Interview

„Wir brauchen die Jungen“

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(Foto: AdobeStock/deagreez)
(Foto: AdobeStock/deagreez)

Immer weniger junge Menschen bewerben sich um ein Volontariat im Lokalen. Heike Groll benennt mögliche Gründe und erklärt, wie die Volksstimme versucht, attraktiver zu werden für die Generation Z.

Frau Groll, wenn Sie an Ihr eigenes Volontariat denken: Wo liegen die größten Unterschiede zur heutigen Ausbildung?

Ich habe in Dortmund Journalistik studiert, dazu gehörte nur ein einjähriges Volontariat statt der üblichen zwei Jahre. Grundsätzlich lief das aber ähnlich ab: Wir wurden ins kalte Wasser geworfen, mussten losstrampeln und darauf hoffen, dass erfahrene Kollegen einem an den entscheidenden Stellen Hinweise geben. Was sie auch getan haben. Das hat sich heute nicht grundlegend geändert. Wir kommunizieren jedoch sehr viel mehr mit den Volos. Und wir versuchen, Themen, die in der Branche wichtig werden, wie etwa KI, möglichst zeitnah in die Ausbildung aufzunehmen.

Und dazu ist heute alles schnelllebiger als damals.

Ja, allein in den vergangenen fünf Jahren hat der Wandel in der Branche unglaublich an Fahrt aufgenommen. Was wir unseren Volos heute vermitteln, wird nur in Teilen auch in fünf Jahren noch Bestand haben. Wir können uns nicht auf einem Standard ausruhen und sagen, wenn ich das im Volontariat lerne, bin ich gerüstet bis zum Ende meines Berufslebens.

Der heutige Nachwuchs entstammt einer Generation, die kaum noch Lokalzeitungen liest. Wie sehr sind die jungen Leute, die bei Ihnen anfangen, mit der Arbeit im Lokalen vertraut?

Das kann man nicht pauschalisieren. Die Generation Z ist genauso unterschiedlich wie alle Generationen vorher auch. Es gibt die total Engagierten, die am liebsten jede Ecke des Verbreitungsgebiets persönlich kennenlernen möchten. Und dann gibt es andere, die sagen: „Ja, das Lokale ist wichtig, aber für uns sind halt Politik, Kultur oder internationale Vorgänge viel interessanter.“ Dass die gar kein Interesse am Lokaljournalismus haben, kann ich persönlich nicht bestätigen. Das liegt aber vielleicht auch daran, dass wir eben lokaljournalistische Volontariate anbieten. Wer sich bei uns bewirbt, der weiß, worauf er sich einlässt.

Wie profitieren Sie als Verlag von diesen jungen Menschen?

Zunächst brauchen wir die Jungen einfach, wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, ihre Generation mit ihren Themen und in ihrer Sprache zu erreichen. Was ich aber immer schon schwierig fand, war die Erwartungshaltung, dass man nur einen jungen Volontär in die Redaktion zu den Ü-50-Jährigen setzen muss und schon ändert sich ganz schnell etwas. Das ist eine Überforderung für alle Beteiligten. Ein wichtiges Benefit von jungen Leuten in der Redaktion ist vielmehr, dass es einen Austausch zwischen den Generationen gibt. Wir können nur gemeinsam ein gutes Produkt machen, das geht nicht ohne die Volos, das geht aber auch nicht ohne die erfahrenen Redakteurinnen und Redakteure. Durch den Austausch kommen sie auf andere Themen und Perspektiven, die jeder für sich alleine nicht gehabt hätte. Die Jungen gehen außerdem häufig noch etwas frischer und unbefangener ans Werk.

Die Kampagne „Volo werden“ der Volksstimme in Kooperation mit weiteren Medienhäusern.

Der Trend geht bei vielen Häusern dahin, in der Ausbildung mehr auf die individuellen Stärken der Bewerberinnen und Bewerber einzugehen. Wie sieht’s da bei Ihnen aus?

Wir versuchen erheblich stärker als in vorherigen Jahren, die Wünsche der Volos in der Ausbildung zu berücksichtigen. Wenn jemand sich etwa besonders für Digitales und Online interessiert, dann werden wir natürlich versuchen, dort auch einen Schwerpunkt im Volontariat zu setzen. Wenn jemand sagt: „Ich liebe Sport, das ist mein absoluter Traum“, dann versuchen wir, so was auch möglich zu machen. Wir bieten nicht von vornherein verschiedene Varianten von Volontariaten an, sondern schauen, was die jeweilige Person möchte und was sie auch schon kann. Dann versuchen wir, es im Redaktionsgefüge umzusetzen und zu begleiten und eben im Zweifelsfall auch neu auszurichten, wenn es nicht funktioniert.

Nun haben viele lokale Verlage leider große Probleme, überhaupt Kandidaten für das Volontariat zu finden. Wie ist die Situation bei der Volksstimme?

Wir konnten vergangenes Jahr pro vakanter Volostelle unter drei bis vier ernsthaft infrage kommenden Bewerbern auswählen. Vor zehn Jahren waren es noch mindestens doppelt so viele. Glücklicherweise konnten wir einige, die im vorigen Jahr nicht angenommen wurden, in diesem Jahrgang unterbringen. Wir lassen aber mittlerweile auch mal eine Stelle frei, wenn wir keine geeigneten Bewerberinnen oder Bewerber finden.

Was unternehmen Sie, um als Arbeitgeber wieder attraktiver für junge Menschen zu werden?

Wir haben gemeinsam mit sieben anderen Medienhäusern eine Social-Media-Kampagne mit dem Arbeitstitel „Volo werden“ angestoßen. Die steht jetzt kurz vor dem Launch, im Herbst kann es dann richtig losgehen. Sie soll den Beruf des Lokaljournalisten und das journalistische Volontariat bewerben. Davon erwarten wir uns einiges, weil wir ehrlicherweise in den sozialen Medien im Recruiting noch nicht so gut aufgestellt sind. Dort tummeln sich diejenigen, die wir haben wollen.

Herrscht bei den Jungen vielleicht auch ein falsches, altmodisches Bild vom Lokalen? In den meisten Verlagen wird ja mittlerweile sehr vielseitig und multimedial gearbeitet. Muss man diese Vorzüge noch mehr herausstellen, um junge Menschen anzulocken?

Absolut. Eine jetzige Volontärin hat mir etwa berichtet, dass sie in ihrem Bekanntenkreis erstaunlich oft erklären muss, was das Volontariat eigentlich ist. Manche können sich gar nichts darunter vorstellen. Aber es gibt noch ein anderes Problem: Wir haben als Branche ein ziemlich elitäres Image. Ich hätte es nie für möglich gehalten, dass man das mal über den Lokaljournalismus sagt, aber das öffentliche Bild ist so: Journalisten sind alle Akademiker, die kommen aus gutbürgerlichen Verhältnissen und schweben über den Dingen. Potenziell für uns hochinteressante Menschen lassen sich davon abschrecken. Ich habe da gerade auch die Arbeiterkinder im Blick, von denen wir viel zu wenige in unseren Redaktionen haben. Es wäre ein großer Erfolg, wenn wir in den nächsten Jahren mehr von ihnen ansprechen könnten.

Interview: Max Wiegand

Heike Groll

ist leitende Redakteurin in der Chefredaktion der Volksstimme und zuständig für Personalentwicklung und redaktionelles Projektmanagement. E-Mail: heike.groll@volksstimme.de

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