„Wir wollten das Lokale nach vorne bringen“
von Stefan Wirner
Die Leine-Deister-Zeitung aus Gronau hat im Juli einen umfassenden Relaunch vollzogen. Die bedeutendste Umstellung besteht darin, dass das Lokale radikal nach vorne gestellt wurde. Mit Redaktionsleiter Florian Mosig sprachen wir über die Gründe für diesen Schritt.
Herr Mosig, können Sie uns in ein paar Worten schildern, was Sie bei Ihrem Relaunch verändert haben?
Wir hatten früher einen klassischen Zeitungsaufbau: Der überregionale Teil, den wir von der Kreiszeitung Syke beziehen, stand ganz vorne. Daran schloss sich die Lokalberichterstattung, aufgeteilt nach Kommunen, an. Wir erscheinen ja nur in drei Gemeinden hier in der Peripherie zwischen Hannover und Göttingen und haben ein Einzugsgebiet von rund 32.000 Einwohnern. Dementsprechend war unser zweites Buch nach Kommunen aufgebaut: Wir hatten einen Teil über Gronau, einen über Elze, einen für Nordstemmen und danach kommt alles, was darüber hinaus noch anfällt: Alfeld, Hildesheim usw. Das haben wir nun mit dem 1. Juli als Stichtag umgestellt, weil wir unseren Lokalteil nach vorne bringen wollten. Wir wollten mehr gemischte Seiten machen, was sich in der Planung als schwierig herausgestellt hat.
Inwiefern?
Vorher war es bei uns so, dass im Prinzip jeder Redakteur an seiner eigenen Seite gearbeitet hat. Da erübrigten sich sogar herkömmliche Redaktionssitzungen, man sprach sich nur kurz ab, wie viele Seiten jeder vorhat zu produzieren. Das ist nun anders, weil mehrere Kollegen gemeinsam an einzelnen Seiten arbeiten. Die Titelseite ist jetzt zum Beispiel ein bunter und lokaler Themenmix, hier wird auch mehr gewertet als vorher. Auch die Seite 2 hat sich grundlegend verändert. Hier findet nun mehr Persönliches statt, es wird mehr kommentiert. Wir haben oben links auf der Seite eine persönliche Rubrik eingeführt, ein Editorial. Darin geht es um persönliche Beobachtungen, manchmal handelt es sich auch um Glossen, um Denkanstöße.
Was findet sich noch auf der Seite?
Auf der Seite haben wir auch die Polizeimeldungen gebündelt, es gibt Terminankündigungen, Fundstücke, auch mal etwas Kulturelles. Manchmal bereitet unser dieser Mix auch Schwierigkeiten, weil die Kollegen ungern etwas an die Seite 2 abgeben, woran sie selber gerade für ihre eigene Seite arbeiten.
Auf Seite 3 haben Sie neuerdings immer eine lokale Reportage. Ist es schwer, diese Seite täglich zu bestücken?
Nein, das kriegen wir gut hin. Die Kollegin Kim Hüsing, die vorher den Bereich Nordstemmen bearbeitet hat, kümmert sich nun darum. Sie wollte die Seite übernehmen, weil sie gerne investigativ unterwegs ist. Nun fährt sie durch alle Kommunen, erhält Termine und Thementipps von der Redaktion und schreibt darüber ihre Geschichten. Das lässt sich relativ gut im Voraus planen. Als sie zwei Wochen in den Urlaub ging, hatte sie zum Beispiel zuvor einige zeitlose Geschichten vorbereitet. Und wenn jemand anderes etwas für die Seite schreibt, werden bei Kim Hüsing wieder Kapazitäten frei. Das ist unser Prinzip geworden: Es bearbeitet nicht mehr jeder nur sein eigenes Gebiet, sondern wir rotieren. Das klappt noch nicht hundertprozentig, weil jeder noch ein bisschen im alten Denken verhaftet ist – auch ich – aber es wird immer besser.
Was folgt nach der Seite 3?
Die Berichterstattung aus den einzelnen Orten.
Die große Politik kommt erst ab S.22. Wäre das nicht fast schon verzichtbar?
Wir sind stolz und froh, dass wir zur Ippen-Gruppe gehören und fühlen uns hier ein bisschen wie ein gallisches Dorf im Madsack-Land. Den Mantelteil beziehen wir aus Syke. Das kann manchmal Probleme bereiten, weil sich die Themen nicht passgenau auf uns zuschneiden lassen. Es lässt sich zum Beispiel gar nicht ganz vermeiden, dass die Kreiszeitung auf ihrer Niedersachsen-Seite Themen bringt, die wir im Lokalteil bereits bearbeitet haben. So kommt es gelegentlich zu Doubletten. Das spricht noch mehr dafür, unser Lokales zu stärken.
Wir hatten übrigens noch einen weiteren Grund für unseren Relaunch. Hier in der Gegend sind Bestrebungen im Gange, Gemeinden zu fusionieren. So wird unsere Gemeinde Gronau mit Duingen zusammengeschlossen, wo wir bisher gar nicht vertreten sind. Es könnte in einigen Jahren wegen der starken Abwanderung sogar noch zu größeren Fusionen kommen. Unsere kommunalen Seiten hätten also bald gar nicht mehr richtig funktioniert. Deshalb wollten wir uns jetzt schon darauf einstellen. Wir glauben, dass wir mit dem Relaunch die Zeitung für den ganzen Altkreis Alfeld werden können. Wir wollten also zum einen das Lokale nach vorne bringen, weil der Lokalteil unsere Stärke ist, zum anderen wollten wir uns wegen anstehender kommunaler Reformen besser aufstellen.
Wie haben die Leser die Umstellungen aufgenommen?
Wir haben viele positive Rückmeldungen erhalten, viele Leser haben gesagt, es sei eine Zeitung geworden, mit der man sich identifizieren kann, eine richtige Heimatzeitung. Allerdings haben sich einige ältere Leser beschwert. Manche klagten, sie fänden nichts wieder im Blatt, sie müssten länger lesen, früher hätten sie die Zeitungen in zwei Minuten durchgehabt, jetzt dauere es zehn, und wir hätten zu geballt den Sport in der Mitte. Tatsächlich haben wir ja den lokalen und den überregionalen Sport nach dem Lokalteil zusammengeführt. Außerdem gab es noch konstruktive Kritik an unserer neuen Seite 2, daran, dass hier das Konzept noch nicht klar erkennbar sei. Das stimmt auch zum Teil, an der Seite arbeiten wir noch.
Haben Sie auf diese Kritik reagiert und Nachbesserungen vorgenommen?
Nein, aber ich habe vielen Lesern unser Konzept erklärt, und viele haben es dann auch verstanden. Wir haben in den letzten sechs Wochen ganze zwei Abonnenten verloren, obwohl wir einschneidende Veränderungen vorgenommen und die Leser vor große Herausforderungen gestellt haben. Aber gerade, wenn man persönlich mit den Leuten spricht, ist das Feedback gut.
Haben Sie sich bei Ihrem Relaunch von externen Experten beraten lassen oder haben Sie das alles im Haus selbst erarbeitet?
Wir haben uns alles selbst ausgedacht. Einmal aber waren wir zu Besuch bei den Kollegen der Allgemeinen Zeitung in Uelzen, die schon seit mehreren Jahren ein ähnliches Konzept verfolgen. Da haben wir uns ein paar Anregungen geholt.
Haben Sie auch an Ihrem Online-Auftritt Änderungen vorgenommen?
Wir sind erst seit zweieinhalb Jahren richtig online, von daher haben wir an dem Auftritt jetzt nichts geändert.
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