Interview

Mehr wir, weniger ich

von

Einige Vermögende in Deutschland setzten sich für eine Änderung im Steuergesetz ein, damit Geld gerechter verteilt werden kann. (Grafik: AdobeStock/bizvector)
Einige Vermögende in Deutschland setzten sich für eine Änderung im Steuergesetz ein, damit Geld gerechter verteilt werden kann. (Grafik: AdobeStock/bizvector)

Sie sind reich und wollen mehr Steuern bezahlen: Stefanie Bremer ist eine von vielen Wohlhabenden, die sich für eine Vermögensteuer und mehr soziale Gerechtigkeit einsetzen. Ein Thema fürs Lokale.

Frau Bremer, was bedeutet soziale Ungleichheit für Sie?

Es ist Chancenungleichheit, es ist oft auch gesundheitliche Ungleichheit, Bildungsungleichheit. Die Gestaltung des eigenen Lebens, politische Teilhabe, ist unterschiedlich möglich – je nachdem, wie viel Vermögen man hat oder auch nicht hat.

Sie stehen auf der Seite derer, denen viele Möglichkeiten offen stehen. Von wie viel Geld reden wir?

Es sind ungefähr zehn Millionen Euro. Damit gehöre ich zu den obersten zehn Prozent der deutschen Bevölkerung.

Mit einem Nettoeinkommen bis zu 781 Euro gilt eine Person als arm. Wer mindestens 3.529 Euro verdient, zählt zu den oberen zehn Prozent. Wie versuchen Sie, da ein Gleichgewicht herzustellen?

Mein größtes Engagement ist sicherlich die Öffentlichkeitsarbeit für mehr Steuergerechtigkeit. Im Kleinen stelle ich zum Beispiel Wohnraum günstig zur Verfügung.

Hier geht es zu einem Interview mit Stefanie Bremer in der Südwest Presse (Ulm). (Screenshot)
Hier geht es zu einem Interview mit Stefanie Bremer in der Südwest Presse. (Screenshot)

Was müsste sich beim Thema Steuern in Deutschland ändern?

Ich bin Teil der Initiative taxmenow (English für: Besteuere mich jetzt!), die sich im deutschsprachigen Raum engagiert. Eine Kernforderung ist, dass die Steuergesetzgebung nicht mehr den Vermögenden zugute kommt, sondern allen. Es gab diverse Urteile des Bundesverfassungsgerichts, dass das Erbschaftsteuergesetz nicht verfassungsgemäß ist. Da muss die Politik ihren Verpflichtungen nachkommen. Es kann nicht sein, dass das missachtet wird.

In einem Interview sagten Sie einmal, Sie sehen die Demokratie in Gefahr. Warum?

Weil es Urteile von staatlichen Institutionen gibt, die die Politik dazu ermahnen, die Gesetzgebung so anzupassen, dass es ungleiche Verhältnisse befördert. Wenn ein Gesetz nicht ausgeführt wird, warum soll dann ein Bürger seinem Staat vertrauen? Damit befeuern wir doch Egoismus, anstatt für das Gemeinwohl zu arbeiten. Da müssen wir uns nicht wundern, wenn wir extremistische Tendenzen haben, wenn es Spaltung gibt – weil man eben das Gefühl hat, der Staat hat nicht mehr das große Ganze im Auge.

Hier geht es zur Internetseite von Millionaires for Humanity. (Screenshot)
Hier geht es zur Internetseite von Millionaires for Humanity. (Screenshot)

Welche Rolle spielen da Zeitungen und Berichterstattung? Online findet man viele Artikel mit Schlagzeilen wie „Diese Dinge müssen Sie tun, um reich zu sein“ oder Porträts, wie Millionäre zu ihrem Reichtum gekommen sind. Wird das dem Thema Reichtum gerecht?

Nein. Was mir an vielen Medienauftritten auffällt: Medien, die mit mir schreiben, gehen einigermaßen differenziert ran. Medien, die über mich oder unsere Initiative schreiben, gehen nicht an das große Ganze ran. Also, ich meine Medienvertreter, denen ich ein Interview gebe, gegenüber denjenigen, die nur über die Initiative schreiben, anstatt sich dem Thema durch unsere persönliche Perspektive zu nähern. Dadurch werden häufig Vorurteile reproduziert. Ich meine damit zum Beispiel auch das Leistungsnarrativ. Das wird ja von vielen Vermögenden hochgehalten: „Wer bloß fleißig genug ist, schafft das schon.“ Und das ist ungerecht gegenüber all jenen, die auch arbeiten bis zum Umfallen und trotzdem nicht vermögend werden können, weil es einfach in ihren Sparten nicht möglich ist. Wir können nicht sagen, dass Pflegekräfte nicht fleißig sind. Trotzdem werden sie sich vermutlich keine Villa leisten können. Genauso Erziehungskräfte. Oder Lehrkräfte.

Woran liegt das?

Mir erscheint es so, als ob manche Medien sehr ihrer Klientel nach dem Mund reden. Ohne jemanden bewerten zu wollen, aber vor allem Focus, Spiegel oder Handelsblatt formulieren häufig sehr freundlich gegenüber Vermögenden und befeuern dieses Narrativ – zum Beispiel, dass höhere Steuern den Mittelstand schädigen würden. Anstatt sich zu fragen: Ist es eigentlich gerecht, dass wenige Menschen so ein Vermögen halten? Da fehlt mir das Aufgreifen der großen Fragestellung. Der Status quo wird da sehr positiv dargestellt. Da steckt auch dieses Wachstumsnarrativ dahinter: „Wenn die Wirtschaft wächst, dann ist alles gut.“ Aber das ist nicht mehr so. Das können wir uns nicht mehr leisten angesichts der ökologischen Krise.

Wenn Sie in Lokalzeitungen schauen: Wie könnten sie die Berichterstattung ausgewogener machen? Öfter mit Vermögenden sprechen?

Ich glaube, viele Vermögende wollen gar nicht ins Gespräch kommen. Das ist wieder ein anderes Problem, dass wir Vermögenden ganz gern in unserer Blase bleiben. Wenn über uns nichts bekannt ist, dann kann man uns auch nicht zur Rechenschaft ziehen oder darauf ansprechen. Vielleicht könnte man mal mit den Menschen sprechen, die in Initiativen tätig sind, die sich seit Jahren für mehr Steuergerechtigkeit engagieren. Zeitungen könnten darüber berichten, dass zum Beispiel eine Vermögensteuer eine Möglichkeit ist, um die Ersatzhaushalte und die zusätzlichen Kosten, die wir im Moment haben, aufzufangen. Oft sind die Artikel zudem sehr emotional belastet, und das lenkt das Thema in eine gewisse Richtung. Da wäre es wichtig, wirklich die Fakten darzustellen. Ich wünsche mir eine sachliche Berichterstattung, damit sich die Leser selbst ein Bild machen können.

Screenshot/Instagram: @taxmenow
Der Verein Taxmenow bei Instagram. Screenshot/Instagram: @taxmenow

Über Geld redet man in Deutschland bekanntlich nicht gern. Spüren Sie das auch in der öffentlichen Debatte?

Ja. Vor allem wird nicht angesprochen, was daran hängt: Wer mehr Geld hat, der hat mehr Möglichkeiten, der kann sich politisch besser engagieren, der findet auch Zugang zu exklusiven Kreisen, er kann sich bessere Bildung leisten. Das ist ein Thema, das verschwiegen wird. Ich glaube, ein Ungleichheitsforscher hat einmal gesagt: Wir wissen über die Ärmsten der Armen in unserem Land besser Bescheid als über die Reichsten. Das ist auch zu Teilen auf Betreiben der Vermögenden passiert. Da darf man gerne ein Licht darauf richten.

Warum entscheiden Sie sich dafür, den Staat in die Pflicht zu nehmen, warum verteilen Sie Ihr Vermögen nicht selbst, etwa über Spenden?

Weil das nichts am Status quo ändert. Damit wäre es weiterhin so, dass ich als Einzelperson meine Macht ausnutze und entscheide, wohin das Geld geht. Es gibt viele Projekte, die sind nicht attraktiv: Niemand fördert eine bessere öffentliche Müllentsorgung oder das Überholen einer Grundwasserleitung. Wir wollen, dass es zurückgeht in die Hand von vielen. Dann hat jeder die Möglichkeit, über demokratische Prozesse teilzuhaben. Ich denke nicht, dass wir die Lösung von sozialen Problemen, die alle betreffen, dem Gutdünken von einigen wenigen überlassen sollten. Bis sich die Steuergesetzgebung entsprechend ändert, verteile ich mein Vermögen dennoch in Zusammenarbeit mit Betroffenen und Initiativen um.

Wie viele Vermögende denken wie Sie?

56 Millionäre bei taxmenow haben den Appell unterschrieben, etwa 1,5 Millionen Millionäre gibt es in Deutschland. Wir sind ein Tropfen im Ozean. Wir versuchen, eine breite Diskussion anzustoßen. Wenn wir es schaffen, einen Teil der anderen 79 Millionen Bundesbürger, die keine Millionäre sind, anzusprechen, damit sie das Thema bei der nächsten Wahl im Hinterkopf haben, dann können wir was bewegen.

Interview: KATHARINA DODEL

Hier gibt es Links zum Thema:
Zur Seite von Tax me now
Zur Seite von Millionaires for Humanity

Stefanie Bremer

ist Millionärin. Öffentlich tritt sie unter einem Pseudonym auf. Sie setzt sich für mehr Steuergerechtigkeit ein und fordert die Besteuerung von reichen Menschen.

E-Mail info@millionairesforhumanity.org

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