Interview

„Der Newsdesk ist die geeignete Werkbank"

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Mit einer neuen Nachrichtenzentrale in die neue Zeit – das hat man sich beim Kölner Stadt-Anzeiger gedacht und die Redaktionsstruktur umgebaut. Am 15. April wurde in Anwesenheit zahlreicher Gäste, darunter auch die nordrhein-westfälische Ministerpräsidentin Hannelore Kraft, im Neven DuMont Haus in Köln der neue Newsdesk der Zeitung vorgestellt. Chefredakteur Peter Pauls sprach bei der Präsentation von einer „Revolution“, die sich ereignet habe. Die drehscheibe fragte nach, wie das genau gemeint war.

Herr Pauls, was hat Ihren Verlag bewogen, einen neuen Newsroom einzurichten?

Die Entscheidung ist Folge unserer konsequenten Umsetzung einer integrierten Print-Online-Strategie. Seit 2001 bietet der Kölner Stadt-Anzeiger ein ernsthaftes Netzangebot an, seit 2006 machen wir Internetfernsehen, seit 2011 haben wir eine echte, preisgekrönte App für Tablet-PC. All dies hat es notwendig gemacht, die Arbeitsstrukturen zu überdenken und den neuen Gegebenheiten anzupassen. Der Newsdesk ist die geeignete Werkbank, um alle Vertriebskanäle systematisch und optimal mit Inhalten zu versorgen: In den beiden neuen Räumen werden alle journalistischen Produkte erstellt, die der Kölner Stadt-Anzeiger anbietet.

Sie haben von einer „Revolution“ gesprochen. Was ist das Revolutionäre daran?

Die Revolution besteht darin, dass wir mit Arbeitsweisen brechen, die wir zuvor jahrzehntelang eingeübt haben. Tatsächlich haben wir lange unsere Onlineangebote immer mitbedient, aber nie zum gleichberechtigen Bestandteil unserer täglichen redaktionellen Entscheidungen gemacht. Dass wir damit bundesweit nicht allein standen, belegt eine Untersuchung des Projektteams Lokaljournalisten, an der sich fast alle deutschen regionalen Tageszeitungen beteiligt hatten: Das absolute Gros der Entscheidungen in den Redaktionen bezog sich auf die Zeitung. Damit wir aber systematisch im Netz weiter wachsen, benötigen wir einen Paradigmenwechsel. Heute ist es so, dass nicht nur unser Online-Chef die Reichweite zu verantworten hat, sondern alle Ressorts. Wenn unser Sportangebot im Netz keinen User interessiert, muss sich der Ressortleiter Sport überlegen, wie er das ändert.

Welche Rolle spielen dabei die neuen Regio-Desks?

Einerseits erlauben sie uns, den Produktionsprozess – der Zeitung wie der regionalen Webseiten – sehr viel effizienter zu organisieren und dadurch am Ende eine Qualitätssteigerung zu ermöglichen. Wir befinden uns nach meiner Auffassung nicht mehr in der Zeit, in der jeder alles machen soll oder muss. Gleichzeitig waren die Lokalredaktionen in der Zentralredaktion noch nie so präsent wie heute – es ist schon jetzt deutlich zu spüren, dass ihre Bedürfnisse und Anregungen viel stärker in die täglichen Entscheidungen einfließen als früher.

Wie ist der Newsroom besetzt? Wer arbeitet dort?

Die jeweiligen Deskverantwortlichen der Zeitungsressorts, für das Webangebot und den Tablet-PC sowie die Redakteure und Mitarbeiter, die die Zeitung, ksta.de und die iPad-App produzieren. An der Schaltzentrale, am Newsdesk, wird entschieden. Da wir inklusive der Art Direction alle Produktionsverantwortlichen in einem Raum haben, können wir wirklich von kurzen Wegen sprechen und Themen reibungslos und schnell für alle Kanäle planen. Und eine optimale Planung ist Voraussetzung dafür, qualitativ hochwertige, opulente Angebote machen zu können. Wir sind praktisch wie die Leute, die früher in einem großen Dorf um den Topf herum saßen, und jeder löffelt das heraus, was er gerne haben möchte oder gerade braucht.

Wie schwierig war die Umstellung der redaktionellen Organisationsstruktur? Wie viel Vorlauf benötigt so etwas?

Von dem Moment an, da wir es beschlossen haben, ging es relativ schnell. Das sind die Vorzüge eines Familienunternehmens. Insgesamt benötigten wir etwa neun Monate. Aber das Umziehen von Schreibtischen geht in der Regel schnell, die Veränderung in den Köpfen braucht ein bisschen mehr Zeit.

Wie haben Sie diese Veränderung in den Köpfen bewirkt?

Ich glaube, selten ist ein solcher Prozess in unserem Haus so transparent abgelaufen wie diese Umstrukturierung. Wir haben regelmäßig Informationsnachmittage abgehalten, wir haben die Pläne vorgestellt, zwei Mitglieder der Chefredaktion – mein Stellvertreter Lutz Feierabend und der Chef vom Dienst Tobias Kaufmann – waren jederzeit ansprechbar und haben den Prozess organisiert und vorangetrieben. Wir standen auch permanent im Dialog mit dem Betriebsrat. Außerdem haben wir in den letzten Wochen vor der Umstellung mehrere Seminare durchgeführt, die moderiert wurden von Joachim Beck von Getoq-Consulting, der mit solchen Umstrukturierungen in anderen Häusern viel Erfahrungen gesammelt hat. Wir haben uns wirklich systematisch auf den Tag X vorbereitet.

Hat dieses Vorgehen auch bewirkt, dass die Mitarbeiter gut mitgezogen haben?

Irgendjemand grummelt immer. Mir wäre es zum Teil auch lieber, alles wäre noch so wie vor 15 Jahren. Damals war ja vieles einfacher. So ist es aber nicht mehr. Also müssen wir sehen, wie wir uns verändern. Und das absolute Gros der Mitarbeiter zieht mit. Ich spüre bei vielen eine richtig gute, anhaltende Aufbruchsstimmung. Ich muss meinen Redakteuren und Mitarbeitern ein großes Kompliment machen.

Sind mit der Veränderung mittelfristig auch Kosteneinsparungen verbunden?

Ich wüsste nicht, wie die aussehen sollen. Natürlich muss auch unser Haus sparen. Aber wir können nicht durch Sparen im Netz auf Augenhöhe mit den Ansprüchen der User bleiben. Ich habe meinen Herausgebern und den Geschäftsführern gesagt, dass wir diese Struktur schaffen wollen, weil sie ohne Alternative ist. Unsere Aufgabe ist es, den Nachrichtenstrom für viele Abnehmer zu öffnen. Um im Bild zu bleiben: Bisher hatten wir in der Wand eine Steckdose – an der hing die Zeitung – und ein angeschlossenes Verlängerungskabel für den ganzen Rest. Jetzt haben wir eine Mehrfachsteckdose, an der mehrere Verbraucher gleichberechtigt andocken. Hier können wir auch weitere Verbraucher einstecken – denn wenn sich ein Bereich weiter entwickeln und neue Antworten verlangen wird, dann die digitalen Medien. Deswegen hat der Vorstand unseres Verlagshauses auch vor mehreren Jahren eine „digitale Offensive“ beschlossen, die wir konsequent umsetzen.

Was bedeutet dies für die Lokalredaktionen?

Die neue Struktur gibt uns die Möglichkeit, unsere lokale Arbeit vor Ort komplett zu überdenken. Wir müssen keine große Lokalredaktion am Ort A mehr haben. Vielleicht ziehen wir etwas Dezentrales vor. Warum nicht drei kleine Einheiten? Oder wir lösen uns völlig von der herkömmlichen Struktur und stellen auf Redakteur im Home Office um – den Laptop-Reporter, der zwei, drei Tage in seiner Kommune, in seinem Verbreitungsgebiet bleibt, der seine Texte und Fotos in die Zentrale nach Köln schickt und nicht zwangsläufig noch eine Lokalredaktion aufsuchen muss, um dort an einem Konferenzritual teilzunehmen. Wir sind so strukturell deutlich näher am Leser dran und können viel flexibler auf die Anforderungen des Marktes reagieren. Ich bin fest davon überzeugt, dass die neuen Newsrooms und die dadurch entstehenden neuen Arbeitsstrukturen die Qualität des Kölner Stadt-Anzeiger auf allen Ebenen verbessern werden – ob überregional oder lokal, ob als Zeitung oder als digitales journalistisches Produkt.

Peter Pauls

...ist Chefredakteur des Kölner Stadt-Anzeigers.
Tel.: 0221 – 224 24 07
Mail: peter.pauls@mds.de

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