Wenn das Rathaus dicht macht
von Katharina Dodel
Es ist nicht leicht, über Rechtspopulisten zu berichten, das haben nicht zuletzt die Vorfälle am Rande einer Pegida-Demonstration in Dresden gezeigt, wo ein ZDF-Team von Polizisten und einem LKA-Mitarbeiter in seiner Arbeit behindert wurde. In Burladingen ist es gleich der Bürgermeister selbst, der die Berichterstattung unterbinden will. Eine Reporterin des Schwarzwälder Boten wird vom AfD-Bürgermeister öffentlich angegriffen und bekommt Hausverbot. Wie sie damit umgeht, erzählt sie im drehscheibe-Interview.
Frau Raphtel-Kieser, seit fast 20 Jahren ist Harry Ebert Bürgermeister in
Burladingen. Erst war er parteilos, dann machte er bundesweit Schlagzeilen, weil er im März 2018 als erster Bürgermeister Süddeutschlands in die AfD eingetreten ist. Kam das überraschend?
Überraschend war das in Burladingen für niemanden mehr. Schon vor der Landtagswahl in Baden-Württemberg hatte er sich auf seinem Facebook-Profil und im Amtsblatt eindeutig zu den Positionen der Rechtspopulisten bekannt, ihre Slogans und flüchtlingsfeindlichen Äußerungen geteilt, Frauke Petry geliked und „Merkel muss weg“ gepostet. Außerdem hat er im Bundestagswahlkampf die AfD-Veranstaltung besucht und sich auch mehrfach den Gemeinderäten gegenüber eindeutig geäußert.
Haben Sie das aufgegriffen?
Ja. Dass wir über die Inhalte seines Profils berichtet haben, hat er zum Anlass genommen, mir eine verärgerte Mail zu schreiben und danach keinerlei Auskünfte auf Anfragen mehr zu geben.
Im März wurde sein Parteibeitritt bekannt. Wie berichtete der Schwarzwälder Bote darüber?
Ganz sachlich und ohne Kommentierung.
Und wie reagierten die Leser?
Es begann eine Leserbriefdiskussion darüber, ob jemand, der sich als Parteiloser zur Wiederwahl stellt und dann einen solchen Schritt tut, im Amt bleiben kann.
Viel Wirbel also um den Bürgermeister. Was sagte er selbst dazu?
Er hat im Dezember 2017 den Leiter der Lokalredaktion aufgefordert, mich von der Berichterstattung aus dem Burladinger Gemeinderat abzuziehen, andernfalls werde er ein Hausverbot aussprechen, Zuwiderhandlungen strafrechtlich ahnden lassen. Ebert reagiert auch immer mal wieder in öffentlichen Sitzungen mit Beschimpfungen der Lokalpresse und greift mich verbal auch persönlich an. Das und diverse Shitstorms im Internet nach meinen Artikeln und Kommentaren gehören nun schon seit fast drei Jahren zu meinem Berufsalltag.
Wie geht die Zeitung damit um?
Der Schwarzwälder Bote hat an seiner Berichterstattung festgehalten, auf das Hausverbot hin dann seine Juristen eingeschaltet.
Und Sie ganz persönlich?
Ich selbst habe das Hausverbot einfach ignoriert. Es war ja auch evident rechtswidrig, denn es hätte für alle städtischen Gebäude gegolten, mit Ausnahme öffentlicher Veranstaltungen.
Das heißt: keine Reportagen mehr über das Schwimmtraining der Kinder im Hallenbad.
Unmöglich – das Hallenbad ist ein städtisches Gebäude. Besuch der Hauptversammlung des Fördervereins Jugendmusikschule? Ausgeschlossen, denn die tagten in der Jugendmusikschule – die der Stadt gehört. Da wären viele ehrenamtlich engagierte Bürger betroffen gewesen. Denen kann ich doch nicht sagen: Sorry, ich darf nicht kommen, weil Ihr Bürgermeister das Gesetz nicht kennt. Also bin ich überall hingegangen – wie gehabt. Und mal ehrlich: Den Ordnungshüter hätte ich sehen wollen, der mich da herauskomplimentiert oder gar strafrechtlich verfolgt.
Ist der Rechtsstreit bereits ausgefochten?
Das Hausverbot musste Ebert zurücknehmen. Auch den Artikel aus dem Amtsblatt musste er im Netz entfernen. Dort hatte er Kommentare veröffentlicht, die sich gegen den Schwarzwälder Boten richteten. Auskünfte, zu denen er laut Landespressegesetz verpflichtet wäre, erteilt er aber immer noch nicht. Ich vermute mal, die Sache ist nicht ausgestanden. Pikant am Rande: Ich wurde von Gemeinderäten angesprochen, nachdem unsere Zeitung über das Hausverbot berichtet hatte: „Wir hatten keine Ahnung“, hieß es da.
Und wie reagierten die Gemeinderäte Ebert gegenüber?
Was das Thema Hausverbot angeht, wurde er rechgelrecht von ihnen gegrillt. Der Gemeinderat hat zudem die Hauptsatzung geändert und Ebert darf jetzt ohne das Gremium keine Anwälte mehr beschäftigen und hat nur noch ganz kleine Verfügungsmassen (Ausnahme: laufende und vom Gemeinderat genehmigte Bauten oder Sanierungen).
Populistische Äußerungen im Amtsblatt, Auskunftsverweigerungen und öffentliche Anfeindungen: Erklären Sie Ihren Lesern, was da vor sich geht?
Ja, wir fügen des Öfteren Artikeln den Zusatz bei, dass bis Redaktionsschluss keine Auskunft aus dem Rathaus zu bekommen war. Und auch über das Hausverbot und anwaltliche Auseinandersetzungen haben wir berichtet. Kommentare und Glossen gibt es noch genauso häufig wie früher. Und die Formulierungen darin wurden schon immer sorgfältig abgewogen. Die Redaktion der Zeitung steht klar hinter mir.
Welchen Tipp haben Sie für andere Lokalredakteure: Worauf ist im Umgang mit Populisten zu achten?
Wichtig ist, in der Berichterstattung immer seriös zu bleiben und auch die Rechte einzufordern, die Pressegesetze uns Journalisten einräumen. Das geht aber nur, wenn Verlage im Zweifel notfalls auch den Rechtsweg beschreiten. Außerdem sollten Verstöße öffentlich gemacht werden. Ich bin sehr froh, dass der Schwarzwälder Bote sich da so eindeutig für Presse- und Informationsfreiheit positioniert. Meiner Meinung nach eine Haltung mit bundesweiter Signalwirkung.
Interview: Katharina Dodel
Zum Nachlesen
Alle Artikel über den Streit mit und um Harry Ebert sind auf der Internetseite des Schwarzwälder Boten nachzulesen.
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