Die Geschichte mit dem Degen
von Gastautor
Aus drehscheibe 13/2022
Ein treuer Leser der Amberger Zeitung beziehungsweise Sulzbach-Rosenberger Zeitung hat sich ziemlich geärgert „über die sensationsgeile Berichterstattung meiner Zeitung“, wie er mir schrieb. Er habe sich „so geärgert, dass ich am liebsten kündigen würde, ja, wenn ich diese, ,meine‘ Zeitung nicht für unentbehrlich halten würde“.
Per Mail teilte der Mann mit: „Was mich so auf die Palme bringt, ist die nicht nur einmalige, sondern wiederholte Berichterstattung zu dem ,Degenanschlag‘ in Weiden. Nicht nur seitenlange Berichte zwei Tage hintereinander, sondern auch noch zusätzliche ,Informationen‘ über das Onetz hält die Redaktion für erforderlich, um das sensationslüsterne Publikum auf dem Laufenden zu (unter)halten.“ Außerdem störte sich der Leser daran, dass die Tatwaffe gezeigt wurde.
Der Abonnent kritisierte: „In meinen Augen ist das ganz billiger Sensationsjournalismus im Stile der Bild-Zeitung. Der Stil Ihrer Zeitung hat sich in den letzten Jahren ohnehin deutlich in diese Richtung hin ,entwickelt‘.“
Meine Antwort nachfolgend im Wortlaut: Bei allem Verständnis für Ihren Standpunkt, ich kann Ihre Meinung leider nicht teilen. Zunächst einmal möchte ich darauf hinweisen, dass es Aufgabe der Medien und in diesem Fall unserer Zeitung ist, die Öffentlichkeit über ein solches Geschehen zu informieren. Es gibt bei den Lesern ein großes Interesse an einer ausführlichen Berichterstattung und journalistischen Einordnung. Zumal es sich um eine außergewöhnliche und schwere Straftat handelte, die auf offener Straße begangen wurde: Die Frau, die am 23. August in der Weidener Altstadt mit einem Degen drei Männer attackiert und zwei davon verletzt hat, steht laut Staatsanwaltschaft unter dem dringenden Tatverdacht des versuchten Mordes in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung.
Die Kollegen, die mit der Berichterstattung befasst waren, haben nach meinem Dafürhalten immer versucht, möglichst nur gesicherte Erkenntnisse weiterzugeben und nicht zu spekulieren – auch im Interesse der Opfer. Die Redaktion ist insgesamt durchaus zurückhaltend vorgegangen. Sie hat gewissenhaft recherchiert, sie hat mit der Polizei gesprochen, sie hat Zeugen zu Wort kommen lassen. Die Redaktion hat keine Bilder gezeigt, auf denen Spuren der Taten zu erkennen waren. Ein von der Kriminalpolizei zur Verfügung gestelltes Foto des Degens zu veröffentlichen, ist absolut in Ordnung. Es sind auch deshalb mehrere Artikel erschienen, weil es täglich neue Erkenntnisse im Zusammenhang mit der Tat gab und es nicht nachvollziehbar gewesen wäre, wenn die Redaktion sie den Lesern vorenthalten hätte.
Wir sind – auch unseren Lesern gegenüber – in der Verpflichtung, entsprechend zu berichten. Die Berichterstattung über Unglücksfälle und Katastrophen findet ihre Grenze im Respekt vor dem Leid von Opfern und den Gefühlen von Angehörigen. Die vom Unglück Betroffenen dürfen grundsätzlich durch die Darstellung nicht ein zweites Mal zu Opfern werden.
Bei der Berichterstattung über Gewalttaten, so steht es im Pressekodex, „wägt die Presse das Informationsinteresse der Öffentlichkeit gegen die Interessen der Opfer und Betroffenen sorgsam ab. Sie berichtet über diese Vorgänge unabhängig und authentisch.“ Das haben die Kollegen meiner Meinung nach im Fall Weiden getan. Das war weit entfernt von Sensationsjournalismus.
Dieser Artikel ist am 30. September 2022 auf Onetz.de erschienen. Er wurde redaktionell leicht gekürzt.
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