„Wir wollen nicht belehren, sondern diskutieren"
von drehscheibe-Redaktion
Die Konrad-Adenauer-Stiftung lobt für den Jahrgang 2013 erstmals auch einen „Sonderpreis für Volontärsprojekte“ aus. Für die drehscheibe ein Grund, einige Projekte kurz vorzustellen. Zweites Beispiel: Die Axel-Springer-Akademie. 18 Volontäre haben im Rahmen ihres Abschlussprojekts nachgeforscht, wer sich hinter dem viel diskutierten „Nichtwähler" verbirgt. Ihre Ergebnisse präsentieren sie auf der Seite Wahllos.de. Wir sprachen mit Christopher Clausen, einem der Volontäre.
Herr Clausen, wer hatte die Idee, sich detailliert mit den Nichtwählern zu befassen?
Das Thema wurde von der Akademie vorgegeben. Wir Volontäre haben dann die Schwerpunkte gesetzt und die Fragestellungen ausgearbeitet. Überall heißt es, die Zahl der Nichtwähler wächst. Wer sich hinter diesem diffusen Begriff verbirgt, wird allerdings kaum thematisiert. Das hat uns interessiert.
Und, wer verbirgt sich dahinter?
Nichtwähler sind keine homogene Masse. Es gibt unterschiedliche Gründe für Menschen, nicht zu wählen. Wir haben sie in vier Gruppen typologisiert: Der Abwägende, der Desinteressierte, der Verhinderte und der Enttäuschte. Dann haben wir uns dem Thema von verschiedenen Seiten genähert. Wir haben uns zum Beispiel in Altenheimen und Gefängnissen umgeschaut und gefragt, ob und wie dort gewählt wird. Eine Kollegin hat mit einem schwerbehinderten Mann gesprochen, dem die Wahlberechtigung entzogen wurde. Wir befassen uns aber auch mit Themen wie Online-Wahlen, Jungwählern oder der Frage, wie Deutsche im Ausland wählen. Wir versuchen auf der Seite, alle relevanten Aspekte zu dem hoch relevanten Thema abzudecken, und zwar multimedial.
Wie haben Sie und Ihre Kollegen die Nichtwähler ausfindig gemacht?
Dazu mussten wir mitunter sehr kreativ vorgehen. Wir haben zum Beispiel die Geburtsanzeigen durchgeschaut und mit Eltern, die bei den letzten Bundestagswahlen 2005 und 2009 ihre Kinder bekommen haben, gesprochen und sie gefragt, ob sie wählen waren oder nicht. Insgesamt mussten wir sehr viel recherchieren und telefonieren, denn das Problem ist: Nichtwählen ist in Deutschland ein Tabuthema. Viele Menschen sprechen nicht darüber. Und so war es manchmal eine große Herausforderung, die Informationen aus den Menschen heraus zu kitzeln.
Und wie schafft man das?
Wenn sie partout nicht wollten, dann wollten sie nicht. Aber es gibt auch sehr viele Menschen, die aus Prinzip nicht wählen und ganz klar dazu stehen. Menschen, die politisch interessiert und engagiert sind, aber mit dem bestehenden System nicht einverstanden sind. Das sind die Menschen, mit denen man am einfachsten ins Gespräch kommt.
Gibt es, abgesehen von den Nichtwählern, noch weitere Gesprächspartner?
Ja. Wir haben unterschiedlichste Statements gesammelt: Von Politikern wie Peer Steinbrück, Peter Altmaier und Gregor Gysi, über Komiker wie Ingo Appelt bis zu Kandidaten von „Germany’s Next Topmodel“. Es kommen aber auch Zukunftsforscher, Politikwissenschaftler und Vertreter der Zeugen Jehovas zu Wort.
Wer war an dem Projekt beteiligt und wie lange dauerte die Arbeit?
Unser Team besteht aus 18 Volontären. Hinzu kamen Dozenten, die uns inhaltlich beraten haben, Programmierer und Video-Coaches. Die Planung nahm etwa sechs Wochen in Anspruch. Das lief neben den Seminaren, also an den Abenden und Wochenenden. Die konkrete Produktion – also die detaillierte Recherche, das Drehen der Porträts und Schreiben der Texte – dauerte etwa zwei Wochen.
Was erwartet den Besucher auf der Seite?
Ein komplett crossmediales Projekt. Mit Videoporträts, Multimediareportagen, Bildergalerien, Audio-Slideshows, Grafiken. Und auch ganz neuen Ansätzen: Ein Highlight wird unser sogenanntes „Playbook“. Das funktioniert wie die Kinderbücher, bei denen man sich ein Tier selbst zusammenstellt, aus dem Kopf eines Löwen, dem Körper einer Giraffe und so weiter. So machen wir es mit den Nichtwählern. Es gibt die Kategorien Geschlecht, Alter, Bildung und Einkommen. Man baut sich eine Figur zusammen und erfährt dann, wie hoch die Wahrscheinlichkeit ist, dass eine Person mit diesen Eigenschaften wählt und welche Parteipräferenzen sie hätte.
Welche Rolle werden soziale Medien spielen?
Wir haben Facebook- und Twitter-Accounts und einen Tumblr-Blog, auf dem wir Fotos von den Dreharbeiten posten. Auf der Homepage www.wahllos.de werden auch Tweets anderer User mit dem Hashtag #wahllos eingebunden. Zum anderen wird es eine Unterseite „Debatten“ geben. Hier erscheinen nicht nur die schon erwähnten Statements, hier können User auch eigene Videos zum Thema Nichtwählen einstellen und kommentieren. Wir wollen die Menschen mit unserem Projekt nicht belehren, wir wollen mit ihnen diskutieren. Und so einen Monat vor der Wahl hoffentlich Erkenntnisse liefern, die zur Entscheidungsfindung „Wählen oder nicht“ beitragen.
Interview: Sascha Lübbe
Links:
Hier geht's zur Ausschreibung des Preises der Konrad-Adenauer-Stiftung.
ist Journalistenschüler an der Axel Springer Akademie.
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