„In jedem Haushalt auf dem Tisch“
von Stefan Wirner
Die Elbe-Jeetzel-Zeitung ist die erfolgreichste Lokalzeitung Deutschlands – das legt zumindest ein Ranking nahe, das auf Meedia.de veröffentlicht wurde. Der Internetdienst hat in 402 deutschen Landkreisen die meistverkaufte Zeitung ermittelt und ihre Verkaufszahlen mit der Einwohnerzahl verglichen. Der Medienforscher Christian Jakubetz meinte dazu auf seinem Blog, das Ergebnis habe vor allem mit dem Strukturkonservativismus in der Provinz zu tun, „überall da, wo die mediale Zukunft schon ein bisschen weiter fortgeschritten ist“, sei das Modell Tageszeitung auf dem Rückzug. Wir wollten von Hans-Herrmann Müller, dem Redaktionsleiter der Elbe-Jeetzel Zeitung, wissen, wie er das sieht.
Herr Müller, worin liegt Ihr Erfolgsgeheimnis?
Ein Erfolgsgeheimnis gibt es - meine ich - nicht. Wir bemühen uns, tagtäglich eine attraktive Zeitung zu produzieren, wobei uns wichtig ist, dass wir an der redaktionellen Unabhängigkeit und Glaubwürdigkeit festhalten. Die Redaktion tritt ein für einen objektiven, engagierten und kritischen Journalismus. Unser Ziel ist es, eine interessante Zeitung für alle gesellschaftlichen Gruppen im Landkreis auf den Markt zu bringen, die allen unseren Leserinnen und Leser einen Mehrwert verschafft. Das bedeutet, dass wir nicht Hofberichterstatter sind, dass wir nicht vom Weg der kritischen Distanz abweichen. Wenn wir die Qualität unserer Berichterstattung halten und verbessern wollen, dann müssen wir unsere Neutralität wahren und dürfen uns nicht gemein machen mit Dingen und Menschen, über die wir berichten.
Welche Rolle messen Sie der Lokalberichterstattung zu?
Lokaljournalismus ist unsere Stärke und das Alleinstellungsmerkmal unserer Zeitung als einzige Tageszeitung im Landkreis Lüchow-Dannenberg. Kein anderes Medium, kein anderer Anbieter hat so viele lokale Daten und Kenntnisse über die Region wie wir. Das wird auch in Zukunft so bleiben, denn nur so können wir unsere Überlebensfähigkeit sichern. Lokales ist deshalb bewusst vorn im Blatt, lokale Themen werden auf Seite 1 angerissen. Auch Lokalsport finden unsere Leserinnen und Lesern im dritten Buch ab Seite 1. Und wir bemühen uns, Themen anzupacken, bevor sie Stadtgespräch sind.
Wie sind Sie personell und strukturell aufgestellt? Wie viele Mitarbeiter haben Sie, und wie produzieren Sie?
Mit zwölf Redakteursstellen, darunter drei Sportredakteure und drei Lokalredakteure in Teilzeit, ist die Redaktion eigentlich gut aufgestellt, weil wir den Anspruch haben, Lokaljournalismus umfänglich und mit hoher Qualität zu liefern. In Urlaubszeiten merken wir allerdings, dass die personelle Decke rasch dünner wird.
Es gibt keinen Newsdesk im Lokalen, sondern einen ständigen direkten Austausch im Kollegenkreis über Themen und zu bespielende Kanäle wie Print, Online und Social Media. Wir haben keine Online-Redaktion, sondern die Redakteure entscheiden einvernehmlich, welches Thema wann und wie in welchen Kanal passt. In der Regel übernimmt ein Kollege die tägliche Produktion der Lokalseiten, während ein zweiter den E-Mail-Eingang sichtet und bearbeitet. Dadurch erhalten die anderen Mitglieder der Redaktion Freiräume für Recherchen und für das Schreiben eigener Artikel.
Welche lokalen Bedingungen ermöglich diesen Erfolg? Die Anführer des Rankings stammen ja allesamt aus der Provinz.
In unserem Landkreis mit etwas über 48.000 Einwohnern liegt die Elbe-Jeetzel Zeitung bei einer Auflage von rund 11.500 Exemplaren rechnerisch in jedem Haushalt auf dem Tisch. Für mich ist das auch ein Beleg für die Glaubwürdigkeit unserer Berichterstattung. Hinzu kommt: Eine Redaktion muss nah am Leser sein und wissen, was ihn interessiert. Das ist hier durch privates Engagement der Redaktionsmitglieder, wie zum Beispiel Mitgliedschaft in Vereinen, gegeben. Außerdem hat der Anzeigenteil gerade in einem Flächen-Landkreis, in dem fast jeder jeden kennt, eine erhebliche Bedeutung, besonders die Familienanzeigen finden naturgemäß eine große Beachtung.
Der Medienforscher Christian Jakubetz hat auf seinem Blog die These aufgestellt, dass bei diesem Ranking Lokalzeitungen aus eher ländlichen Gegenden deshalb so gut abschneiden, weil sich dort die gesellschaftlichen Umwälzungen (Digitalisierung etc.) langsamer bemerkbar machen. Trifft das Ihrer Meinung nach zu?
Im Ausbau schneller Internetverbindungen hinkt der ländliche Raum bekanntermaßen hinterher, und die Nutzung der digitalen Technik ist mit der in einem Ballungszentrum nicht zu vergleichen. Wer umfassend über das Geschehen im lokalen Bereich informiert sein möchte, der kommt trotz des Internets ohne die Heimatzeitung nicht aus. Um diesem Anspruch gerecht zu werden, sind wir gefordert, uns weiterzuentwickeln, ein „Weiterso wie vor zehn Jahren“ kann es nicht geben, es würde die Existenz der Zeitung gefährden.
Wie wappnen Sie sich für die Zukunft?
In der Digitalisierung sehen wir keine Herausforderung, sondern eine Chance, weil wir beispielsweise durch Facebook neue Leser gewinnen und mit diesem Medium einen direkten Rückkanal haben, der Stimmungen und Meinungen der Leserschaft spiegelt. Wir nehmen die Wandlung der Medien und des Medienkonsums ernst und werden zukünftig immer mehr versuchen, Print, Online und Social Media zu vernetzen und gegenseitig zu nutzen.
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