Grenzgänger und Vermittler
von drehscheibe-Redaktion
Aus drehscheibe 11/2018
Die Frage kam aus der Tiefe der Ahnungslosigkeit. „Wozu brauchen Redaktionen in Zeiten von Social-Media-Redakteuren noch einen Ombudsmann?“ Da kommt man ins Grübeln, vor allem wenn sie von einer Journalistin gestellt wird, die für das Branchenmagazin Journalist arbeitet. Auch wenn nicht alles, was hinkt, ein Vergleich ist, das ist etwa so, als ob man die Frage stellen würde: Wozu braucht es noch Journalismus, wo es doch PR gibt? Kann sein, dass auch diese Frage inzwischen bei manchen Zustimmung findet, nicht nur in Sport oder Reiseredaktionen. Aber das ist eine andere Geschichte.
Die Eingangsfrage einer Brancheninsiderin zeigt freilich, dass wir erst am Anfang eines Aufklärungsprozesses stehen. Das kann nicht verwundern, denn anders als es das „noch“ unterstellt, ist die Institution des Ombudsmanns, zumindest in Deutschland, noch sehr jung, ihr Profil mithin nicht exakt definiert. In der Praxis differieren Erwartungen und Alltag in den verschiedenen Medienhäusern deshalb beträchtlich. In einigen ist sie so etwas wie eine Verlängerung der Leserbriefredaktion, in anderen eine neutrale Beschwerde- und Schiedsstelle, die erst dann ins Spiel kommt, wenn Leserinnen und Leser mit der – nicht erst in Zeiten von Social Media eigentlich selbstverständlichen – Kommunikation mit Redakteurinnen und Redakteuren unzufrieden sind. Ombudsleute sind also eine Art Presserat auf Verlagsebene. Ihr Platz ist nicht in der Redaktion, sondern rittlings auf der Grenze zwischen Redaktion und Leser. Das erklärt auch, warum sie so rar sind. Denn erstens kosten sie Geld und zweitens sind sie unangenehm. Beides ist lästig.
Die notwendig enge Definition der Position von Medienombudsleuten legt den Finger freilich in eine ganz andere Wunde. In den meisten Verlagen ist es um die Kommunikation zwischen Redakteurinnen und Leserinnen (gemeint sind damit natürlich auch die männlichen Kollegen) bei Weitem nicht so gut bestellt, wie die Verantwortlichen sich selbst gerne weismachen wollen. Oft fehlt es schon an einer Forumredaktion, die zu mehr in der Lage ist, als Leserbriefe zu verwalten. Die sogenannten Social-Media-Redakteure können, so es sie überhaupt gibt, allenfalls punktuell jene zentrale Position in der Außenkommunikation wahrnehmen, die in der Ausschreibung der Springer-Akademie für die entsprechende Ausbildung als wichtiges Ziel beschrieben wird. Und eine integrierte Forumsstrategie über alle Medien hinweg muss man mit der Lupe suchen.
Der Alltag von Ombudsleuten zeigt, dass sie immer in Gefahr sind, zu einer Art willkommenem Überlaufbecken für all das zu werden, wozu Redaktionen entweder die Zeit oder die Lust fehlt. Hier böte sich Jüngeren deshalb ein breites Entwicklungsfeld, um den „älteren Herrschaften“ letztlich die Rolle zuweisen zu können, die Ombudsleuten eigentlich gemäß ist – Beispiele dafür sind Ernst Elitz bei Bild oder der ehemalige Dompfarrer Joachim Hempel bei der Braunschweiger Zeitung, der leider nach Äthiopien geht: erfahrene Frauen und Männer, deren Persönlichkeit und Kompetenz helfen, in Konfliktfällen zu vermitteln, auch wenn es dabei zum Äußersten kommt. Sprich dann, wenn Redaktionen erkennen müssen, dass Leserinnen und Leser mit ihrer Kritik Recht haben könnten.
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