Kantig und schwäbisch
von Stefan Wirner
Spaetz.de ist ein Portal von Volontären der Schwäbischen Zeitung aus Leutkirch. Die Internetseite berichtet über „junge Themen aus dem Herzen von Schwaben“, wie es in einer Selbstdarstellung heißt. Die angehenden Medienmacher fühlen sich ganz dem Lokalen verpflichtet. Über das Konzept sprach die drehscheibe mit den spaetz-Erfindern Hagen Schönherr und Markus Riedl.
Herr Schönherr, Herr Riedl, wie kam es zur Gründung von spaetz.de?
Hagen Schönherr: Wir haben im Verlag planstellenmäßig 28 Crossmedia-Volontäre, de facto gerade 25. Sie sind weit über Baden-Württemberg verteilt, das liegt auch an der räumlichen Struktur unseres Einzugsgebiets. Und wir haben uns gedacht, dass diese jungen Kollegen vielleicht auch das Knowhow haben, das Leute in unserem Alter, also um die 30, interessiert. Dieses Knowhow müsste man doch irgendwie bündeln können und in ein Internetmagazin einfließen lassen.
Markus Riedl: Unserem Verlag geht es wie vielen anderen: Man versucht, den Anschluss an junge Leser zu finden. Wir wollen sie mithilfe von spaetz.de mit dem Verlag vertraut machen. Die werden sicher nicht alle gleich Abonnenten werden, aber wir wollen ein Produkt schaffen, das junge Leute interessieren könnte. Den Nerv dieser Klientel zu treffen, gelingt einem jungen Volontär vielleicht eher als jemandem, der schon seit 25 Jahren über Politik schreibt.
Sie wollen „kantig und schwäbisch“ sein. Was bedeutet das?
Markus Riedl: Im Internet bieten sich meinungsbetonte Formen an, subjektivere Darstellungsformen, als wir sie in der Tageszeitung haben. Das meint kantig. Wir wollen der Plattform ein solches Profil geben, weil wir glauben, dass wir damit den Ton des Internets besser treffen. Das heißt, dass Texte durchaus auch polarisierende Meinungen vertreten können, unpopuläre oder sehr deutliche Meinungen, weil wir denken, dass das Internet-Publikum damit umgehen kann. Deshalb haben wir auch Formate wie den „Schlagabtausch“, wo wir versuchen, sehr klare Pro und Kontra-Seiten aufzuzeigen, vielleicht ein Format, mit dem man in Print aus guten Gründen vorsichtiger wäre.
Und schwäbisch?
Hagen Schönherr: Schwäbisch, weil wir aus dem Herzen von Schwaben berichten. Keiner kennt die Region so gut wie wir. Und wir wissen, dass unsere Leser interessiert, was vor ihrer Haustür passiert. Schwäbisch bedeutet aber auch, dass wir die schwäbische Lebensart schätzen und sie erhalten und fördern wollen.
Welche Themen findet der Leser auf spaetz.de?
Hagen Schönherr: Er findet generell Themen der Alltagswelt von Leuten zwischen 20 und 30. Wir behandeln keine klassischen Politikthemen und bringen auch keine typischen aktuellen Nachrichtenbeiträge, sondern Themen aus Alltag und Kultur. Beispiele wären der Beitrag zu einer Lesung von Harry Rowohlt, wo wir ihn einmal außerhalb seines üblichen Rahmens interviewt haben, oder die Geschichte über das Klavier, das ein paar Schüler in die Fußgängerzone geschleppt haben, um dort Straßenmusik zu machen. Aber wir beleuchten natürlich auch ernste Themen, wie etwa die Geschichte über NPD-Politiker und was Ihre Nachbarn von Ihnen halten.
Auf spaetz.de ist auch ein Foto von einer sauber aufgereihten Armee von Mülltonnen in der pittoresken Altstadt veröffentlicht, dem nur ein ganz kurzer Text beigestellt ist. Sind solche Fundstücke ein wichtiger Bestandteil ihres inhaltlichen Konzepts?
Hagen Schönherr: Ich bin der Meinung, dass solche Inhalte zwar Platz auf spaetz.de haben sollten, aber vielleicht nicht so viel wie zurzeit. Wir sollten uns mehr darauf konzentrieren, tiefergehende journalistische Beiträge zu verfassen und zu publizieren. Das ist im Moment personell schwierig. Sehr oft bringen wir noch das klassische Fundstück des Alltags. Das funktioniert mal gut, mal weniger gut.
Wie sieht die Arbeit an dem Portal in der Praxis aus? Machen Sie das neben Ihren beruflichen Verpflichtungen?
Markus Riedl: Daneben kann man nicht sagen. Wir versuchen, uns viel auszutauschen und gemeinsam Themen zu finden, wir telefonieren oder besprechen uns auch mal tagsüber während der Arbeitszeit, es kann aber durchaus auch sein, dass wir mal einen Text nach Dienstschluss schreiben. Es findet schon einiges in der Freizeit statt. Dann bleibt man eben ein bisschen länger im Büro und schneidet noch ein Video. Wir bekommen auch vom Verlag, wenn eine Geschichte vielversprechend ist, die Möglichkeit, sie zu entwickeln. Aber noch geht es nicht ohne Engagement in der Freizeit.
Inwieweit unterstützt der Verlag das Projekt?
Hagen Schönherr: Inhaltlich insofern, dass er uns weithin freie Hand dafür gibt. Wir sind selbst für die Inhalte verantwortlich. Man hat uns einen großen Vertrauensvorschuss gegeben, den wir, glaube ich, bis jetzt noch nicht aufgebraucht haben. Darüberhinaus haben wir vom Verlag die gesamte technische Unterstützung bekommen, man hat uns ein Layout nach unseren Wünschen und in Absprache mit uns entworfen und uns im CMS-System geschult. Was die Weiterentwicklung und die Marke betrifft, stehen wir in stetigem Austausch mit der Marketing-Abteilung.
Markus Riedl: Wir würden uns wünschen, dass wir für die Erstellung der redaktionellen Inhalte mehr Freiraum erhalten. Es braucht einfach Zeit, gute Inhalte zu finden und zu produzieren. Ich glaube, der Verlag wollte einfach mal sehen, wie sich das Produkt entwickelt und ob es auch unterstützenswert ist.
Wie garantieren Sie bei der knappen Zeit die Einhaltung journalistischer Standards?
Markus Riedl: Wir haben ein Schema entwickelt, mit dem wir glauben, die Standards halbwegs einhalten zu können. Da ist zunächst der Autor, der für sein Thema verantwortlich ist und den Text in das System einstellt. Aber der Autor veröffentlicht seinen Beitrag niemals selbst. Wir haben ein spaetz-Desk, das sind immer zwei Kollegen, die zwei Wochen lang für das Blog verantwortlich sind. Sie kümmern sich darum, welche Inhalte in welcher Reihenfolge ins Blog kommen, sie redigieren die Texte und sind im Zweifelsfalle auch dafür verantwortlich, einen Text zu kippen. Das ist bis jetzt aber nur selten passiert. Außerdem gibt es jede Woche eine sogenannte Wochenkritik, da schreiben die Kollegen, die diesen Dienst haben, an alle Autoren eine Mail mit Rückblick auf alle veröffentlichten Artikel und einer Kritik daran.
Arbeiten auch Nicht-Volontäre mit am Portal?
Markus Riedl: Inhaltlich ausschließlich Volontäre, von der Technik ist natürlich das normale Online-Team mit eingebunden. Unser Online-Chef ist unser direkter Ansprechpartner, er sagt auch vieles zu unserer inhaltlichen Ausrichtung, ohne uns dabei Vorgaben zu machen.
Entsteht nicht irgendwann das Problem, dass das Projekt an nachfolgende Volontäre weitergegeben werden muss?
Hagen Schönherr: Sicher. Wir zwei, die wir die Idee zu dem Portal hatten, sind jetzt noch knapp eineinhalb Jahre Volontäre. Wenn spaetz.de weiterleben soll, muss es irgendwann Strukturen geben, die den Fortbestand des Projekts sichern. Das kann so aussehen, dass der Verlag eindeutig sagt, dass er das Projekt will und dass er die Volontäre auf eine Art darauf verpflichtet. Von alleine kann es in den derzeitigen Strukturen nicht überleben.
Wie viele Zugriffe haben Sie?
Hagen Schönherr: Derzeit verzeichnen wir knapp über 6000 PIs im Monat. Unter den Lesern sind mehr Männer als Frauen, das Alter entspricht ziemlich genau unserer Zielgruppe. Da ist natürlich viel Luft nach oben. Bei einzelnen Artikeln allerdings können die Zugriffszahlen rasant steigen.
Auf welche Story kann man sich in den kommenden Tagen freuen?
Markus Riedl: Spätz wird am Dienstag mit einer Geschichte über eine Skate-Rampe in Stuttgart aus der Hand des Künstlers Michel Majerus berichten. Dazu gibt es ein Video: Im Interview ist der Wiener Skate-Athlet Philipp Schuster. Das wird eine nette Geschichte werden.
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