Interview

„Flüsse sind ein großes Thema“

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Screenshot der Seite Grüner-Journalismus.de
Screenshot der Seite Grüner-Journalismus.de

Die Modau ist ein kleiner Fluss, den vermutlich nur diejenigen kennen, die im Raum Darmstadt wohnen. 44 Kilometer lang und ein Zufluss des Rheins. Und dennoch ist die Modau die Hauptdarstellerin einer breit angelegten Multimedia-Reportage, die das Portal Grüner-Journalismus.de initiert hat und für das Darmstädter Echo umsetzt. Die Macher der Internetseite wollen mehr Bewusstsein für Umweltthemen schaffen und Journalisten Recherchehilfen, Tipps und Kontakte liefern. Was Grüner-Journalismus.de genau ist, wie Lokaljournalisten davon profitieren können und warum gerade Flüsse ein wichtiges Thema werden, erklärt Projekt- und Redaktionsleiter Prof. Dr. Thorsten Schäfer von der Hochschule Darmstadt im Interview.

Die Europawahl hat gezeigt: Umweltschutz und Nachhaltigkeit sind den Bürgerinnen und Bürgern wichtiger denn je. Bemerken Sie das auch an der Zahl der Anfragen, die bei Ihnen ein gehen?
Ja. Ich gebe im Moment einige Intervews für Medien-Magazine und Portale. Mit Grüner-journalismus.de sind wir ja so eine Art Anlaufstelle für Umwelt- und Nachhaltigkeitsjournalisten. Ich merke es auch an einigen Mails von Eltern, deren Kinder bei „Fridays for future“ aktiv sind. Ich merke es auch bei Kooperationspartnern, die plötzlich Ideen haben, Schülerseminare zu machen zu Umwelt und Klima. Ich merke es natürlich auch bei meinen Studierenden, weil sie mehr über das Thema reden. Ich hatte letztes Semester zwei Kurse, in denen wir zum Thema Klimajournalismus gearbeitet haben.

Worum geht es den Eltern oder den Journalistenkollegen, die bei Ihnen anrufen?
Sie fragen, welche Art von Diskussion man in der Schule starten könnte. Und es geht auch um konkrete Tipps für die Berichterstattung.

Screenshot der Rubrik Nachhaltigkeit.
Screenshot der Rubrik Nachhaltigkeit.

Tipps geben – ist das Ihre Idee hinter Grüner-Journalismus.de?
Ja. Wir interviewen aber auch Journalisten aus dem Bereich Umwelt und Nachhaltigkeit. Wir geben ihnen eine Stimme – sonst sind sie ja eher die Autoren. Gegründet wurde das Portal von meinem langjährigen Kollegen Peter Seeger, der die Professur für Kommunikationswissenschaft an der Hochschule Darmstadt innehatte und auch den Bachelorstudiengang Online-Journalismus gegründet hat. Er hat mich dann 2013 dazu geholt für den Aufbau des Portals, das dann 2014 online ging. Anfangs wurden wir gefördert von der Stiftung Forum für Verantwortung. Nun ist das ein laufendes Praxisprojekt, ich habe es immer stärker in die Lehre mit eingebaut. Auch einige Absolventen helfen mir ehrenamtlich dabei.

Welche Tipps können sich Journalisten auf Ihrer Seite holen?
Wir haben zu Themen wie Nachhaltigkeit, Klima, Mobilität oder Biodiversität große Dossiers mit langen Einführungstexten für Journalisten angelegt. Da kann man nachschauen, sich über Themen informieren. Wir haben auch Listen mit ausgewählten Quellen und listen Experten auf, die Journalisten kontaktieren können. Also übergreifend kann man sich Links, Recherchehilfen und Tipps abholen. Wir haben auch einen Abschnitt mit ganz vielen Adressen zu Institutionen in Politik, Wirtschaft und NGO, die man bei Nachhaltigkeitsrecherchen nutzen kann.

Gibt es bereits ein Projekt mit einer Lokalzeitung?
Ja. Wir machen zum Beispiel im Moment ein großes Porträt über einen Fluss gemeinsam mit dem Darmstädter Echo. Als Multimedia-Reportage und Storytelling. Der Fluss heißt Modau, und er durchfließt den vorderen Odenwald und einige Gemeinden im Verbreitungsgebiet der Zeitung. Wir gehen da mit Filmen, Tonaufnahmen, Reportagen, Porträts, datenjournalistischen Sachen ran, machen Exkursionen am Fluss. Schreiben aber auch über die Menschen, die am Fluss wohnen oder sonst mit ihm tieferen Kontakt haben. Wir gehen also nicht nur zum Biologen, sondern schreiben über Heimatforscher, Restaurantbesitzer, Mühlenbesitzer, Industrieunternehmen, Angler, Künstler – über alle, die mit dem Fluss zu tun haben. Das Darmstädter Echo hat dafür eine Redakteurin zur Verfügung, die das Projekt mit betreut. Und auch sonst setzen wir regelmäßig Journalisten des Echos als Dozenten in der Lehre ein – wie auch von der FAZ, dem Hessischen Rundfunk oder dem ZDF, also von Medien aus unserer Region.

Und wie können Lokalzeitungen auch aus anderen Gegenden als Darmstadt mit Ihnen zusammenarbeiten?
Es kommt immer mal wieder vor, dass sich auch andere Zeitungen melden oder freie Journalisten – also einfach anschreiben. Wir haben auf unserer Seite eine Rubrik „Praktisches“, da gibt es Recherchelinks. In der Rubrik „Nachhaltigkeit“ sind die ganzen Dossiers über Mobilität, Wirtschaft, Biodiversität oder Fischerei – da können sich die Journalisten so eine Art Einstiegskurs holen. Wenn es um konkrete Fragen geht, werde ich häufig einfach angemailt – von Studierenden, die nach journalistischen Studiengängen suchen, oder Medien, die Anfragen zu konkreten Ideen haben.

Screenshot der Seite Riffreporter.de
Screenshot der Seite Riffreporter.de

Was sind die Themen, die gerade für Lokalzeitungen besondern interessant sein sollten?
Flüsse. Verstärkt Berichte über Gewässer. Wir haben die Europäische Wasserrahmenrichtlinie, die umgesetzt werden muss. Das ist ein ganz stark lokales Thema, das überall eine Rolle spielen wird. Da wird bisher relativ wenig drüber berichtet und drüber gesprochen. Gerade die kleinen und mittleren Flüsse werden oft vergessen. Da gibt es aber eine große Pflicht, etwas zu tun. Es gibt wahnsinnige Probleme bei Flüssen. Man denkt, man hätte seit den 80ern oder 90ern die größten Verschmutzungen eingedämmt, das stimmt auch, aber es gibt neue Vergiftungen. Die RiffReporter zum Beispiel haben ein tolles Projekt – die haben ja die Vogel- und die Flussreporter. Weitere Themen wären Artenschwund, nicht nur bei den Insekten, sondern auch bei den Amphibien und den Säugetieren. Da ist es spannend, auch mal andere Tierarten anzuschauen und das auch mal ein bisschen politischer und investigativer anzugehen.

Wie zum Beispiel?
Wir haben eine Biodiversitätsstrategie, da hat Deutschland die Ziele gerissen. Viele Verpflichtungen zum Naturschutz sind nicht umgesetzt worden. Die Finanzierungen von Behörden, die Naturschutz umsetzen, ist viel zu gering – es gibt viel zu wenig Personal, um auch solche Vorhaben, wie die Wasserrahmenrichtlinie, umzusetzen. Dazu könnte man viel mehr machen.

Den Europawahl-Ergebnissen zufolge ist vor allem den jungen Wählern eine gute Umweltpolitik wichtig. Sie informieren sich also stärker über Natur- und Klimaschutzthemen. Wie könnte man sie animieren, dafür auch mal die heimische Lokalzeitung zu kaufen?
Die Umsetzung muss Bewegtbild haben, muss Online gehen, muss multimedial sein. Das ist das, was wir mit dem Darmstädter Echo auch gerade versuchen: Wir machen Tonaufahmen oder Unterwasseraufnahmen von Fischen. Aber man muss immer auch Menschen und deren Geschichten in den Fokus rücken. Dann müssen soziale Netzwerke eine Rolle spielen, Instagram als bildstarkes Medium zum Beispiel. Außerdem könnte man darüber nachdenken, das auch über Videokanäle zu begleiten. Wichtig ist aber, Jüngere selbst zu befragen. Man kann nicht Jüngere ansprechen wollen und dann aber nur Ältere im Stück befragen.

Gibt's die Fluss-Reportage schon Online?
Nein, noch nicht. Wir machen das im Rahmen einer Lehrredaktion. Aber das wird jetzt im Juli oder im Sommer online gehen. Aber wir haben bereits andere Sachen der Lehrredaktionen auf der Seite: Wir haben über Menschen im Darmstädter Umland geschrieben, die mit dem Thema Wald zu tun haben. Und da ist noch das Thema Storytelling. Da ging es um Klimageschichten, Reportagen mit Klimakontext. Zum Beispiel: Die letzten Skilifte im Odenwald. Wir machen konkret auch regionale und lokale Sachen. Ich glaube, das ist jetzt der Weg, um die gesamten Klimafolgen auch zu verstehen. Um aber auch jüngere Leser zu erreichen, braucht man auch neue, spannende Erzählformen.

Welche meinen Sie da konkret?
Naja, vielleicht subjektiver, metaphorischere oder poetischere, die sich der Journalismus auch zutrauen muss. Wir üben das zum Beispiel mit Schreibwerkstätten im Darmstädter Wald – mit Studierenden oder auch Schülern. Da beschreiben die Schüler die Rinde, oder schreiben aus der Perspektive eines Felsens oder eines Insekts. Große Printmedien oder Magazine machen das ja zum Teil schon und trauen sich literarische Formen zu. Ich denke, dass gerade lokale Medien, deren Wirksamkeit so groß ist, schlichtweg weil Lokaljournalismus einfach die Fläche ausmacht, das auch machen sollte. Diese Geschichten müssen gut recherchiert und gekonnt gemacht sein, da müssen viele Infos dabei sein. Warum nicht mal eine Geschichte in der Lokalzeitung aus der Perspektive eines Fisches, der den Rhein aufsteigt?

Interview: Katharina Dodel

Hier geht's zur Themenwoche Umwelt, Klima und Natur.

Prof. Dr. Torsten Schäfer

hat zunächst ein Zeitungsvolontariat abgeschlossen, war Redakteur bei GEO International sowie der Deutschen Welle und hat als freier Autor unter anderem für GEO, taz, dpa, Süddeutsche Zeitung gearbeitet. Seit August 2013 hat er eine Professor für Journalismus und Textproduktion an der Hochschule Darmstadt. Bereits im Studium hat Schäfer sich viel mit Lokaljournalismus beschäftigt und sich in seiner Promotion mit Lokalzeitungen und EU befasst.

E-Mail:  torsten.schaefer@h-da.de

Internet: www.gruener-journalismus.de

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