hat. Wir haben dann entschieden, dass wir uns das im Detail anschauen wollen.
Wie lief die Recherche konkret ab?
Eckert: Den Hinweis hatten wir im Sommer 2022 vorliegen, wir haben aber nicht sofort losgelegt. So richtig angefangen haben wir im November. Da haben wir uns mit den Kolleginnen und Kollegen von Deutsche Welle zusammengetan. Wir mussten beispielsweise eine Landes-IFG-Anfrage (Anm.d.Red: eine Anfrage im Sinne des Informationsfreiheitsgesetzes) an die Universität stellen, um an die Dokumente zu kommen. Eine ähnliche Anfrage ging auch an die Europäische Kommission. So etwas dauert immer eine Weile. Nebenher haben wir den Menschen, die in dieser Kooperation zwischen der Universität und Pan Jian-Wei trainiert wurden, hinterher recherchiert. Mit einer Kollegin, die Mandarin kann, haben wir im chinesischen Netz sehr viel gesucht, wir mussten Dossiers erstellen zu dem, was eben bekannt ist über Pan Jian-Wei, aber auch über den deutschen Forscher Matthias Weidemüller.
Stahl: Und wir haben uns eben auch in Quantenphysik eingelesen. Warum ist es überhaupt wichtig? Was machen die?
Worauf kommt es bei so einer gemeinsamen Recherche an?
Eckert: Auf Vertrauen und Kommunikation.
Stahl: Ehrlich sein, auch was Kapazitäten angeht.
Eckert: Und auch ehrlich darüber sein, wenn mal was nicht so effektiv läuft. Man muss sich eine gemeinsame Struktur überlegen, zum Beispiel eine vernünftige Drive-Struktur, wo man die Dokumente ablegt, wo alle Zugriff haben drauf.
Stahl: Eine Kooperation funktioniert am besten, wenn sich beide Seiten der Kooperation vollends verschreiben und verpflichten. Das war bei uns so. Es sollte nicht so sein, dass jeder noch etwas nebenher macht, womit man raussticht, sondern dass die Kooperation und die gemeinsame Recherche das ist, worauf man hinarbeitet.
Sie sind auch auf die Rhein-Neckar-Zeitung zugegangen. Warum war es so wichtig, dass Ihre Recherche in der Lokalzeitung präsent ist?
Eckert: Für uns war es recht eindeutig, dass man da auch im Lokalen hingucken kann. Die Kolleginnen und Kollegen aus dem Lokalen haben nochmal ganz andere Kontakte und sind anders verankert in der Region.
Stahl: Zum Beispiel hatten die Kolleginnen und Kollegen noch ein internes Papier der Universität vorliegen zu deren China-Strategie.
Wie haben Sie drauf geachtet, dass Sie die journalistischen Standards einhalten?
Stahl: Wir machen ja einen Faktencheck hier, bei dem alles nochmal überprüft wird, was man schreibt.
Eckert: Wir konnten auch viele Dokumente einsehen und so eine recht breite Indizienbasis schaffen, also auch von Leuten, die Pan Jian-Wei nach Heidelberg geholt und dort trainiert haben, die jetzt aber wieder zurück sind in China und dort an ziemlich wichtigen Stellen sitzen, zum Beispiel in der kommunistischen Partei oder in Rüstungs-Start-Ups. So ergab sich für uns am Ende aus dem zusammengetragenem Material, das man Open-Source-mäßig finden konnte, dieses Bild.
Stahl: Wir waren auch einen Tag an der Universität und haben mit allen Akteurinnen und Akteuren gesprochen. Was auch geholfen hat, ausgewogen zu sein, deren Perspektive mit einzubringen.
Welche Herausforderungen gab es während der Recherche?
Eckert: Die Universität hat uns glücklicherweise sehr viel zur Verfügung gestellt. Das muss man der Uni wirklich zugutehalten, die haben wirklich versucht, transparent zu sein. Schwierig wird es immer dann, wenn es aus Deutschland und aus der EU raus geht. Wir haben zum Beispiel keine Antwort von der USTC (University of Science and Technology of China) bekommen oder von den Leuten von der Firma QuantenCTek. Pan Jian-Wei hat uns geantwortet, hat uns einen langen Brief geschickt, in dem er seine Position dargelegt hat. Aber institutionell hatten wir in China kein Glück, und das zieht sich leider durch bei den meisten Recherchen die wir dazu machen.
Was genau ist denn das Problematische an dieser Forschungskooperation?
Stahl: Die Universität sagt, was sie macht sei Grundlagenforschung. Was Pan Jian-Wei in China damit macht, sei nicht mehr Sache der Universität.
Eckert: Das ist im Grunde genommen auch die Argumentationslinie, die wir im letzten Jahr bei der ersten großen Recherche schon vermehrt gehört haben. Da zeigt sich, dass dieses Bewusstsein entweder nicht da ist oder es aktiv ausgeblendet wird, dass in China ganz andere Regeln gelten als bei uns. Wir haben hier Forschungsfreiheit: Forschung wird geteilt und ist dann allen zuträglich. Das ist in China eine ganz andere Geschichte, dort wird ganz gezielt versucht, militärisch-zivil zu fusionieren. Das ist offizielle Regierungsrichtlinie, dass jede Technologie, jede Forschung, militärisch nutzbar sein soll.
Stahl: Gleichzeitig war der Universität die Verbindung von Pan Jian-Wei und der Rüstungsindustrie seit dem Artikel der Washington Post bekannt, das war auch Matthias Weidemüller bekannt. Beim Interview musste er sich selbst eingestehen, dass die Position von Pan Jian-Wei nicht eindeutig war.
Eckert: Es ist im Grunde genommen schon erschreckend. Pan Jian-Wei ist immer noch Honorarprofessor in Heidelberg, die Universität hält daran fest. Für uns hat sich daraus leider dann doch das Bild ergeben: Die Universität war kooperativ und wollte uns in der Sache zunächst mal zuarbeiten. Aber in der Argumentation sind wir dann da doch recht weit auseinander.
Stahl: Wir haben das auch schon bei der ersten Recherche thematisiert: Die eine Ebene sind wissenschaftliche Ergebnisse, die andere Ebene sind aber auch persönliche Beziehungen. Zu sehen, wie man eine Person legitimiert, die solche Verbindungen hat und die diesen Austausch am Leben erhält, zeigt ja auch, dass es der Universität als Teil der Demokratie oder als wissenschaftliche Institutionen nicht so wichtig scheint.
Eckert: Das ist ein sehr wichtiger Punkt, weil wir die ganze Zeit natürlich nur über die Forschungskooperationen sprechen. Aber was Sophia gerade angesprochen hat, ist richtig: Da hängt ein ganzer Rattenschwanz dran. Das sind persönliche Verbindungen, die da entstehen. Beziehungen, die sich teilweise über Jahre aufbauen. Vertrauen, Freundschaftsbeziehungen. Wir wissen, dass das auch von chinesischer Seite eine Vorgabe des Ministeriums für Staatssicherheit ist, sich Freunde zu machen. Freunde sind aus chinesischer Sicht aber immer Leute, die dir nützen. Von chinesischer Seite geht dieses Spiel auf.
Was für Reaktionen haben Sie von Ihrer Leserschaft bekommen?
Stahl: Viele waren verwundert, erschrocken. Gleichzeitig entstand diese Diskussion: Soll man jetzt gar nicht mehr kooperieren?
Eckert: Und man hörte auch Whataboutism, nach dem Motto: Und was ist jetzt mit den USA?
Bleiben Sie weiter am Thema dran?
Stahl: Wissenschaft und China generell, ja. Wir haben jetzt zum Beispiel auch die Recherche über die Stipendien, China-Scholarship-Council, gemacht, wo die erste Universität tatsächlich mal etwas ändert und nicht mehr mit diesem Stipendium zusammenarbeitet. Ich glaube, da ist noch ganz viel zu machen, aber die Mühlen mahlen etwas langsamer. Bis sich was verändert, muss man immer einige Zeit warten.
Wir haben mit Denis Schnur von der Rhein-Neckar-Zeitung über seine ergänzende Recherche zum Beitrag von Correctiv gesprochen. Zum Interview
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