„Das Verbindende in einer Region herausstellen“
von Max Wiegand
Von Kürzungen in Lokalredaktionen sind derzeit viele Journalisten betroffen. Was tun, wenn der Job verlorengeht? Einige ehemalige Redakteure der Frankfurter Rundschau – aus der Lokalredaktion Wetteraukreis – hatten eine Idee. Sie gründeten kurzerhand eine regionale Internetzeitung. Unter ihnen Klaus Nissen, ehemals Büroleiter in Bad Homburg. Mit ihm sprach die drehscheibe darüber, welche Intentionen mit dem Blog verbunden sind und wie er sich finanziert.
Herr Nissen, auf Ihrer Website schreiben Sie, dass Sie mit dem Wetterauer Landboten eine Lücke in der regionalen Medienlandschaft schließen wollen. Wie ist das gemeint?
Die meisten Zeitungen sind auf das Lokale fokussiert und versuchen, eine Art Grundversorgung zu bieten. Die Lücke besteht darin, dass eine wirklich regionale Berichterstattung schon immer gefehlt hat. Eine ganze Region wird meist nur vereinzelt abgebildet, beispielsweise wenn über den Zusammenschluss von Landkreisen diskutiert wird. Eine kontinuierliche regionale Berichterstattung gibt es so nicht. Wir wollen das Verbindende in einer Region herausstellen. Das öffentliche Leben funktioniert schließlich nicht nur in lokalen, sondern auch in regionalen Zusammenhängen. Deshalb weiten wir den Wetterauer Landboten zurzeit auch aufs ganze Rhein-Main-Gebiet aus.
Haben Sie ein Beispiel für diese regionale Herangehensweise?
Nehmen wir das Thema Windkraft. Darüber wird nur auf lokaler Ebene diskutiert. Wo eine Anlage geplant ist, entsteht fast immer eine Bürgerinitiative, die dagegen ist. Darüber wird ziemlich ausführlich berichtet, und das ist auch gut so. Eine Debatte über das dahinterstehende regionale Konzept zum Bau der Anlagen wird nur in der Planungsversammlung geführt, öffentlich findet sie nicht statt. Die Versammlungen werden auch von Journalisten nicht besucht, weil das recht dröge Veranstaltungen sind. Es besteht aber trotzdem eine Notwendigkeit darüber zu berichten. In unserem Online-Landboten bauen wir sehr systematisch und gründlich an einem Dossier, das die Pläne veranschaulicht. Solche Arbeiten können Tageszeitungen nicht leisten, weil die Zeit nicht vorhanden ist und es ihnen mehr um Tagesaktualität geht.
Apropos Tagesaktualität: Im Gegensatz zu den andere Nachrichtenportalen wollen Sie den Landboten nicht ständig aktualisieren.Wie wirkt sich das auf die Besucherzahlen aus?
Es wäre ja schön, wenn wir stündliche Aktualisierungen hinbekämen und Klick-Millionäre würden, aber das ist einfach unrealistisch. Wir wollen auch keinen Roboter-Journalismus machen, der auf Klicks abzielt. Wir müssen vielmehr damit leben, dass wir überschaubare Klickzahlen haben. Unser Angebot wird trotzdem stärker angenommen, als wir erwartet haben, es gab viele positive Reaktionen. Das tröstet auch darüber hinweg, dass wir eben kein Massenmedium sind.
Können Sie Zahlen nennen?
Durchschnittlich handelt es sich um dreistellige Klickzahlen. Bei manchen Themen, wie zum Beispiel den Windkraftanlagen, geht es auch mal in den vierstelligen Bereich. Damit liegen wir aber in etwa auf dem Level der normalen Lokalzeitungen.
Zur Finanzierung des Projekts wollten Sie ursprünglich einen Förderverein gründen. Warum hat das nicht funktioniert?
Nun, es gab etliche Leute, die zu der Versammlung erschienen und die Idee gut fanden. Doch leider fand sich niemand, der in den Vorstand wollte. Wir wollten die Leitung nicht selbst übernehmen, da wir ja als Dienstleister agieren. Es hätte von unserer Seite aus also einen Interessenkonflikt gegeben. Es ist ja ein allgemeines Problem, auch bei gemeinnützigen Vereinen, dass sich für die Vorstandsarbeit selten Freiwillige finden lassen.
Seit kurzem nutzen Sie für einige Artikel Laterpay, ein Online-Bezahlsystem, um Geld einzunehmen. Wie genau funktioniert das Modell?
Laterpay ist ein leicht zu bedienendes, kostengünstiges Bezahlsystem für Internet-Inhalte. Bruno Rieb, unser Gründungsvater, hat es für uns entdeckt. Es funktioniert wie eine normale Bezahlschranke. Man liest den Teaser und wählt dann einen variablen Centbetrag aus, um weiterzulesen. Wir wollen es aber nicht für unser gesamtes Angebot übernehmen, der Großteil der Inhalte bleibt frei zugänglich. Es ist eine Möglichkeit für unsere Leser, uns finanziell zu unterstützen. Gleichzeitig wollen wir auch Abonnements einrichten, die ohne große Registrierung möglich sind. Vielleicht setzt sich dieses Prinzip dann durch. Wir sind in jedem Fall zuversichtlich, dass damit in absehbarer Zeit zumindest geringe Umsätze zu erwirtschaften sind.
Momentan können Sie mit dem Blog noch kein Geld verdienen. Wie lange können Sie ihn auch ohne Bezahlung betreiben?
Es muss im Laufe des kommenden Jahres erkennbar sein, dass damit Geld zu erwirtschaften ist. Wir wollen damit nicht reich werden, und vielleicht werden wir uns davon auch nicht vollständig ernähren können, aber es müsste schon spürbar Geld hereinkommen. Sonst können wir es nur nebenbei machen. Es hätte auch dann noch seinen Sinn, aber wir könnten den Landboten natürlich nicht ganztägig mit großer Energie betreiben.
Glauben Sie, dass der Landbote als Vorbild für andere Journalisten dienen kann, die ihre Arbeitsplätze bei herkömmlichen Zeitungen verlieren?
Wir denken, dass dieses Projekt einen Versuch wert ist. Es gibt ja viele ältere Journalisten, die lange recht gut verdient haben und nun arbeitslos sind. Sie würden ihr Wissen und ihre Energie nun gerne in neue journalistische Projekte investieren. Ihnen kann man so etwas schon empfehlen, da das finanzielle Risiko gering ist. Das funktioniert ja alles ohne große Kredite und mit einer normalen Büroausstattung. Es gibt bereits einige hyperlokale Projekte, die teilweise Einzelinitiativen sind, manchmal auch Ableger von Medienunternehmen. Wir finden aber eben diesen regionalen Aspekt spannend und sind durch die bisherigen Rückmeldungen darin bestärkt worden, diesen Ansatz weiterzuverfolgen.
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