„Produkte für Kinder, die wir uns heute nicht vorstellen können“
von Stefan Wirner
Die jule : Initiative junge Leser GmbH ist ein Netzwerk und eine Wissensdatenbank zum Thema Kinder- und Jugendengagement von Zeitungen. Sie unterstützt ihre Mitgliedsverlage aus dem Bundesverband Deutscher Zeitungsverleger (BDZV) und befreundete Verlage im deutschsprachigen Ausland. Leiter des Wissensnetzwerks ist Thorsten Merkle. Die drehscheibe sprach mit ihm über neueste Tendenzen und Aktionen von Verlagen zum Thema Medienberichterstattung für Kinder.
Herr Merkle, die deutschen Verlage sind sehr aktiv, um Kinder als Leser zu gewinnen. Ob es nun Kinderseitenseiten sind, Aktionen mit Kinderreportern oder Projekte wie Zeitung in der Schule. Neuerdings geht man mit den Zeitungen sogar schon in die Kitas. Welche Potentiale haben solche Projekte?
Ich bin ein großer Befürworter dieser Projekte, wir haben seitens jule mehrfach solche Aktionen unterstützt. Sie bieten vielfältige Chancen. Zum Beispiel Zeitungen in der Kita. Zum einen können die Kinder damit ganz früh sensibilisiert werden für ein Medium, zu dem sie zu diesem Zeitpunkt noch einen völlig unverkrampften Zugang haben. Das habe ich selbst erlebt, als ich für einen großen Zeitungsverlag noch selbst Kita-Projekte betreut habe. Ich konnte beobachten, wie gut Kinder mit dem Medium Tageszeitung umgehen und wie sie davon profitieren. Und das auf ganze vielen Ebenen: motorisch, spielerisch, aber auch was die frühe Leseförderung betrifft, etwa wenn sie Buchstaben aus der Zeitung ausschneiden. Die Kinder werden damit medial geprägt und an das Gedruckte herangeführt. Das ist vergleichbar mit den Kinderbüchern, die ja bei den Kindern auch das Interesse am Medium Buch wecken.
Zum anderen kommt man bei diesen Projekten in Kontakt mit einer sehr attraktiven Zielgruppe, nämlich mit den jungen Eltern. Wenn man sie in solche Projekte gut einbindet, kann es gelingen, sie mit an die Zeitung heranzuführen. Erfahrungsgemäß gelingt das ganz gut, denn die Eltern sind, wenn sie kleine Kinder haben, doch noch näher dran an der Institution Kita als etwa später an der Schule. Die Zeitung kann so wieder ins Bewusstsein junger Familien gerückt werden.
Nützt dies auch der einzelnen Zeitungsmarke?
Sicherlich. Wenn sich eine Lokalzeitung engagiert und ein sinnvolles Kita-Projekt unterstützt und sie so den Markennamen in die Familie trägt, kann sie stark davon profitieren.
Wie interessant sind Kinder als Leser? Gibt es dafür einen Markt?
Ich hoffe es. Wir müssen zum einen konstatieren, dass es im Bereich Zeitschriften bereits ein großes Angebot für Kinder gibt. Auch Zeitungsverlage sollten sich um diese Zielgruppe bemühen, aber mit dem, was sie bieten können: mit Nachrichten, mit lokaler und regionaler Berichterstattung, mit dem Herunterbrechen von Informationen für Kinder. Es gibt ja erfolgreiche Beispiele, die die drehscheibe dankenswerter in der Sonderausgabe aufgreift, etwa die Kleine Kinderzeitung aus Österreich – eine Kinderzeitung, die wöchentlich erscheint, und zwar im Abo-Modell, und die inzwischen 20.000 Abonnenten hat. Das ist ein überwältigender Erfolg.
Die Verlagsgruppe Rhein-Main hat inzwischen auch eine wöchentliche Abo-Zeitung für Kinder auf den Markt gebracht, sie erscheint seit Anfang Mai, und die ersten Rückmeldungen, die wir vom Verlag erhalten, sind sensationell. Also ich glaube schon, dass da ein Potential vorhanden ist, aber ich denke auch, dass man es mit guten und intelligenten Produkten bedienen muss.
Wie können Verlage jule konkret nützen?
Wir sind eine GmbH. Das heißt, man kann uns beitreten. Es gibt eine Preisstaffel, die sich nach der Auflagenhöhe der Zeitungen richtet, und dafür erhält man dann Zugriff auf alle Information, die sich seit der Gründung im Herbst 2010 im jule-Netzwerk angesammelt haben, und die Beratungsleistungen des achtköpfigen jule-Teams. Wir sammeln zum einen Beispiele von Verlagen aus dem Bereich Junge Leser, da geht es um redaktionelle Ideen, Ideen fürs Marketing und Ideen für konkrete Projekte. Wir stellen diese Informationen gefiltert auf die Homepage und bereiten sie auf, sortieren sie und ordnen sie ein. Wir versuchen, unsere Mitglieder dafür zu sensibilisieren, was es in diesem Bereich gibt und was man tun kann.
Zum anderen wollen wir die Verlage in die Lage versetzen, mit diesen Informationen umzugehen. Für den Bereich Kinder und Medien fehlen ja in den Häusern zum Teil noch immer personelle Ressourcen. Also versuchen wir, die Dinge so aufzubereiten, dass die Verlage in der Lage sind, sie auch umzusetzen. Darüber hinaus vernetzten wir die Verlage und bringen sie miteinander in Kontakt, wir veranstalten regelmäßige Workshops zu bestimmten Schwerpunkten und beobachten, wo ein Markt entsteht. Wir kümmern uns zum Beispiel auch um Werbeumsätze, um Möglichkeiten der Abo-Gewinnung und versuchen so, den Verlagen einen Nutzen und einen Mehrwert zu bieten.
Wie viele Verlage nutzen jule?
Knapp 70.
Haben Sie die Verlagsgruppe Rhein-Main auch in Sachen wöchentliche Kinderzeitung beraten?
Nicht explizit beraten, aber die Verlagsgruppe Rhein-Main ist ein Mitglied, das unser Netzwerk sehr intensiv nutzt. Das Thema Kinderzeitung beschäftigt uns schon geraume Zeit: Herr Hauser von der Kleinen Kinderzeitung aus Österreich hat zum Beispiel auf dem jule-Workshop im Herbst 2011 sehr detailliert darüber berichtet, was sein Verlag tut, damit die Kinderzeitung aus seinem Haus erfolgreich ist.
Wenn Sie zehn Jahre in die Zukunft blicken: Wo wird der Platz der Kinder in der Zeitung sein?
Es wird ganz selbstverständlich sein, für Kinder zu berichten und Nachrichten so aufzubereiten, dass Kinder sie verstehen. Ich würde keine Aussage darüber wagen, ob das unbedingt noch Print sein wird oder ob es sich um Apps und Online-Auftritte handeln wird – obwohl ich fest davon überzeugt bin, dass es in den jungen Zielgruppen nach wie vor eine Printaffinität gibt. Es ist nur die Frage, ob diese Affinität alleine ausreicht, zukünftig die notwendigen Deckungsbeiträge zu erwirtschaften. Es ist notwendig, über neue Produkte und neue Angebote für junge Leser auf allen Kanälen nachzudenken. Ich bin aber sehr zuversichtlich, dass wir viele Produkte für Kinder sehen werden, die wir uns heute noch gar nicht vorstellen können. Es könnte zum Beispiel spezielle Kinder-Apps geben, die auf Nachrichten basieren, aber auch spielerische Elemente enthalten. Apps für Kinder sind sehr beliebt bei Eltern, die Early Adopter sind und Smartphones und Tablets haben. Da wird einiges passieren, und es wird völlig normal sein, dass Zeitungen Kinder ernst nehmen als Konsumenten ihrer Ware – nämlich von Nachrichten.Erfahrung.
Hier geht's zur Homepage der Initiative junge Leser.
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