Leseranwalt

Den richtigen Ton treffen

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Frau B. S. ist ein Fan der Kastelruther Spatzen und hat sich bereits vergangenes Jahr über den Bericht über ein Konzert der Gruppe geärgert. Ein weiterer Artikel hat nun das Fass zum Überlaufen gebracht. Damit spricht sie etwas an, was nicht zum ersten Mal für Ärger unter Volksmusik- und Schlagerfreunden sorgt: Sie fühlen die Musik ihrer Lieblingskünstler in Konzertnachbetrachtungen zuweilen nicht ernst genug genommen. Das bedarf einer redaktionellen Erklärung.

Aus dem Text folgert Frau B. S., der Autor könne mit Volksmusik nichts anfangen und scheine den Sinn der Lieder nicht zu verstehen. Sehr provokant sei schon die Überschrift („Die Kastelruther Spatzen beherrschen die Kunst der Banalität“). Und für sie als Besucherin des Konzerts in Würzburg sei die Stimmung dort sehr gut gewesen, was ihr auch andere Besucher bestätigt hätten. Das Anliegen der Frau: sachlich und objektiv berichten oder es sein lassen. Meine Anmerkung dazu: So einfach geht das selten. Meist werden nach Konzerten Wertungen erwartet, von Lesern, vom Publikum und den Künstlern selbst.

Für die Erklärung der Rezension habe ich den Redakteur, der sie geschrieben hat, zurate gezogen. Er ist im Gegensatz zu mir Musikkenner. Und er bezeichnet sich selbst als Freund von Volksmusik. Aber er legt Wert auf eine Unterscheidung: Bei dem, was die Kastelruther Spatzen in Würzburg geboten haben, handle es sich um volkstümliche Schlager, aber nicht um Volksmusik.

Die „Kunst der Banalität“ in der Überschrift solle ausdrücken, dass es auch eine künstlerische Leistung sei, extrem Schlichtes mit Überzeugung derart konsequent zu verkaufen, erklärt der Autor. Dass dies enormen Erfolg hat, steht im veröffentlichten Text, dem – wie ich meine – die nachvollziehbaren Erklärungen des Autors gutgetan hätten. Das hätte die Transparenz erhöht. Denn wie unser Beispiel zeigt, konnten Fans die Formulierung durchaus missverstehen. Dass sie vom Auftritt der Spatzen begeistert waren, wird in der Rezension deutlich. Das bedeute aber nicht zwingend, so der Verfasser, dass es sich um eine gute musikalische Leistung gehandelt habe. Beispielhaft verweise ich auf seine schlechte Bewertung einer „volkstümelnden“ Darbietung der Spatzen von Verdis „Va pensiero“.

Ergänzen will ich in Sachen Journalismus: Konzertrezensionen können nie objektiv sein, sollen sie auch nicht. Sie sind Wertungen ihrer Autoren. Die geben ihren Beiträgen gerne eigene Kreativität mit. So können Rezensionen ihre Leser einfallsreich unterhalten und dennoch seriös sein. Grundsätzlich bleiben sie aber Meinungsbeiträge. Fakten freilich, die müssen – wie etwa der Blick in die Vergangenheit der Kastelruther – korrekt wiedergegeben sein.

Zugegeben, „Banalität“ ist nicht unbedingt positiv belegt, im vorliegenden Beispiel für manche Fans also gewöhnungsbedürftig. Und auch ich meine, in einzelnen Sätzen der Rezension einen Hauch von Überheblichkeit erkennen zu können, etwa im Hinweis auf die Bühnenromantik „in handelsüblichem Pressspan“, der später vom Veranstalter korrigiert und als „hochwertiges Glasfasermaterial“ bezeichnet wurde. Oder im durchaus anschaulichen Vergleich: „Die Atmosphäre liegt irgendwo zwischen Weinfest, Bierzelt und Tanzboden.“

Wie sie auch immer empfunden werden: Gerade solche vergleichenden Sätze sind zulässige und verständliche Bewertungen. Das gilt auch für die Passage, die es als Kunst beschreibt, die Grauen des Ersten Weltkrieges, die die Südtiroler ertragen mussten („Die Tränen der Dolomiten“), zur Banalität werden zu lassen. Darin darf man auch Kritik erkennen. Die Erfahrung sagt: Stark individuell geprägte Stilformen bringen es mit sich, dass sich Kritiker danach häufig selbst mit Kritik auseinandersetzen müssen. Das schadet nicht, kann sogar nützlich und förderlich sein. Deshalb ist die Zuschrift von Frau B. S. wichtig.

Dieser Beitrag erschien am 9. April 2018 auf Mainpost.de

Anton Sahlender

Autor

Anton Sahlender war von 1988 bis 2014 stellvertretender Chefredakteur der Main-Post. Seit 2004 ist er Leseranwalt der Zeitung und kümmert sich um die Interessen der Leser.
Telefon: 0170 – 836 28 80
Mail: anton.sahlender@mainpost.de

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