Umgang mit Pegida

„Die Probleme wurden ausgeblendet“

von

Ralf Freitag ist Geschäftsführer Medien/Kommunikation der Lippischen Landes-Zeitung.

Ralf Freitag

Ralf Freitag von der Lippischen Landes-Zeitung erklärt, wie Pegida erstarken konnte und was Lokalzeitungen in Zukunft ändern müssen.

Herr Freitag, Sie bezeichnen die Pegida-Bewegung unter anderem als Resultat des „kollektiven Wegguckens“, auch seitens der Lokalzeitungen. Was wurde in den letzten Jahren versäumt?

Wir haben die Themen, die Pegida aufgreift, oft nicht zur Kenntnis genommen. Etwa die Ängste von Eltern, die ihre Kinder in Schulklassen schicken, in denen ein hoher Migrantenanteil herrscht. Gleiches gilt für die Frage, ob Gewalt von Migranten ausgeht. Wir geraten da zu leicht in das Fahrwasser, dass wir sagen: „Wir benennen die Probleme nicht, weil das einen ausländerfeindlichen Touch bekommt.“ Ich bin fest davon überzeugt, dass die Menschen spüren, dass es Probleme gibt, die bewusst ausgeblendet werden. Und das nicht nur von Journalisten, sondern auch von Politik und Verwaltung. Gerade wir Lokaljournalisten haben aber die Pflicht, diese Dinge zu benennen.

Wie kann das gelingen?

Durch genaues Hinschauen. Bleiben wir beim Beispiel Schule: Welche Möglichkeiten hat denn eine Schule, mit dem Thema umzugehen? Wie sieht die Situation tatsächlich aus? Sind die Ängste der Eltern begründet? Diesen Fragen nachzugehen, ist unser Job. Und den haben wir in der Vergangenheit vielleicht nicht gut genug gemacht.

Wird sich die Berichterstattung ändern?

Das muss sie. Der fürchterliche Anschlag in Paris und das Erstarken der Pegida-Bewegung haben in vielen Lokalredaktionen etwas ausgelöst: Plötzlich wird über das Thema Pressefreiheit debattiert. Pressefreiheit ist vor allem eine Bringschuld des Journalisten. Wenn ich als Journalist zu einer Pressekonferenz gehe, muss ich mir vorher auch kritische Fragen überlegen. Sonst könnte den Job auch ein Dokumentarist machen. Es gehört aus meiner Sicht auch immer zur Pflicht, sich zu fragen, ob es auch andere Meinungen zu einem Thema gibt. Da sind wir zu bequem geworden.

Was bedeutet Pressefreiheit im Lokalen?

Freiheit hat immer etwas mit Verantwortung zu tun. Für Journalisten heißt das eben auch, die Verantwortung für den Informanten und für die Informationen zu übernehmen. Dazu zählt vor allem der faire Umgang mit demjenigen, über den man kritisch berichten will. Wir müssen ihn anhören und dann auch mit seinen besten Argumenten zitieren. Es gibt Kollegen, die wählen bewusst die schwachen Statements aus. Das ist falsch.

Wie viel Raum sollte man Pegida in Zeitungen geben?

Wir können Pegida nicht ignorieren. Ich bin auch weit davon entfernt, die Bewegung mit verblendeten Nazis gleichzusetzen, über die man – etwa in Wahlkampfzeiten – nicht schreibt. Pegida reicht bis in die Mitte der Bevölkerung. Und da ist es unsere Aufgabe, die Leute über ihre Motive zu befragen. Warum machen sie das? Welche Sorgen haben sie? Und dann müssen wir schauen: Sind die Sorgen berechtigt? Beim Thema Integration geht es beispielsweise darum, zu fragen, wo Probleme bestehen, zugleich aber auch positive Beispiele aufzuzeigen, in denen sie gelingt. Wir müssen immer beides 
benennen.

Dieses Interview erschien zuerst im drehscheibe-Magazin, Ausgabe 2/2015. Zur Ausgabe

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