„Wir bleiben weiterhin vorsichtig“
von Max Wiegand
Abstand halten muss nicht heißen, den Kontakt zu verlieren! In loser Folge spricht die drehscheibe mit Chefredakteurinnen und Chefredakteuren über die Erfahrungen mit dem Lockdown und über die Erkenntnisse, die sie aus der Corona-Krise mitnehmen in die Zukunft.
Herr Matthiesen, es ist nun etwa drei Monate her seit dem Lockdown. Mittlerweile hat sich vieles gelockert, Geschäfte und auch viele Schulen haben wieder geöffnet. Ist auch beim General-Anzeiger wieder ein Stück weit Normalität eingekehrt?
In der Redaktion gibt es natürlich Eltern, die ihre Kinder noch zuhause betreuen müssen, weil noch nicht alle Kitas und Schulen wieder normal laufen. Es gibt auch nach wie vor Kollegen, die aus gesundheitlichen Gründen zuhause bleiben oder sich um Angehörige kümmern. Wir bleiben weiterhin vorsichtig, halten Treffen so knapp wie möglich und konferieren nur per Video oder Telefon. Insofern gibt es in der Redaktion noch keine Normalität. Viele Dinge, die wir jetzt eingeführt haben, wie etwa Home Office, Telefonabsprachen oder Abstimmungen per Slack, werden wir aber weiter beibehalten. Die Arbeitsprozesse werden sich also ohnehin verändern. Ich bin dementsprechend gar nicht so darauf erpicht, dass alles wieder wie vorher wird.
Welche weiteren Erkenntnisse haben Sie aus der Zeit des Lockdowns ziehen können?
Eins der wesentlichen Erkenntnisse ist, dass man nötige Veränderungen sehr schnell durchführen kann. Gerade wenn es schnell gehen muss und man sich weniger mit Bedenken oder Zweifeln auseinandersetzen kann, Dinge also einfach entschieden werden müssen. Und dass in so einem Fall die Kolleginnen und Kollegen sehr gut mitziehen, zum Teil sogar eigene Vorschläge zur Vereinfachung und Verbesserung von Abläufen beisteuern. Was das Interne angeht, lässt sich also positiv Bilanz ziehen.
Und wie ist es in Bezug auf die äußeren Gegebenheiten?
Da fällt es gemischter aus, weil viele verschiedene Komponenten eine Rolle spielen. Aber auch hier haben wir die Erfahrung gemacht, dass die Leserinnen und Leser mitziehen. Wenn man ihnen erklärt, warum etwa Umfänge geringer oder Ausgabenstrukturen knapper geworden sind, dann wird das auch verstanden und mitgetragen.
Gibt es weitere Dinge, die Sie für die Zukunft übernehmen wollen?
Eine allgemeine Erkenntnis ist, und das gilt nicht nur für unsere Branche, dass Unternehmen, die keine digitale Geschäftsstrategie haben, in so einer Situation sofort unter Druck geraten. Wir als General-Anzeiger verdienen zwar bereits Geld mit unseren Online-Angeboten, setzen aber bislang noch nicht auf Paid Content. Wir haben uns schon vor Corona damit beschäftigt und waren in der Vorbereitung einer Einführung. Die Krise hat noch einmal verdeutlicht, dass wir recht zügig Paid-Content-Modelle einführen müssen, also zukünftig unsere Inhalte im Netz so anbieten sollten, dass sie zu Abos führen und gekauft werden.
Welche größeren Projekte gehen Sie als nächstes an? Wie wird etwa die Sommerberichterstattung aussehen, so ganz ohne Festivals und Open-Air-Veranstaltungen?
Große Trends werden die Themen „Urlaub zuhause“ sowie „Ausflüge in der Region“ sein. Da haben Regionalzeitungen ja eine sehr hohe Kompetenz und viel Wissen. Auch wir werden den vielen Menschen, die im Sommer in der Region bleiben, im Sinne einer starken Service-Orientierung nahebringen, was man hier so alles machen kann. Wir machen wie jedes Jahr gemeinsam mit der Kölnischen Rundschau, dem Kölner Stadt-Anzeiger und der Rheinischen Post eine Sommerserie. Darin werden wir jeden Tag einen großen Ausflugstipp für die Region vorstellen. Im Hintergrund werden wir weiter und verstärkt an der Einführung des Paid-Content-Modells arbeiten.
Im September stehen in NRW die Kommunalwahlen an. Wird sich die Berichterstattung durch Corona verändern? Podiumsdiskussionen mit den Kandidatinnen und Kandidaten dürften ja etwa derzeit schwieriger umzusetzen sein.
Wir haben in der Vergangenheit viel auf Podiumsdiskussionen gesetzt und sollten sie wider Erwarten möglich sein, werden wir das auch dieses Jahr versuchen. Wir haben aber schon bei vorherigen Wahlen bereits eine ganze Reihe an Online-Formaten produziert. Da gab es etwa den „heißen Stuhl“, bei dem wir die Kandidaten mit Fragen „gegrillt“ haben. Das werden wir wieder machen. Wir planen auch verschiedene Diskussionsformate im Netz, da sammeln wir bereits erste Erfahrungen. Es wird natürlich in diesem Jahr schwieriger sein, Kandidaten und Wähler zusammenzubringen, aber wir werden dafür die digitalen Kanäle nutzen.
Wird es beispielsweise moderierte Videochats zwischen Wählern und Kandidaten geben?
Das werden wir sicherlich probieren; das ist aber auch eine Frage der Technik. In welchem Ausmaß wir das machen werden, kann ich momentan noch nicht sagen, aber ich bin da optimistisch. Wir haben in anderen Zusammenhängen schon gute Erfahrung mit solchen Formaten gemacht. Das Feedback der Teilnehmer war bei einem vorherigen Versuch in jedem Fall positiv.
Interview: Max Wiegand
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