Kolumne mit Scharnierwirkung
von Gastautor
Der Leser-Obmann der Magdeburger Volksstimme vermittelt zwischen Lesern und Redaktion und achtet darauf, dass journalistische Grundsätze eingehalten werden.
Eine junge Frau ist seit einem Unfall in ihrer Kindheit schwer behindert. Sie will ihr Leben in die eigene Hand nehmen und wünschte sich nichts sehnlicher, als Arbeit zu finden. Nach der Ausbildung zur Bürofachkraft in einem Berufsbildungswerk und vorübergehender Anstellung blieben alle ihre Bemühungen, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, erfolglos. Der Verzweiflung nahe, wandte sich die 30-Jährige an den Leser-Obmann der Magdeburger Volksstimme, der sich beim Jobcenter für sie einsetzte. Dort stieß der Leser-Obmann auf offene Ohren, und am Ende gelang es, der jungen Frau den Weg zu einer beruflichen Perspektive zu eröffnen.
335 Mal haben im vergangenen Jahr Mitbürger den Leser-Obmann um Hilfe gebeten, weil sie Probleme mit Behörden, Institutionen oder Unternehmen hatten. Über 67 dieser Fälle berichtete die Magdeburger Volksstimme auf ihrer Leserseite am Montag.
Als ich vor etwas mehr als einem Jahr die Aufgabe des Leser-Obmanns übernahm, stieß ich keineswegs auf unbekanntes Terrain. Seit dem Jahr 2000 hatte die Magdeburger Volksstimme einen Leseranwalt. Daraus ist im Zuge personeller und organisatorischer Veränderungen in der Redaktion der Leser-Obmann geworden.
Als dieser sollte und wollte ich zwar weiter, aber nicht mehr nur ausschließlich für die „Sorgenkinder“ unter den Lesern da sein. Eine Zeitung zu machen, die informativ, kritisch, zukunftweisend, schließlich auch unterhaltsam ist, braucht die Mitwirkung der Leser, ihre Hinweise, Anregungen und Wünsche, vor allem auch ihre Kritik. Dies ist meine Überzeugung, und nicht nur meine. In dem Sinne sehe ich meine Aufgabe darin, den Dialog zwischen Lesern und Redaktion weiterzuentwickeln. Dabei geht es nicht nur um das Erkennen und Beilegen möglicher Konflikte zwischen Redaktion und Lesern. Es geht auch um das Vermitteln und Einhalten unserer journalistischen Grundsätze.
Insofern hat meine wöchentliche Kolumne (jeweils am Montag auf der Leserseite) auch so etwas wie eine Scharnierwirkung. Sie antwortet auf Kritiken oder Hinweise von Lesern und erläutert, warum die Redaktion ein Thema aufgegriffen oder ignoriert, einen Vorgang auf diese und nicht auf jene Weise behandelt hat. Im Idealfall ist sie auch Inspiration für die Kollegen. So legte ich dar, was es heißt, bei der Berichterstattung über eine Selbsttötung – falls darüber überhaupt berichtet werden muss –besondere Zurückhaltung zu üben, und ich griff das viel diskutierte Thema auf, ob in der Berichterstattung über eine Straftat die Herkunft eines Täters eine Rolle spielen darf. Dazu gab es ein breites Leserecho, sodass ich dem Gegenstand eine weitere Kolumne widmete.
Die Zwischenbilanz fällt positiv aus: Die Leser der Magdeburger Volksstimme haben das Gesprächsangebot „ihres“ Obmanns angenommen.
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