Interview

Akustischer Abendbrottisch

von

Der Mutmacher-Podcast. (Screenshot: Morgenpost)
Der Mutmacher-Podcast. (Screenshot: Morgenpost)

Zusammenleben auf engem Raum, weniger Bewegung, kein Treffen mit Freunden. Da kann die Laune schnell schlechter werden. Um dem etwas entgegenzusetzen, hat die Berliner Morgenpost den Mutmach-Podcast „Wir gegen Corona“ gestartet. Journalist und Autor Hajo Schumacher tauscht sich darin regelmäßig mit seiner Frau Suse über Alltägliches und Privates aus.

Herr Schumacher, der Podcast heißt Mutmach-Podcast. Sie sprechen über Dinge, für die Sie dankbar sind, die Ihnen positiv aufgefallen sind. Wie entstand die Idee dazu?

Meine Frau Suse ist Psychologin mit dem Schwerpunkt auf Positiver Psychologie, und ich bin Journalist. Von diesen beiden Perspektiven aus hadern wir schon länger damit, dass Negativismus und Konflikt die vorherrschenden Nachrichtenfaktoren sind. Ich halte sehr viel von der Idee des konstruktiven Journalismus, die auf den dänischen Kollegen Ulrik Haagerup zurückgeht. Es geht überhaupt nicht darum, Negatives zu verschweigen oder Kritik zu unterlassen, sondern eher darum, die Lesenden, Hörenden, Zuschauenden nicht mit ihrer Angst, Wut oder Mauligkeit alleinzulassen. Ich bin fest davon überzeugt, dass fortwährende bad news vor allem den zersetzenden Kräften der Gesellschaft dienen.

Per Klick aufs Bild gelangen Sie zur Seite der Morgenpost.
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Dann also mit guter Laune gegen Corona?

Als Corona aufkam, war mir sofort klar, dass es einen Überbietungswettbewerb an Untergangsgeraune geben würde, von „Flächenbrand“ bis „Super-Gau“. Hinzu kommt der unselige Mechanismus der sozialen Medien, vor allem den Dreck, die Verschwörungstheorien, all das Menschenfeindliche zu verbreiten. Facebook macht Milliarden mit dem Versprühen von Gift, das wir traditionellen Journalisten wieder neutralisieren dürfen. In dieser permanenten Katastrophenstimmung suchen viele Menschen Orientierung und Halt, einfache Tipps, wie man etwa mit Konflikten daheim umgeht und das Gefühl: Ich bin nicht allein mit meinen Ängsten und Widersprüchen. Deswegen „Mutmach"-Podcast, deswegen „Wir“.

War es für Sie und Ihre Frau gleich klar, dass sie beide das gemeinsam machen werden?

Wir arbeiten schon länger zusammen, weil wir uns gut ergänzen: laut/leise, Mann/Frau, forsch/behutsam, Medienlurch/Coachin – wir bieten ein spannendes Bündel an Energien. Letztes Jahr haben wir gemeinsam einen Vier-Tages-Workshop für Führungskräfte gegeben, wo es um behutsame Selbststeuerung, Widerstände, Stärken und Ressourcen ging. Wir beide waren vom Erfolg selbst überrascht. Das hätten wir uns gar nicht zugetraut. Gemeinsame Projekte halten eine Beziehung frisch. In der Krise bietet so ein Podcast zudem viel Sinnstiftendes und gibt jedem neuen Tag einen gewissen Halt. Als Home Office-erfahrene Selbständige und als Eltern, als Asthma-Patientin und Krisenbegleiterin hat Suse zudem einen sehr besonderen Blick auf Corona.

Sie erwähnen es in Folge 4 des Podcasts: Gerade lernen wir viel Neues. Wir lernen nicht nur, wie gut oder schlecht wir im Social Distancen sind, sondern auch wie man aus dem Wohnzimmer streamt, wie man sozial bleibt, ohne physisch anwesend zu sein. Wie war das bei Ihnen? Wie lange hat es gedauert, bis sie den Podcast starten konnten?

Ich habe einfach irres Glück gehabt. Zunächst mit der Berliner Morgenpost, der großartigen Chefredakteurin Christine Richter und einem Kreis wunderbarer Kollegen: Alles ging so unfassbar schnell und kooperativ. In der Krise merken wir Freie sofort, auf wen wir uns verlassen können – und auf wen nicht. Für die Brost-Stiftung in Essen habe ich zudem die vergangenen eineinhalb Jahre das Projekt „Netzentdecker“ gemacht: Ein älterer Herr, der mit Schreibmaschine und Videokassette groß geworden ist, erkundet durchaus beklommen und vorurteilsbeladen dieses Digitale. Dabei ist mir klar geworden, wie dringend ich als Freier meine Kanäle erweitern muss. Geschriebener Text allein ist nicht zukunftsfest. Spätestens seit Rezo weiß selbst der arroganteste Leitartikler, dass unsere gelernten Formate in die Jahre gekommen sind.

Also haben Sie sich als „Netzentdecker“ weiter fortgebildet?

So habe ich viele große und kleine Praktika bei jüngeren Kollegen gemacht, mal in Essen bei Christian, mal in Iserlohn bei Kevin, mal in Dortmund bei Jascha und Anika. Danke an all meine sehr geduldigen Ausbildenden. Zugleich habe ich mir ein kleines, aber funktionsfähiges Studio ins Arbeitszimmer gebaut. Insofern waren wir in Quarantäne sofort sendefähig. Auch wenn ich, wie wohl hörbar ist, noch lange kein Tonmeister bin, wirkt der Reiz des neuen Kanals gerade in der Krise beflügelnd, vor allem, wenn das Konzept auch noch von den Zuhörenden mit vielen Komplimenten bedacht wird.

Sie erzählen einige private Dinge im Podcast: von den Nachbarn, die die Toilette reparieren, vom Besuch im Garten mit der Familie, vom eigenen Alltag. Reden Sie frei heraus oder gibt es eine Gesprächsliste, der Sie folgen?

Beides. Die Tipps und Übungen meiner Frau, etwa zum Umgang mit negativen Gefühlen und Streitereien, besprechen wir vorher. Aber der Austausch findet so unvorbereitet wie möglich statt. Wir versuchen eher, uns mit ungewöhnlichen Themen oder Gedanken zu überraschen, etwa der unmoralischen Frage des Tages wie: „Darf ich jetzt Aktien kaufen?". Neulich habe ich meine Frau zum Beispiel darum gebeten, meine zeitweiligen Überforderungsgefühle zu betrachten und mir Rat zum Umgang damit zu geben. Da war sie etwas überrascht. So entstehen immer wieder echte Live-Situationen.

Gibt es dennoch etwas zu beachten?

Grundregeln: So wenig schneiden, so wenig Firlefanz wie möglich. Zugleich erhalten wir, quasi als Learning für die Nach-Corona-Zeit, eine Druckbetankung an digitaler Fortbildung: Ich moderiere morgens via Zoom, unser Sohn lernt via Slack, meine Frau coacht über Skype. Was wir immer schon mal lernen wollten – jetzt müssen wir. Und das ist auch gut so.

Hätten Sie einen Tipp für Lokaljournalisten, die ein ähnliches Podcastformat starten möchten?

Am Wichtigsten erscheint mir der Rollenwechsel: Runter vom hohen Roß des zeigefingerschwingenden Alles-Checkers, stattdessen Mut zum, oft auch widersprüchlichen, Gefühlezeigen, die Kraft aufbringen, nicht jede Frage beantworten zu können, Identifizierung schaffen durch Alltagsprobleme, Hörende einbinden, Zuschriften beantworten und niemals davon ausgehen, dass das Kanzleramt mithört. Denn dann kriegt man automatisch diesen staatstragenden Sound, der meistens Podcast-Gift ist. Wir stellen uns immer einen Abendbrottisch mit Freunden vor. Da kommt der richtige Ton von ganz allein.

Hier geht es zum Podcast.

Suse und Hajo Schumacher

nehmen für die Morgenpost den Podcast „Wir gegen Corona“ auf. Hajo Schumacher ist Journalist, Buchautor und Moderator. Suse Schumacher ist unter anderem Psychologin mit dem Schwerpunkt auf Positiver Psychologie. (Foto: Maurizio Gambarini)

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Kommentare

Kommentar von Victoria Schröder |

Hallo,

ich bin begeisterte Hörerin Eures Podcasts!
Vielen Dank für die interessanten Themengebiete, die gelegentlich nachdenklich stimmen.
Mein einziger Punkt ist die Frage, ob sich die einzelnen Sendungen ein wenig abkürzen lassen, da ich recht 'eingespannt' bin.

Liebe Grüße

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