Tipps und Tricks für gute Sportfotos im Lokalen
von Hendrik Mühlenbrock
Sportlerehrungen, Fußballturniere der Bambinis, traditionsreiche Schützenfeste: Der dpa-Cheffotograf Michael Kappeler kennt Veranstaltungen wie diese nur zu gut. Seine Karriere begann im Lokalen, wo er das Fotografenhandwerk lernte. Bei der Allgäuer Zeitung absolvierte er seine Ausbildung, volontierte dann bei der Augsburger Allgemeinen und verließ im Anschluss seine Heimat, um bei den Nachrichtenagenturen Reuters, dem Deutschen Depeschen Dienst (ddp) und dem daraus hervorgegangenen Deutschen Auslands Depeschen Dienst (dapd) zu arbeiten. Seit 2011 ist Kappeler Cheffotograf der Deutschen Presse-Agentur. Er weiß, worauf es – auch im Lokalen – ankommt. Im Interview mit der drehscheibe gibt er Tipps, wie mit einfachen Kniffen aus unspektakulären Szenerien spektakuläre Bilder werden.
Herr Kappeler, während Fußballspielen der Profis fallen die Fotografen am Spielfeldrand nur dann auf, wenn ein Spieler beim Torjubel in Richtung der Kameras rennt. Oder sie gar vom Ball getroffen werden. Meistens aber arbeiten Sie und Ihre Kollegen unsichtbar.
Na, das kommt Ihnen als Zuschauer natürlich immer nur so vor. Ich selbst denke mir immer beim Fußball: „Ich sitz' ja hier auf'm Präsentierteller.“ Wenn ich da am Spielfeldrand sitze, schauen die Zuschauer aber schlicht über mich hinweg. Selbst wenn meine Freunde im Stadion sind und ich fotografiere da, dann sagen sie hinterher: „Ja, ich hab dich gar nicht gesehen.“ Na, die haben einfach auf das Spiel geachtet.
Das tun Sie ja ebenfalls. Ähnlich wie Schiedsrichter müssen sie vermutlich konzentriert bleiben, zwar keine gelben und roten Karten verteilen, aber die richtige Entscheidung treffen – nämlich: Wann ist der richtige Moment, um den Auslöser zu drücken? Wie schaffen Sie das?
Der gute Fußball- oder Sportfotograf liest sozusagen das Spiel und weiß tatsächlich, was als nächstes passieren wird. Zum Beispiel beim Fußball. Da beobachte ich, dass sich der Spieler jetzt gerade frei läuft und überlege: Wo könnte der jetzt hinpassen? Und würde ich dann nur mit dem Ball mitschwenken, wäre ich immer einen Ticken zu spät dran. Deswegen schaue ich, wo könnte der Spieler hinspielen? Und meistens bin ich dann mit dem Objektiv schon dort, wo der Ball ankommt.
Das heißt, Sie schauen während des Spiels nicht permanent durch die Kamera?
Nein, ich verfolge das Spiel über die Kamera hinweg und schaue erst im letzten Moment durch sie hindurch. Das ist Übungssache.
Was sollten Redakteure im Lokalen beachten, wenn sie Fotos von Fußball- oder Handballspielen machen?
Dabei ist die Perspektive sehr wichtig: Wir Sportfotografen arbeiten ganz viel im Sitzen, um den Sportler komplett ins Bild zu rücken. Und viele Sportler stehen beziehungsweise laufen oder rennen. Würde man beim Fotografieren selbst stehen, würde man immer leicht von oben fotografieren. Aus dem Sitzen aber hat man eine ausgeglichene Perspektive. Außerdem ist der Hintergrund klarer. Man sieht dort die Fans und Tribünen.
...und nicht den Rasen oder Hallenboden?
Genau. Daher fotografiert man bei Sportarten wie Handball und Fußball aus dem Sitzen.
Wie schaffen Sie es bei all der Spielanalyse, auch die Atmosphäre im Stadion und die Zuschauer einzufangen?
Also es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder man sitzt am Spielfeldrand und fotografiert die Fans, wie sie in Aktion sind und jubeln. Aber da ist Vorsicht geboten. Denn in dem Moment, in dem die Fans wirklich in Ekstase sind, passiert auf dem Feld recht viel. Da ist man in einer etwas blöden Zwickmühle.
Dann verpasst man also spannende Situationen im Spiel. Und wie lautet die andere Möglichkeit?
Ich mache gerne ein Bild vom Stadion, so dass man sehen kann, wie dieses Stadion insgesamt aussieht. Ich gehe dazu kurz vor dem Spiel hoch in die letzten Reihen. Von dort hat man die Fans im Vordergrund und das Stadion im Hintergrund. Das kann immer ein schönes Bild ergeben.
Wie sieht das bei anderen Sportarten aus? Im Sommer fand in Berlin die Leichtathletik-EM statt und Sie waren als dpa-Cheffotograf vor Ort, um Fotos zu machen. Was sind die besonderen Herausforderungen an einen Fotografen bei so einem Event?
Bei der Leichtathletik muss man vor allem darauf achten, wie die unterschiedlichen Disziplinen am besten fotografiert werden. Besonders bei denen, die auf Fotos sehr ähnlich aussehen würden. Also wie fotografiere ich beispielsweise den Dreisprung und den Weitsprung so, dass der Betrachter auch beides auseinanderhalten kann? Denn beides geht in die Grube, aber wie kann ich das im Foto unterschiedlich darstellen? Beim Dreisprung versuche ich ein Bild beim zweiten Absprung zu machen, wenn die Sportler ganz prägnant hochspringen. Und beim Weitsprung fotografiere ich dann eher dieses Eintauchen in die Sandgrube. Das muss man sich natürlich immer vorher überlegen.
Sie sind da ja Profi auf dem Gebiet. Wie aber sollten Laien vorgehen, die nicht wissen, wie die verschiedenen Disziplinen am besten fotografiert werden können?
Sie sollten sich dann am besten von anderen Fotografen inspirieren lassen. Banal gesagt: Sie sollten einfach ein bisschen googeln, wie Sportbilder aussehen, sich neue Ideen holen. Und dann kann man versuchen, seinem eigenen Ziel von einem optimalen Bild nahe zu kommen, indem man einfach etwas ausprobiert. Also so mach ich das zu mindestens, wenn ich etwas nicht weiß. Ich schaue mir an, wie man das macht und dann versuch ich’s einfach so gut wie möglich nachzumachen.
Was bei den Profis auffällt ist, dass die Fotos in imaginäre Drittel aufgeteilt sind.
Der sogenannte Goldene Schnitt ist bei der Sportfotografie nicht beim Fotografieren, sondern hinterher bei der Bearbeitung, beim Zuschneiden wichtig. Beim Fotografieren besteht das Problem, dass wir immer von dem abhängig sind, was grade beim Spiel passiert. Erst anschließend in der Bildbearbeitung können wir den finalen Bildschnitt vornehmen. Dass ein Bild, so wie man es fotografiert, auch hinterher erscheint, das ist wirklich sehr selten der Fall. Beim Bearbeiten achtet man natürlich sehr wohl darauf, dass die Sportler Platz für die Bewegungen haben. Wenn ein Spieler von rechts nach links läuft, dann kann er relativ weit am rechten Bildrand sein. Aber an der linken Seite, also in der Richtung, in die er läuft, da muss Platz sein. Das ist ganz wichtig.
Und gibt es neben der Drittel-Regel noch etwas zu beachten?
Es gab auch mal so eine goldene Regel, dass der Ball, oder das Spielgerät im Allgemeinen, zwingend mit drauf sein muss. Ich finde, da kann man mal von abweichen, wenn die Action wirklich gut ist.
Von der Action zu vermeintlich langweiligeren Disziplinen: Gruppenfotos. Wie schafft man es, dass alle Personen ihre Augen geöffnet haben?
Meine Daumenregel für große Gruppen lautet: Man muss mindestens immer so viele Fotos machen, wie Menschen auf dem Bild zu sehen sind. Damit man mindestens ein Foto hat, bei dem alle Beteiligten die Augen aufhaben.
Bei all den Dingen, die man als Fotograf beachten muss, klingt es, als könnten das eigentlich nur Profis bewältigen.
Tatsächlich ist die Sportfotografie ein Bereich, in dem wirkliche Profis gefordert sind. Aber im Lokalbereich, wo die Ressourcen knapper sind, kann man sich mit anderen Sachen gut vorbereiten. Indem man zum Beispiel sein Archiv immer auf dem Stand hält und bewusst ordentliche Porträts von Sportlern hat. Und das wäre mein letzter Tipp für Lokalfotografen, die bei einem Spiel noch ein Porträtfoto machen möchten: Sich wirklich vorzubereiten und die Zeit dafür zu nehmen. Dann ist man anschließend mit dem Bild viel zufriedener, als wenn man es schnell nebenbei macht und sagt: „Komm, jetzt stell dich mal hier vor den Gummibaum.“
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