„Eine neue Beziehung zwischen Journalist und Leser"
von drehscheibe-Redaktion
Erst zahlen, dann lesen – beim Crowdfunding finanzieren viele Geldgeber ein Projekt im Voraus. Das Prinzip hat sich in verschiedenen Bereichen bewährt, von der Produktion von Filmen und Musik bis zu Forschungsprojekten. Doch kann es auch im Journalismus funktionieren? Die Plattform Krautreporter bringt die Idee nach Deutschland. Wir sprachen mit dem Gründer Sebastian Esser über die Möglichkeiten für Lokaljournalisten und Verlage.
Herr Esser, was ist „Krautreporter“?
Krautreporter ist eine alternative Möglichkeit, Journalismus zu finanzieren. Es handelt sich dabei um eine Form der Vorfinanzierung: der Leser bezahlt für eine Geschichte die ihn interessiert, die erst dann recherchiert und geschrieben wird. Journalisten stellen ihr Projekt in einem kleinen Text und einem kurzen Video vor, erklären, warum sie das machen wollen und was das Besondere daran ist. Außerdem wird ein Betrag angegeben, der für die Umsetzung benötigt wird. Und dann können Geldgeber das Projekt unterstützen.
Nach welchen Kriterien wählen Sie die Projekte aus?
Es muss ein Projekt mit einem festen Zeitrahmen sein. Zudem verpflichtet sich der Reporter, sich an die gängigen Kriterien des Journalismus und an den Pressekodex zu halten. Dann versuchen wir abzuschätzen, welche Chancen ein Projekt hat, verwirklicht zu werden. Wichtig ist, dass es eine Community gibt, die sich für dieses Thema interessiert. Und zwar so stark, dass sie auch bereit ist, Geld dafür zu bezahlen, dass die Geschichte recherchiert und aufgeschrieben wird.
Ist das Crowdfunding-Modell auch für den Lokaljournalismus geeignet?
Crowdfunding im Journalismus funktioniert auf Lokalebene sogar am besten. Dort wissen die Leser, wer sie um Geld bittet und was sie von dem Journalisten erwarten können. Und es geht um Themen, die die Menschen interessieren. Gerade im Lokaljournalismus ist es schwierig, sich drei Wochen intensiv mit einer Geschichte auseinanderzusetzen. Wenn man sich Freiräume schaffen will für längere Projekte, dann braucht man eventuell finanzielle Unterstützung. Wir werden in Kürze einen Versuch mit einer Lokalzeitung starten, die dieses Modell testen will.
Wie wird dieser Versuch aussehen?
Die Zeitung will zwei Volontäre freistellen, um für zwei Monate ein lokales Thema zu recherchieren. Das Ganze ist Teil einer Sonderbeilage, in der verschiedene Modelle für eine Zukunft der Zeitung ausprobiert werden sollen, darunter eben auch das Crowdfunding. Mehr darf ich dazu aber noch nicht sagen.
Bisher nutzen vor allem freie Journalisten Ihre Plattform. Welche Vorteile ergeben sich für diese aus dem Crowdfunding?
Natürlich hat man erst mal das Geld, das ist zunächst der wichtigste und eigentliche Grund, denn nur mit diesem Einkommen wird das konkrete Projekt erst möglich. Aber es entsteht auch eine neue Beziehung zwischen Journalist und Leser. Die Reporter bilden sozusagen eine Community um sich herum. Anstatt sich auf die Marke eines Mediums zu verlassen, müssen die Autoren heute selbst mit Kompetenz und Glaubwürdigkeit überzeugen. Gerade ein freier Journalist profitiert davon, eine eigene Leserschaft zu haben. Und je größer die ist, desto attraktiver ist der Journalist für andere Leser und letztendlich auch für andere Medien.
Ihre Seite ist vor drei Wochen gestartet. Wie ist die Resonanz bisher?
Wir haben jetzt in drei Wochen fast 12.000 Euro zusammen bekommen. Ein sehr gutes Ergebnis, wie ich finde.
Interview: Martin Meier
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