Andere Meinungen zulassen
von Gastautor
Leser der Frankenpost kritisieren die Veröffentlichung eines kritischen Leserbriefes über die derzeitige Flüchtlingspolitik. Die Leseranwältin erklärt, wie sie darauf reagiert.
Alle Redaktionen kennen das: In diesen Tagen werfen uns immer mal wieder Leser vor, einseitig zu berichten. Sie sagen, es würde nur veröffentlicht, was Mainstream sei. Unangenehmes oder politisch Unkorrektes würde einfach unter den Tisch fallen. Aus purer Absicht und weil es „die da oben“ wollen. Mit diesen Lesern reden wir, aber nicht alle können wir überzeugen.
Es gibt auch andere Fälle: Ein Brief ging unserer Redaktion zu. Zwölf Personen haben ihn unterzeichnet. Sie reagieren mit dem Schreiben auf einen Leserbrief, der kürzlich in unserer Zeitung erschienen ist. Darin bringt „die Autorin ihr Missfallen über Angela Merkels Flüchtlingspolitik zum Ausdruck, sie wirft der Kanzlerin „stures Beharren“ vor, ihr Verhalten bringe Deutschland in Schieflage. Die Frau sieht die Aufbauleistung der Heimatvertriebenen nach dem Zweiten Weltkrieg infrage gestellt und ruft Horst Seehofer dazu auf, seine Haltung in der Flüchtlingsfrage beizubehalten.
Die Ansicht der Leserbrief-Schreiberin missfällt der Gruppe. Sie schreibt uns: „Wir sind entsetzt und enttäuscht, dass die Frankenpost sich zum Sprachrohr von Pegida und ‚Gefolge‘ macht.“ Die Unterzeichner lesen zwischen den Zeilen „Hass, gepaart mit Dummheit und Inkompetenz“. Natürlich sei eine Lesermeinung nicht zugleich Meinung der Redaktion, das wissen sie. Dennoch schreiben sie in ihrem Brief an die Redaktion: „Sie haben die Möglichkeit und auch die Pflicht, Meinungsbildung in positiven Sinn zu bewirken. Dieser Leserbrief hätte nicht veröffentlicht werden dürfen.“
Da sind wir anderer Meinung und erklären es den Absendern des Briefes auch: Wir prüfen jede Zuschrift darauf, ob sie Beleidigungen enthält oder sonst Gründe gegen den Abdruck sprechen. Das war hier nicht der Fall. Uns geht es um presserechtliche Dinge, wir halten uns an die Vorgaben des Pressekodex. Aber wir Journalisten maßen uns nicht an, den Intellekt der Absender zu bewerten oder die Sinnhaftigkeit ihrer Äußerungen infrage zu stellen. Es ist die feste Überzeugung der Redaktion, dass eine Gesellschaft auch Meinungen anhören muss, die sie nicht teilt. Es kommt jedoch auf die Form an. Natürlich muss sich keiner zum Steigbügelhalter für extremistisches Gedankengut machen. Das tun wir auch nicht. Das heißt aber keinesfalls, dass zwingend alles außen vor bleibt, was nicht in den Kram passt.
Auch hier stellen wir uns der offenen Diskussion. Ich habe Kontakt zur Sprecherin der Gruppe aufgenommen und sie gefragt, warum sie und ihre Mitstreiter keine Antwort auf den besagten Leserbrief verfasst haben. Und dabei habe ich ihr erklärt, dass die Leserbriefspalte genau das richtige Forum ist, um ein strittiges Thema zu erörtern. Dann allerdings in sachlicher Form und ohne persönliche Angriffe.
Das Gespräch verlief freundlich, die Dame erklärte, warum sie sich über den Leserbrief geärgert hatte. Sie hörte sich auch meine Position an und stimmte manchem zu. Der Zorn war da schon weitestgehend verraucht – vermutlich deshalb ist sie mit ihrem „Leserbrief-Team“ meinem Vorschlag, doch neu zu formulieren, nicht nachgekommen.
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