„Zeitungsarbeit transparent machen"
von drehscheibe-Redaktion
Christian Lindner, Chefredakteur der Rhein-Zeitung, ist ein überzeugter Twitter-Nutzer. Seine Kurznachrichten aus dem Redaktionsalltag verfolgen bereits mehr als 1200 Leser. Bei der Rhein-Zeitung twittern inzwischen verschiedene Redaktionen, unter anderem alle Lokalredaktionen. Welches Ziel damit verfolgt wird, erzählt Christian Lindner im Gespräch mit drehscheibe-Redakteur Jan Steeger.
Herr Lindner, wer verbirgt sich hinter dem Twitter-Account "RZChefredakteur"?
Christian Lindner und niemand anders.
Anders gefragt: Wie viel Privates steckt in ihren Kurznachrichten (Tweets)?
Das reine Privatleben bleibt tabu. Gleichzeitig will ich mit einigen Tweets schon zeigen, wie stark das Medienschaffen auch in das Privatleben hineinwirkt. Journalisten haben jedoch in der Regel soviel Spannendes aus ihrem Arbeitsalltag zu berichten, dass sie nicht darüber twittern müssen, was es zum Frühstück gab.
Wer liest denn Ihre Twitter-Mitteilungen?
Ich habe eine bunte, vitale Mischung von Followern. Zum einen Abonnenten der Rhein-Zeitung und "Digital Natives" aus der Region, die über den Twitter-Kanal wieder Interesse an den "Holzmedien" finden, zum anderen Leute aus der Branche, die ich sonst nur ein- bis zweimal im Jahr auf Kongressen treffe und mit denen ich mich über Twitter tagesaktuell und sehr effizient austauschen kann. Darüber hinaus folgen mir auch immer mehr Politiker aus dem Verbreitungsgebiet und einige Medienmacher aus dem Ausland.
Mittlerweile twittern bei der Rhein-Zeitung auch sämtliche Lokalredaktionen. Was wollen Sie damit erreichen?
Das reine Privatleben bleibt tabu. Gleichzeitig will ich mit einigen Tweets schon zeigen, wie stark das Medienschaffen auch in das Privatleben hineinwirkt. Journalisten haben jedoch in der Regel soviel Spannendes aus ihrem Arbeitsalltag zu berichten, dass sie nicht darüber twittern müssen, was es zum Frühstück gab.
Ohne Vorgaben der Chefredaktion?
DaJa, und zwar ganz bewusst. Wir befinden uns im Experimentalstadium. Redaktionelles Twittern ist ein Prozess, bei dem wir unsere Standards flexibel entwickeln müssen.
Haben Sie nicht Bedenken, wenn Ihre Redaktionen twittern und damit Interna in die Öffentlichkeit tragen?
Nein. Von den 637 Tweets etwa, die unsere Volontäre bisher abgeschickt haben, war nicht einer dabei, über den ich mich geärgert habe. Im Gegenteil: Ich habe sie ermuntert, noch frecher, noch kreativer zu twittern. Wenn ich als Volontär die Möglichkeit bekommen hätte, ohne Hierarchien, ohne Instanzenweg und Kontrolle zu publizieren, hätte ich auf jeden Fall ausgetestet, wo die Grenzen sind. Prinzipiell gilt: Wir wollen auch über Twitter die Zeitungsarbeit transparent machen. Je offener wir dabei in den Tweets sind, desto mehr Dialog gibt es.
Sie haben sogar einen Ihrer Twitter-Follower zur Blattkritik eingeladen. Wieso?
Wir haben bereits im Februar eine Sonderseite über Twitter im Blatt gehabt. Einer unserer Abonnenten, ein Architekt im Alter von 50plus, hat sich daraufhin bei Twitter angemeldet und war einer unserer ersten Follower. Als er mir später via Twitter mitteilte, dass er durch Twitter die Rhein-Zeitung jetzt mit ganz anderen Augen sieht, habe ich ihn spontan eingeladen. Die Redaktionskonferenz mit ihm war eine der besten, die wir je erlebt haben. Wir laden deshalb jetzt öfters Follower via Twitter zur Blattkritik ein.
Bei der Berichterstattung zur Kommunalwahl im vergangenen Monat sind Sie Twitter allerdings untreu geworden und haben Live-Ticker auf Ihrer Website eingesetzt.
Twitter ist herrlich, aber es bringt direkt keine Klicks auf unserer Website. Mit den Live-Tickern konnten wir die Ergebnisse der Kommunalwahlen sofort auf unserer Website publizieren, und nicht erst am nächsten Tag in der Zeitung. Das hatte eine irrsinnige Resonanz. Am Wahlsonntag entfielen 330.000 Seitenaufrufe allein auf die Live-Ticker. Zum Vergleich: An einem normalen Sonntag wird unsere gesamte Website im Schnitt rund 150.000 Mal aufgerufen. Ganz untreu geworden sind wir Twitter aber auch beim Live-Ticker nicht: Wir haben diesen Dienst so programmiert, dass alle Tickermeldungen automatisch auch getwittert wurden.
Interview: Jan Steeger
Christian Lindner twittert unter dem Namen "RZChefredakteur". Auf seinem Twitter-Kanal berichtet er pointiert aus seiner Arbeitswelt. Bei der Rhein-Zeitung twittern inzwischen verschiedene Redaktionen, unter anderem alle Lokalredaktionen. Eine Übersicht über die Twitter-Aktivitäten der Zeitung gibt es unter rhein-zeitung.de/rztwitter/.
In Kürze sollen auf dieser Seite zudem interessante Twitterer aus dem Verbreitungsgebiet vorgestellt werden – nach Themengebieten geordnet. Ein Gespräch von Christian Lindner mit einem der ersten RZ-Follower findet sich als Webvideo unter rhein-zeitung.de/on/09/05/08/video/t/rzo566369.html.
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