Die Tücken des Krieges
von Gastautor
Aus drehscheibe 14/2022
Es ist überaus verständlich, dass sich Leser fundierte Informationen über den Krieg in der Ukraine wünschen. Doch den Nachrichtenagenturen und vielen Reportern vor Ort sind häufig die Hände gebunden. Nicht alles ist zu erfahren – und wenn, dann kann es häufig nicht offiziell bestätigt werden, auch wenn man es noch so gerne überprüfen würde. In solchen Fällen wird das im Text dann auch so erwähnt.
„Im Kriege ist die Wahrheit so kostbar, dass sie immer von einer Leibwache von Lügen umgeben sein sollte.“ Diese Worte von Winston Churchill sind aussagekräftig. Herrscht Krieg, dann gibt es kaum verlässliche Informationen. Denn jede Nachricht, die herausgegeben wird – von welcher Seite auch immer –, hat einen Zweck. Entweder soll sie zu wenig sagen, oder sie soll etwas ausdrücken. So wird Information leicht zu Propaganda und Desinformation. Vorsicht ist geboten, manches lässt sich auch nicht auf den Wahrheitsgehalt hin überprüfen.
„Das erste Opfer des Krieges ist die Wahrheit“, ist ein weiteres geflügeltes Wort. Ein gutes Beispiel sind die gesprengten Pipelines in der Ostsee. Noch laufen die Untersuchungen, doch schon stehen für viele Seiten die Verdächtigen fest. Die russische Führung hat eine Aufklärung der mutmaßlichen Sabotage an der Ostseepipeline Nord Stream gefordert und die USA als Hauptverdächtigen dargestellt. Die Nato ihrerseits geht von Sabotage eines Landes aus, das zwar nicht genau benannt wird, aber zwischen den Zeilen ist zu lesen, dass man durchaus Russland für den möglichen Schurken halten könnte.
Gleichwohl: Nachrichten haben nicht nur Nachrichtenwert. Sie transportieren in Kriegszeiten mehr als nur Tatsachen. Die Statements des ukrainischen Präsidenten Selenskyj beinhalten „mehr“ als nur das Gesagte. Und bei Russlands Präsident Putin ist es genauso. Wie die Kriegsführung zu werten ist, da gibt es viele Deutungen. Neuerdings liefern sich sogar die russischen Kommandeure und Söldner-Chefs eine schiere PR-Schlacht via Telegram und anderen Plattformen. Ein ganz besonderer Medienkrieg ist so zusätzlich entbrannt.
Oft ist es schwer, die Spreu der bloßen Propaganda vom Weizen der fundierten Information zu trennen. Somit ist es auch nicht einfach, in der Flut von Infos auch fundierte, „echte“ Meldungen zu erkennen. Gerade in den sozialen Medien sind viele Fake News unterwegs. Absichtlich platzierte Pseudo-Nachrichten, die Stimmung machen sollen, sind an der Tagesordnung. Vieles davon ist geeignet, auch eine demokratische Gesellschaft wie die unsere zu spalten.
„Die Wahrheit ist den Menschen zumutbar“, ist ein Zitat, das Ingeborg Bachmann zugeschrieben wird. Damit die Menschen aber die Wahrheit erkennen, bedürfen sie der Medien-Kompetenz, um überprüfen zu können, ob Nachrichten „stimmen“, ob die Information mehr ist als nur Propaganda.
Der Artikel erschien zuerst in der Frankenpost. Er wurde redaktionell gekürzt.
Veröffentlicht am
Kommentare
Einen Kommentar schreiben