In Ruhe zuhören
von Gastautor
Bei der Ombudsfrau der Berliner Zeitung melden sich nicht nur die Leser des Blattes mit ihren Anliegen. Ihr Handwerk lernte sie von einem prominenten Vorgänger.
In den 70 Jahren ihres Bestehens ist die Berliner Zeitung mit ihrer Leserschaft eine enge Verbindung eingegangen. Die Leser haben Vertrauen zu ihrer Zeitung. Sie erwarten, dass sie über Missstände berichtet, gegen bürokratische Härten vorgeht und auf Benachteiligungen aufmerksam macht. Eine gute Zeitung wird sich immer auch als Anwalt der Leser verstehen.
Aus Platzgründen wird aber nur ein Bruchteil der Anliegen und Probleme, die Leser ihrer Tageszeitung mitteilen, abgedruckt. Aus diesem Grund haben wir uns im Jahr 1997 entschieden, eine Ombudsstelle einzurichten. Das war damals noch relativ neu in Deutschland. Mittlerweile hat sich der Ombudsgedanke erfreulicherweise sehr verbreitet.
Als unseren ersten Ombudsmann gewannen wir Klaus Schütz, einen sowohl in Ost wie in West bekannten Elder Statesman der Bundesrepublik. Von 1967 bis 1977 war er Regierender Bürgermeister von Berlin. Er wusste, wie die Behörden gestrickt sind, und kannte maßgebliche Leute in der Stadt. Ich habe viel von ihm gelernt, zum Beispiel im Gespräch stets gelassen zu bleiben, auch wenn es hart auf hart geht, und mich in meinen Briefen knapp zu halten. Zeit ist Geld.
Ihm zur Seite stellte die Chefredaktion ein Team erfahrener Lokal- und Ratgeberjournalisten. Gemeinsam konnten wir Tausenden Menschen helfen – sei es in Fragen von Ämterwillkür, bei Reklamationen oder Ärger mit der Krankenkasse oder dem Jobcenter.
Seit dem Jahr 2002 bin ich die Ombudsfrau der Berliner Zeitung. Die Kontaktdaten stehen jeden Mittwoch in der Zeitung, wenn wir in der Rubrik „Ombudsfrau“ unsere Erfolge veröffentlichen. Sie sind weit bekannt in der Stadt; es rufen auch Menschen an, die nie eine Berliner Zeitung in der Hand hatten.
Nicht immer kann ich helfen. Das sage ich auch ganz ehrlich am Telefon, denn Rechtsanwalt spielen dürfen Journalisten nicht. Wenn Leser an der Bürokratie verzweifeln oder an Firmen, die ihre Briefe nicht beantworten, können wir jedoch versuchen, über die Pressestellen einen neuen Kanal zu öffnen.
Unterstützt wird die Redaktion durch ein Netzwerk aus Verbraucherschützern, Rechtsanwälten, Selbsthilfegruppen und Pressestellen von Firmen und Behörden, das wir uns im Laufe der knapp zwei Jahrzehnte aufgebaut haben. In vielen Fällen bin ich nur der Lotse, der dem Leser die Adresse eines Experten vermittelt.
Über Artikel in der Zeitung beschweren sich Leser natürlich auch bei der Ombudsfrau. Da hilft es, genau zuzuhören und in Ruhe die Überlegungen der Redaktion für eine Entscheidung zu erklären. Oft hat der Leser recht. Wichtig ist es, Fehler offen zuzugeben und sie auszuwerten. Wenn es scharfe Reaktionen gibt, spreche ich das in der täglichen Redaktionskonferenz an, wenn es nur um Einzelfälle geht, berede ich das bilateral mit dem Kollegen selbst.
Insgesamt ist die Ombudstätigkeit eine sehr befriedigende Arbeit. Man hat den direkten Draht zum realen Leben, kann helfen, und ich spüre jeden Tag die Liebe der Leser zu ihrer Zeitung.
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