Interview

„Ein weltweites Thema, das sich runterbrechen ließ“

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Denis Schnur ergänzte die Recherche von Correctiv und Deutsche Welle. (Screenshot: Rhein-Neckar-Zeitung)
Denis Schnur ergänzte die Recherche von Correctiv und Deutsche Welle. (Screenshot: Rhein-Neckar-Zeitung)

Der chinesische Forscher Pan Jian-Wie kam als Wunderkind der Quantenphysik an die Universität Heidelberg und gilt mittlerweile als der Vater der Quantenphysik in China. Für die Heidelberger Universität ist er immer noch ein angesehener Kooperationspartner. Denis Schnur hat ihn während seiner Recheche kennengelernt. Der Redakteur der Rhein-Neckar-Zeitung berichtet immer wieder über die Universität Heidelberg. Veröffentlichungen verschiedener Medien rücken Pan Jian-Wie nun in die Nähe von chinesischen Rüstungskonzernen, sodass die Frage diskutiert wird, inwiefern die Kooperation zwischen Heidelberg und China mittelfristig chinesischen Rüstungskonzernen oder auch dem dortigen Überwachungsapparat helfen könnte. Schnur hat eine Recherche des Recherchenetzwerks Correctiv und der Deutschen Welle aufgegriffen. Wir haben mit ihm gesprochen.

Herr Schnur, Sie haben einen Artikel über ein recht brisantes Thema geschrieben. Warum finden Sie den Fall persönlich wichtig?

Ich finde das spannend, weil das Verhältnis zu China eben ein weltweites Thema ist, was sich an einem Heidelberger Beispiel runterbrechen ließ. Und ich finde es spannend, weil ich das Gefühl habe, auch innerhalb der Universität selbst gibt es nicht diese eine Ansicht oder die eine Lösung, wie man damit umgehen kann, wo man die Grenze zieht zur Kooperation mit China. Ich kann sehr gut verstehen, dass es viele gibt, die mehr Zurückhaltung fordern, die vor der Kooperation warnen. Ich kann aber auch verstehen, dass man als Universität sagt, man will nicht alle Brücken abreißen und dass eine Grundlagenforschung ja eigentlich erstmal etwas Harmloses ist. Die Frage ist, wo man Grenzen zieht, und das ist, glaube ich, etwas, das man gesellschaftlich debattieren muss. Und da können wir ja auch als Lokaljournalisten dazu beitragen in konkreten Fällen.

Wie sind Sie denn auf das Thema aufmerksam geworden?

Das kam in dem Fall über Correctiv und die Deutsche Welle. Correctiv hat sich bei mir gemeldet. Die Chefredakteurin dort wusste von einer ehemaligen Mitarbeiterin von uns, dass ich bei uns für die Universität zuständig bin und die Campus-Seite verantworte. Ihnen ging es vor allem darum, dass wir zur gleichen Zeit über ihre Recherche berichten und dass die Geschichte in Heidelberg wahrgenommen wird.

Mit Klick aufs Bild gelangen Sie zur Seite von Correctiv.
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Ist das ein gängiges Vorgehen, dass Correctiv auf Lokalzeitungen zugeht und eine Kooperation anbietet?

Für uns auf jeden Fall nicht. Ich glaube, auch bei Correctiv ist es einigermaßen neu. Ich weiß, dass die immer wieder lokale Kooperationspartner haben und finde das auch sehr sinnvoll. Wir haben das tatsächlich auch erstmal noch ein bisschen aushandeln müssen. Am Ende ist uns das sehr gut gelungen. Ich durfte dann vorab einen etwas gekürzten, aber immer noch ziemlich ausführlichen Text von ihnen lesen und konnte den verwenden, um meinen eigenen Text für den Veröffentlichungstag zu schreiben.

Wie lief die Zusammenarbeit mit Correctiv konkret ab?

Mir war wichtig, dass ich den Text früh habe, dass ich den nicht eins zu eins übernehme oder nur kürze, sondern meinen eigenen schreiben kann. Mir war auch wichtig, dass ich noch die Gelegenheit habe, bei Correctiv Sachen nachzufragen. Die haben mir zum Beispiel mehr O-Töne zur Verfügung gestellt, als sie selbst im Text hatten, weil ich andere Schwerpunkte gesetzt habe. Und ich wollte auch die Möglichkeit haben, dass ich gerade strittige Punkte, die die Heidelberger Akteurinnen und Akteure betreffen, nochmal vorab so gut es geht verifizieren kann. Das war etwas schwieriger, weil ich nachvollziehbarerweise deren Ergebnisse nicht vorab irgendwie an die Universität oder andere schicken konnte. Deswegen ging es auch nicht in allen Punkten. Bei manchen Sachen war ich deshalb zurückhaltender oder habe sie rausgelassen, bei anderen konnte ich dafür Dinge reinbringen, die ich für ein Heidelberger Publikum relevanter fand.

Inwieweit hat sich Ihr Text dann von dem vom Correctiv oder dem der Deutschen Welle unterschieden?

Ein Großteil hat auch bei mir auf deren Recherche gegründet. Die haben da sehr viel, sehr fleißig und gut zusammengetragen, das war eine sehr gute Grundlage. Mir war dann die lokale Einordnung wichtig. Ich wusste zum Beispiel, wie wichtig China als Partner für die Universität Heidelberg ist, dass aus keinem anderen Land so viele Gastwissenschaftler kommen. Ich wusste auch, dass die Universität sich im Frühjahr bereits selbst ein Rahmenpapier gegeben hat für den Umgang mit China und dass diese Debatte – wann ist zu viel Kooperation und wann es zu viel Abschottung gefährlich – auch innerhalb der Universität geführt wird. Mir war es wichtig, dass ich gerade die strittigen Punkte noch mal irgendwie nachvollziehen kann.

Das heißt, Sie haben dann die beteiligten Personen nochmal gesprochen?

Das ging nicht, weil ich ja die Ergebnisse von Correctiv und Deutsche Welle nicht weitergeben konnte. Aber ich konnte mit Menschen reden, die in diesem Thema sehr drin sind, die mir zwar nichts offiziell sagen konnten, aber die mir Vieles bestätigen konnten und mir bei anderen Sachen noch mal eine andere Perspektive gegeben haben. Und gleichzeitig konnte ich aber auch bestimmte Sachen nicht verifizieren. Zum Beispiel was das Verhalten von Pan Jian-WEI danach in China angeht. Da war ich dann auch zurückhaltender als die Kollegen, denen Quellen vorlagen, die ich nicht hatte.
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Warum ist so ein doppeltes Factchecking gerade auch für Sie als Lokalredakteur so wichtig?

Das sind ja doch recht heikle Themen, um die es da ging. Das deutete ja im schlimmsten Fall daraufhin, dass man sagen kann, die Universität Heidelberg –  sehr überspitzt formuliert – hat dazu beigetragen, dass chinesische Rüstungsfirmen besser aufgestellt sind oder der Überwachungsapparat in China weiter ausgebaut wird. Solche Anschuldigungen, gerade wenn sie auch Heidelberger Akteurinnen und Akteure betreffen, kann ich nicht einfach übernehmen, wenn ich die Dinge nicht selbst überprüfen konnte. Alle Journalistinnen und Journalisten können Fehler machen. Deshalb kann ich kritische Dinge auch von renommierten Partnern nicht einfach veröffentlichen.

Wann haben Sie mit der Chefredaktion über das Thema gesprochen?

Ich bin tatsächlich sehr früh zu meinem Chefredakteur gegangen. Das Thema an sich war von Anfang interessant für alle, mit denen ich gesprochen habe, auch meine Ressortleitung und meine Redaktion. Eigentlich stand nie zur Debatte, ob wir es machen. Es stellte sich eher die Frage, inwiefern wir mit anderen kooperieren können, inwiefern wir Ergebnisse von anderen nutzen können. Da waren wir uns auch relativ schnell einig, dass wir auch selbst recherchieren müssen. Wir hatten dann die Wahl: Entweder wir schauen uns erstmal an, was die machen und bereiten es in Ruhe nach, oder wir gucken, wie gut wir es gleichzeitig hinkriegen. Und dann hat es etwas Mühe und Aufwand gekostet, aber wir haben das ganz gut hinbekommen.

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Sie sind aber über diese Recherche vom Correctiv und der Deutschen Welle hinausgegangen und haben mit Professor Matthias Weidemüller gesprochen, der ja auch mit Pan Jian-Wei in Verbindung steht.

Genau, das war für mich auch schon ein Stückweit klar. Ich konnte ja nicht vorab mit den Verantwortlichen in Heidelberg sprechen, aber ich wollte das nach Veröffentlichung nachholen. Und das habe ich dann sehr früh auch bei der Universität adressiert und bin da offene Türen eingelaufen, da sie auch das Bedürfnis hatten, sich direkt dazu zu äußern. Für die Zukunft bleibt das Thema natürlich spannend: Der Bund hat jetzt seine China-Strategie vorgelegt. Da ist dann interessant, zu gucken, wie sich das auf die Universität auswirkt. Ich glaube, dieses Verhältnis auszuloten zwischen der Universität und China oder auch der Stadt und China, das wird uns in den nächsten Jahren noch beschäftigen.

Könnten Sie sich eine weitere Kooperation mit Correctiv oder der Deutschen Welle vorstellen?

Ich habe da gute Erfahrungen gemacht. Man müsste jetzt erneut miteinander reden, wie man das im Detail macht: Was uns helfen würde, wäre, wenn wir noch früher mit eingebunden sind. Aber ich habe die Debatte noch nicht bewusst mit meiner Chefredaktion geführt.

Wie haben denn Ihre Leserinnen und Leser auf die Recherche reagiert?

Aus der Leserschaft kam relativ wenig Feedback. Ich habe Reaktionen aus der Politik bekommen von Bundestagsabgeordneten. Ich habe mitbekommen, dass der Artikel wohl in der chinesisch-sprachigen Wissenschafts-Community in Heidelberg Wellen geschlagen hat. Also auch bei Menschen, die vielleicht mit ihrem Heimatland gar nicht mehr so verbunden sind, die aber trotzdem eine gewisse Sorge umtreibt, dass jetzt alle Menschen aus China über denselben Kamm geschert werden – nicht speziell wegen meines Artikels, sondern generell wegen der Debatte, wie künftig das Verhältnis zwischen Deutschland und China aussehen wird.

 

Lesen Sie in den kommenden Tagen in unserer Themenwoche, wie Correctiv den Fall recherchiert hat.

Denis Schnur

ist Redakteur der Stadtredaktion Heidelberg der Rhein-Neckar-Zeitung.

E-Mail Denis.Schnur@rnz.de

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