Interview

„Wo ist der Ring am Finger?“

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Volontärin Lisa Sebald ist sich sicher: In ihrer Zukunft wird sie auch ohne Kinder glücklich. (Screenshot: Onetz)
Volontärin Lisa Sebald ist sich sicher: In ihrer Zukunft wird sie auch ohne Kinder glücklich. (Screenshot: Onetz)

Das eigene Lebensglück definiert jede Person anders: Für die einen mag es im materiellen Wohlstand liegen, für andere eher im immateriellen. In einer Kolumne von Onetz.de (Oberpfalz Medien aus Weiden, u.a. Der neue Tag) äußern junge Menschen ihre Meinung zu verschiedenen Themen, die sie bewegen. Als eine Volontärin in der Kolumne über ihre eigene Definition von Glück schreibt, sorgt sie damit für Furore. Wir haben mit ihr gesprochen.

Liebe Frau Sebald, mit einem Beitrag in der Kolumne „OTon“ haben Sie für rege Diskussionen gesorgt. Vielleicht zunächst die Frage: Was ist der OTon genau?

Der OTon ist eine Kolumne von jungen Redakteurinnen und Redakteuren, die im Prinzip über alle Themen schreiben, die sie beschäftigen. Die Themen, über die geschrieben werden, sind meistens auf die Person, die die Kolumne schreibt, zugeschnitten. Wenn ich einen OTon schreibe, dann beziehe ich den Text auf meinen Alltag und meine Persönlichkeit.

Welche Themen wurden in den OTönen bereits aufgegriffen?

Die Themen sind von Kolumne zu Kolumne unterschiedlich und breit gestreut. Ein Kollege hat eine Liebeserklärung an den Döner geschrieben, ich habe einen anderen Beitrag zum Mindesthaltbarkeitsdatum von Lebensmitteln geschrieben. Andere haben in ihrem OTon das Thema Trauer aufgegriffen oder darüber geschrieben, warum sie in ihrem Alter noch ein Stofftier haben.

Sie haben in Ihrem Beitrag über Ihre Definition von Glück geschrieben. Darin erklären Sie, warum Sie auf ein Leben mit Haus, Ehe und Kind gut verzichten können. Warum ist Ihnen dieses Thema für die Kolumne in den Sinn gekommen?

Ich lebe seit sieben Jahren in einer Partnerschaft, und die Nachfragen haben schon angefangen, als wir gerade erst zusammenkamen: Wann zieht ihr zusammen? Wann heiratet ihr? Wann kommt das erste Kind? Diese Nachfragen kamen vor allem von Müttern, von Schwiegermüttern, Bekannten oder Verwandten, die man seltener sieht. Da waren dann die ersten Fragen beim Wiedersehen: „Wo ist der Ring am Finger? Warum hast du noch keine Kinder? Es ist doch langsam mal Zeit, denk an deine biologische Uhr!“ Ich dachte mir dann: Jetzt darf ich einmal über alles schreiben und nutze die Kolumne als Ventil für meine Emotionen. Wenn ich einen Zeitungsartikel schreibe und ihn meiner Mutter und meiner Schwiegermutter zeige, vielleicht lassen sie mich dann wirklich in Ruhe.

Was denken Sie, warum haben Sie damit bei vielen Leserinnen und Lesern angeeckt?

Ich denke, für viele gehört ein Leben mit Haus und Kindern einfach dazu. Und viele schließen von sich auf andere. Sie sind der Meinung, dass man das braucht, um glücklich zu sein. Viele haben allerdings auch kommentiert: Es braucht mehr Frauen, die einfach mal sagen, dass Glück für sie bedeutet, einfach so zu leben, wie sie wollen und Freizeit zu haben. Ich glaube, es hat auch aus dem Grund angeeckt, weil viele zwischen den Zeilen lesen und daraus den Irrtum ziehen: „Oh, sie mag keine Kinder und generell jede Person, die Kinder hat“. Ich glaube, das war bei dem Beitrag ein Problem: Zwischen den Zeilen zu lesen und davon auszugehen, dass ich provozieren will.

Welche konkreten Reaktionen gab es auf Ihren Beitrag?

Was ich nicht verstehen konnte, war, dass mir vorgeworfen wurde, egoistisch zu sein, weil ich keine Kinder kriegen möchte. Ich habe nicht damit gerechnet, dass es so viele negativen Facebook-Kommentare geben wird. Ein paar E-Mails haben mich auch erreicht: positive und negative. Wenn jemand das anders sieht, ist es ja vollkommen okay. Jeder darf seine Meinung respektvoll äußern, aber solche krassen Kommentare – wie mir zum Beispiel meine Rente abzusprechen – lese ich nicht gerne.

Auch Ihre Schwiegermutter hat den Beitrag kommentiert. Haben Sie privat noch weiterdiskutiert?

Meine Schwiegermutter ist auf der Facebook-Seite vom Onetz sehr aktiv und kommentiert viele Beiträge. Ich habe schon damit gerechnet, dass sie meinen Beitrag lesen wird. In ihrem respektvollen Kommentar hat sie mich gegenüber anderen verteidigt. Es gab auch einen Leser, der kommentiert hat, ein Leben ohne Kinder wäre ein erbärmliches Leben. Ihre Aussage war: Jeder soll so leben, wie er möchte. Aber natürlich ist sie enttäuscht und hofft insgeheim noch, dass da schon noch Kinder kommen.

Wie schauen Sie rückblickend auf Ihre Kolumne? Hätten Sie mit dem Thema angesichts der Reaktionen lieber an sich gehalten?

Es ist immer noch meine Meinung und mein Lebensstil, daran hat sich nichts verändert. Da es auch viele positive Reaktionen gab, würde ich sagen, dass sich das auch gelohnt hat. Und ich glaube, ich spreche auch viele junge Frauen mit meiner Kolumne an – oder junge Partnerschaften – aber ich habe mich bewusst an junge Frauen gerichtet, weil sie die gesellschaftlichen Erwartungen in Sachen Familienplanung gut kennen. Ich bereue nichts und bin froh, dass ich die Kolumne geschrieben habe.

Haben Sie Tipps für Kolleginnen und Kollegen im Lokalen, die sich ähnlich wie Sie an ein so persönliches Thema heranwagen möchten?

Mein Tipp ist: Wenn man negative Kommentare vermeiden möchte, sollte man es lassen. Als Journalist oder Journalistin muss man damit rechnen, dass auch negatives Feedback kommt und man mit gewissen Themen anecken wird. Und das muss man aushalten können. Das Negative sollte man sich nicht zu sehr zu Herzen nehmen. Ein anderer wichtiger Rat: Man sollte auch bei einem Meinungsbeitrag versuchen, die eigene Lebensform nicht als die einzig richtige darzustellen. Genau das habe ich in meinem Beitrag versucht zu vermeiden. Ich wollte nur einen ganz persönlichen Ausschnitt aus meinem Leben zu diesem Thema preisgeben und keinesfalls für alle junge Frauen sprechen.

Zur Kolumne von Onetz.de

Lisa Sebald

ist Volontärin bei den Oberpfalz Medien.

E-Mail: lisa.sebald@oberpfalzmedien.de

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