Interview

„Psychische Krankheiten stärker thematisieren“

von

Wie geht es den Schülerinnen und Schülern nach zwei Jahren Pandemie? Das hat sich der Standard aus Wien gefragt. Die Journalistin Sarah Maria Kirchmayer hat sich in einer Mittelschule selbst ein Bild gemacht und eine Reportage darüber geschrieben.

Frau Kirchmayer, wie kamen Sie auf die Idee zu dieser Reportage?

Ich habe bei meiner kleinen Schwester, die 18 Jahre alt ist, bemerkt, welch großen Einfluss die Corona-Pandemie allgemein und die Maßnahmen an der Schule im Speziellen auf ihre Psyche hatten. Weiters habe ich mitbekommen, dass die psychische Gesundheit von jungen Menschen in den letzten Jahren allgemein sehr in Mitleidenschaft gezogen wurde, deshalb habe ich mich – auch journalistisch – mehrfach mit der Thematik beschäftigt. Mit der Reportage wollte ich herausfinden, wie die Stimmungslage an der Schule ist – bei den Kindern angefangen bis hin zu den Jugendlichen.

Wie sind Sie vorgegangen?

Von meinen erfahreneren Kolleginnen und Kollegen in der Standard-Redaktion habe ich den Hinweis auf die betreffende Schule bekommen. Ich fand sie gleich interessant, weil sie einen so hohen Anteil an Schülerinnen und Schülern mit Migrationshintergrund hat – und trotzdem, im Gegenteil zur bedauerlichen Annahme vieler – extrem floriert. Daraufhin habe ich die Kontaktdaten der Direktorin recherchiert und sowohl bei ihr als auch im Bildungsministerium angefragt, ob ich eine Reportage in dieser Schule machen kann. Prinzipiell war das nicht sehr schwierig, zu erwähnen ist nur die kleine „Hürde“ Bildungsdirektion, bei der man in Österreich immer anfragen muss, wenn man einen journalistischen Text über eine Schule schreiben oder etwas journalistisch recherchieren möchte, das mit einer Schule zu tun hat.

Wie lange hat die Recherche gedauert?

Die Recherche selbst war ein Aufwand von einer bis zwei Stunden. Ich habe Studien herausgesucht, die sich mit der psychischen Gesundheit von Schülerinnen und Schülern seit und während der Pandemie auseinandergesetzt haben, und ich habe Berichte und Artikel über die Schule gelesen. Danach habe ich mir Fragen überlegt, sowohl für die Direktorin als auch für die Schülerinnen und Schüler.

Wie erfolgte die Umsetzung?

Ich habe insgesamt einen Vormittag in der Schule verbracht. Zuerst habe ich mich mit der Direktorin ausführlich unterhalten und das Gespräch aufgezeichnet. Danach konnte ich ein glücklicherweise ein Projekt der Schule live miterleben, was mir einen sehr guten Einblick in das allgemeine Klima und den Umgang der Schülerinnen und Schüler untereinander und mit den Lehrkräften gab. Nachfolgend habe ich mich dann – auch wieder sehr ausführlich – mit Schülerinnen und Schülern unterhalten. Es war ein Kind aus jeder Schulstufe erschienen, um mit mir zu sprechen. Wir haben uns in einen Sitzkreis gesetzt und ein bisschen geplaudert, könnte man sagen. Beteiligt war auch die Fotoredaktion. Heribert Corn hat die Bilder für den Artikel gemacht.

Gab es irgendwelche Schwierigkeiten?

Eigentlich kann ich das nicht sagen. Die Kinder bzw.Jugendlichen waren sehr freundlich, aufmerksam und haben ihre Gefühle und Ansichten gerne mit mir geteilt – zumindest war das mein Eindruck. Dasselbe gilt für die Direktorin.

Wie waren die Reaktionen der Leser?

Ich habe sehr viele positive Rückmeldungen bekommen, einige Leser haben sich besorgt um ihre Kinder gezeigt. Es wurde auch angemerkt, dass die Politik die Kinder im Pandemiemanagement besser hätte berücksichtigen müssen. Es gab Personen, die geschrieben haben, dass es auch anderen Personengruppen aufgrund der Pandemie sehr schlecht geht und dass man das in den Fokus rücken müsste. So zum Beispiel alleinerziehende Eltern. Insgesamt würde ich aber sagen, ich habe konstruktives, überwiegend positives Feedback bekommen.

Planen Sie, an dem Thema dran zu bleiben?

Ja, auf jeden Fall. Ich arbeite derzeit zwar für ein anderes Medium, aber dass mich das Thema interessiert, ja, bewegt, hat sich nicht verändert. Ich denke, dass die psychische Belastung von Kindern und Jugendlichen während der Corona-Pandemie noch langfristige Auswirkungen haben wird. Außerdem finde ich auch, dass psychische Gesundheit, psychische Krankheiten und Behandlungsmöglichkeiten viel stärker thematisiert und entstigmatisiert werden müssen. Das geschieht im Journalismus zurzeit auch, diese Entwicklung finde ich gut. Wo das Thema noch nicht ganz angekommen zu sein scheint, ist eben der Regionaljournalismus, in dem ich auch jetzt weiterhin noch tätig bin. Da gibt es Nachholbedarf – und den würde ich gerne vorantreiben.

Hier geht's zum Artikel.

Sarah Maria Kirchmayer

war Mitarbeiterin beim Standard und ist jetzt Redakteurin der Kleinen Zeitung in Voitsberg. E-Mail: sa.kirchmayer@gmail.com

(Foto: Eric Merkus)

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