Die Krux mit der Anonymität
von Gastautor
Aus drehscheibe 06/2024
Im Leserbrief einer „treuen Leserin der Volksstimme“ ging es um eine Frage zum Schulgesetz, die man bitte aufgreifen möge. Aber: Sie wollte anonym bleiben, hatte ihren Namen weder im Schreiben selbst noch auf dem Briefumschlag vermerkt.
Wie geht die Redaktion der Volksstimme damit um, wenn jemand ungenannt bleiben will? Hier muss man zwei Kategorien von Einsendungen und diese wiederum auf zwei Ebenen betrachten: 1. die Kontaktaufnahme zur Redaktion und 2. die Berichterstattung.
Die eine Kategorie von Zuschriften bilden die klassischen Leserbriefe und -mails, in denen die Schreiber ihre Meinung zu bestimmten Themen und Beiträgen in der Volksstimme formulieren. Bei diesen Zuschriften ist die Angabe von Namen und Adresse zwingend notwendig, schließlich muss die Redaktion nachvollziehen können, ob es sich um echte Absender handelt. Bleiben die Verfasser von vornherein auch der Redaktion gegenüber anonym, dann landen ihre Briefe im Papierkorb.
Kommt ein Leserbrief für eine Veröffentlichung infrage, dann wird er zusammen mit dem Namen des Verfassers und einer Ortsangabe publiziert, keinesfalls mit vollständiger Adresse. In Ausnahmefällen kann ein Leserbrief, dessen Absender der Redaktion bekannt ist, der Richtlinie 2.6 des Pressekodex folgend anders gezeichnet werden. Das kommt bei uns allerdings so gut wie nie vor.
Darüber hinaus gibt es Zuschriften, die sich nicht unbedingt auf konkrete Artikel in der Volksstimme beziehen. Oft enthalten sie den Vermerk, dass das Schreiben so nicht zur Veröffentlichung gedacht ist. Vielmehr lassen die Verfasser uns einen Hinweis oder gar Material zukommen. Auch wenn die Absender sich anonym an die Redaktion wenden, schauen wir uns solche Zuschriften genauer an; ab und zu bergen sie Hinweise, die sich unabhängig davon, ob man den Tippgeber kennt, für eine eigene Recherche aufgreifen lassen.
In jedem Fall müssen Journalisten sehr sorgfältig prüfen, woher eine Information stammt, wie plausibel und wie zuverlässig sie ist. Das zu erfahren, ist auch für Leserinnen und Leser wichtig, daher gehören Angaben dazu in der Regel auch in die spätere Berichterstattung. Auf dieser zweiten Ebene wird es richtig verzwickt.
Jeder hat das Recht, selbst zu bestimmen, ob sein Name genannt werden darf. Die Redaktion muss zwar wissen, mit wem sie es zu tun hat – sie muss ihre Quelle aber auch schützen, soll sie nicht versiegen. Will eine Person anonym bleiben, muss die Redaktion dies respektieren und wiederum für sich entscheiden: Verzichten wir ganz auf den Beitrag? Oder ist für die Darstellung des Themas unerheblich, wie ein konkreter Betroffener heißt? Das ist meist der Fall, wenn sich Menschen mit sehr persönlichen Problemen an die Leseranwältin wenden. Oder handelt es sich um ein brisantes Thema, bei dem Informanten persönliche und/oder berufliche Nachteile erleiden würden, wären sie öffentlich bekannt? Dann muss die Redaktion dafür sorgen, dass weder durch Namen noch durch andere Details auf die Identität geschlossen werden kann. Selbst Gerichte können sie nicht zwingen, Quellen offenzulegen, Journalisten haben ein Zeugnisverweigerungsrecht (u. a. Paragraf 53 Strafprozessordnung). Bei dem eingangs erwähnten Brief sah die Redaktion allerdings keinen dieser Ausnahmegründe gegeben.
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