Interview

„Schluss mit der Selbstdemontage"

von

Courage statt Untergangsstimmung. Auf dem 21. Forum Lokaljournalismus in Hamburg forderte Giovanni di Lorenzo, Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit, in einer leidenschaftlichen Rede mehr Selbstbewusstsein von seinen Zeitungskollegen. Der drehscheibe beantwortete er am Rande der Veranstaltung sieben Fragen.

Mehr zum 21. Forum Lokaljournalismus gibt es auf dem Blog www.drehscheibe.org/weblog

Welche Geschichte aus einem Hamburger Lokalteil hat Ihnen zuletzt am besten gefallen?

Ich habe den Kollegen des Hamburger Abendblatts beneidet, der als Erster über den geplanten Führungswechsel beim Spiegel und bei Spiegel Online berichten konnte.

Studien wiederholen sich immer wieder bei dem Ergebnis, dass die Deutschen ihrer Lokalzeitung das meiste Vertrauen schenken. Wie stark ist Ihr persönliches Vertrauen in den Lokalteil deutscher Blätter?

Ich bin da keine Ausnahme von der Regel und lese jeden Tag eine Lokalzeitung. Deshalb empfinde ich es auch als besonders schmerzhaft, wenn langjährige Abonnenten mit einer Zeitung brechen.

Müssten Verlage noch mehr Ressourcen in die Arbeit der Lokalredaktionen fließen lassen?

Das weitere Ausdünnen von Print-Lokalredaktionen würde die Misere vieler Lokalzeitungen jedenfalls noch verstärken und nicht aufhalten.

Was sind für Sie die größten Versäumnisse von Journalisten?

Zum einen, dass sie sehr schnell auf Rankings und plakative Geschichten anspringen. Dass sie versuchen, Dinge sehr einfach abzubilden, die komplex sind. Und dass sie oft keine qualitative Analyse machen. Zum anderen stellen sie zu wenig dar, dass am Ende oft die persönliche Empathie gegenüber einem Kandidaten entscheidet. Man sollte mehr den Menschen persönlich darstellen. Oder auch mal zeigen, wie die Leute miteinander diskutieren. Zum Beispiel sich die Facebookseiten der Politiker anschauen und die Diskussion mit den Leuten dort abbilden. Das fände ich spannend.

Die Zeit hat der Lage der Zeitungslandschaft Ende 2012 ein großes Themenspecial gewidmet. Im Leitartikel fordern sie ein „Ende der Selbstdemontage“. Was genau meinen Sie damit?

Die Lust, unseren eigenen Untergang zu beschwören, das verantwortungslose Gerede selbst von einigen Verlegern und Geschäftsführern, dass Online das alleinseligmachende Zukunftsmedium sei. Und das, obwohl bislang völlig offen ist, wie die digitalen Medien sich jemals vernünftig monetarisieren lassen.

Es heißt, die Lokalzeitung solle magaziniger werden, um neue und jüngere Leser anzusprechen. Was halten Sie davon als Magazinmacher?

Es bringt nichts, mit der Wurst nach dem Schinken zu werfen. Jede Veränderung, die man vornimmt, muss so dosiert sein, dass sich die angestammten Leser nicht überflüssig vorkommen. Deshalb funktionieren radikale Kurswechsel von Zeitungen in der Regel nicht.

Wie können sich Journalisten auf die Herausforderungen an ihren Beruf einstellen?

Einsteiger sollten jede Menge Praktika absolvieren, gelernte Print-Redakteure ruhig in Online-Redaktionen hospitieren.

Die Zeit hat gerade wieder einen neuen Auflagenrekord vermeldet. Welchen Tipp hätten Sie für die Kollegen aus dem Lokalen?

Es gibt kein Rezept und keine eindimensionale Begründung, sondern ein ganzes Bündel von Ursachen. Aber eines war vielleicht ganz wichtig für uns: Wir haben uns, als es der Zeit um die Jahrtausendwende richtig schlecht ging, nicht entmutigen lassen von den vielen Medienexperten, die uns ohrenbetäubend das Totenglöcklein geläutet haben. Aber wir haben sehr wohl jede Menge liebgewonnene Gewohnheiten über Bord werfen und uns unter Schmerzen verändern müssen.

Interview: Andreas Pankratz

Giovanni di Lorenzo

... ist Chefredakteur der Wochenzeitung Die Zeit und Mitherausgeber des Tagesspiegels.

Tel.: 040 3280-0
Web: Zeit.de

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